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Kazim Akboga über Fußball und Kunst„Neuer spielt, oder?“

Als singender BVG-Kontrolleur wurde Akboga mit „Is mir egal“ bekannt. Zur EM spricht er über seinen Song zum Turnier, Deutschlandflaggen und Orakeltiere.

„Ich verachte Arbeit.“ Foto: David Oliveira

Gerüchteweise kann sich der YouTube-Comedian Kazim Akboga nicht mehr durch Berlin-Neukölln bewegen, ohne auf seinen BVG-Werbespot „Is mir egal“ angesprochen zu werden. Als er vor seine Haustüre tritt und wir zusammen ein paar Schritte gehen, ruft eine junge Frau aus einem Café: „Du bist doch Ismiregal! Krieg ich ein Selfie?“ Als Akboga später für unseren Fotografen posiert, brüllt jeder zweite Passant und jeder vorbeifahrende Autofahrer: „Ismiregal. Supergeil!“

Seit drei Jahren lebt der in Schweinfurt geborene Sohn türkischer Einwanderer in Neukölln. In seinem neuesten Video zum EM-Song „Deutschland is gute Land“, prophezeit er, dass Deutschland „ins Final“ kommt und „das Pokal“ holt. Er singt über „dieses Mittelfeld, den, wo den Titel hält“, und reimt: „Verteidigen macht beste Mann. Gegner macht nix Bamm Bamm.“

taz: Herr Akboga, wie egal ist Ihnen die EM?

Karim Akboga: Sehr egal. Mir geht es nur um das Material. Und das ist interessant. Sehr sogar. Ich geh da mathematisch ran.

Wie gut ist Deutschland?

Ich mag die Jungs. Die sind sympathisch, und Multikulti machen sie auch ganz gut.

Bester Mann?

Neuer spielt, oder? Also Neuer wahrscheinlich.

Ihr EM-Song ist ein Remix Ihres Liedes von 2014 „Deutschland mach Weltmeister“. Wollten Sie nochmals Ihr Talent als Orakel unter Beweis stellen?

Nein. Es war einfach wenig Arbeit. Ich verachte Arbeit. Ich wusste ja nicht mal richtig, wer überhaupt spielen wird. Deswegen kommen in meinem EM-Song auch keine Namen vor, sondern nur Torwart, Stürmer, Mittelfeld.

Kommt Deutschland ins Finale?

Ja, damit die Prophezeiung aufgeht. Sonst macht das Lied ja keinen Sinn.

Welches Orakel würden Sie wählen?

Zebra. Ganz klar.

Warum?

Weil das Zebra schön schwarz-weiß ist. Und mathematisch. Und wegen Wärmeausgleich und Tarnung. Außerdem sind die anderen Tiere immer braun. Die Zebras nicht.

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Kazim für tazzen

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Wie gut ist das deutsche Mittelfeld?

Keine Ahnung. Was macht überhaupt ein Mittelfeld?

Irgendein Spiel schon gesehen?

Ja. Alle Deutschlandspiele. Und Portugal – Island. Weiß auch nicht, warum. Vielleicht werd ich doch noch Fußballfan statt Musiker.

Wenn Sie Sänger bleiben, würden Sie mit Grönemeyer ein Duett singen?

Klar. Als Grönemeyer und Dönermeyer. Ich sing seinen Text und er meinen.

Hätten Sie etwas dagegen, wenn Ihr Song die deutsche Hymne ersetzen würde?

Bei den Deutschland-Spielen könnte man den schon spielen.

In „Deutschland is gute Land“ treten Sie als Fußballspieler in roten Pumps auf. Eine Anspielung auf Homosexualität unter Fußballern?

Nein. Eher auf meine eigene feminine Seite. Ich lauf zu Hause auch in so Dingern rum.

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Kazim Akboga EM-Song

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Sie sind von Schweinfurt nach Berlin gezogen, um Werbetexter zu werden. Den Job haben Sie schnell hingeschmissen und „Is mir egal“ produziert. Jetzt haben Sie den Ruf als Neuköllner Proll. Bereuen Sie es, nach Berlin gekommen zu sein?

Mir ist es egal, wo ich wohne. Hauptsache, ich hab Internet. Ich bin halt ein bisschen weltfremd. Deswegen sind meine Songs auch so, wie sie sind.

Nervt es Sie, ständig Ismiregal genannt zu werden?

Das ist schon okay. Mit der BVG-Werbung hab ich jetzt auch die Hipster auf meine Seite gezogen. Vorher waren es vorwiegend meine Landsleute aus Neukölln.

In Neukölln, wo noch zur WM Fahnenfeste gefeiert wurden, ist kaum Beflaggung. Haben die Landsleute keine Lust auf EM?

Waren bei der WM Flaggen? War ich da überhaupt schon da? Keine Ahnung. Ich hab keine gesehen.

Weil Sie nicht rausgehen?

Doch, ich geh schon raus, aber dann schau ich meistens vor meine Füße, damit ich sehe, wo ich hinlaufe.

Viele Türken hoffen, dass die Türkei aus dem Turnier ausscheidet, weil sie es Erdoğan nicht gönnen. Sie auch?

Ich bin kein Patriot. Aber wenn die Türkei spielt, bin ich trotzdem irgendwie für die. Warum, versteh ich auch nicht.

Zur Debatte um Erdoğan versus Böhmermann haben Sie ein Video gemacht, in dem Sie beiden empfehlen, sich einen „Zungenküss“ zu geben. Warum haben Sie das wieder gelöscht?

Ich hab Schiss bekommen. Mir wurde gedroht. So viel Hate abzubekommen, das hat mich eingeschüchtert. So was hab ich zum ersten Mal erlebt.

Drohungen von Türken?

Ja.

Morddrohungen?

In die Richtung, ja.

Sie haben dann in einem weiteren Video erklärt: „Wenn du stolz auf dein Land bist oder versuchst, mir deinen Glauben aufzuzwingen oder intolerant bist, dann kannst du dich von meinem Kanal verpissen. Wenn du Bock auf grenzenlosen Humor und Kunstfreiheit hast, dann bleib einfach da.“ Auch das haben Sie gelöscht. Warum?

Dieses Hin und Her war mir zu blöd. Es ist nicht der Sinn von Kunst, sich ein Gefecht zu liefern. Ich hab einfach gemerkt, dass ich nur noch aus Hass Sachen mache, und das will ich nicht. Dann hab ich alles gelöscht. Das war auch gut so. Böhmermann hat ja nach der Anzeige auch nicht mehr reagiert. Der Unterschied ist nur, dass er einen deutschen Pass hat. Mich kann man ausweisen.

Haben Sie Vorbilder wie die türkisch-deutschen Kabarettisten Kaya Yanar oder Jilet Ayşe?

Klar kenn ich die, aber nicht so gut. Meine Vorbilder sind eher Leute wie Johann König, Urban Priol und vor allem Helge Schneider. Also eher so sprachlich verspielte Sachen. Vielleicht hab ich nicht so viel Talent, aber so würde ich gern sein.

Und nicht immer der kleine naive Türke, der gebrochen Deutsch spricht?

Genau. Ich will nicht der Zehntausendste sein, der sagt, Türken sind so, Deutsche so. Das ist total veraltet. Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt noch solche Leute gibt, die so sprechen wie meine Figur aus „Ismiregal“. Der redet ja so wie die ersten Einwanderer in den 60er Jahren.

Haben Sie das Gefühl, Ihr Erfolg hat genau damit zu tun?

Bestimmt. Aber ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Unter meinen neuen Fans sind sicher ein paar Idioten, wie überall. Aber auch ein paar Studenten. Mit der BVG-Werbung hab ich auch viele Normalos angelockt, die mit meinem Humor in den anderen Youtube-Videos nicht viel anfangen können. Aber ich finde das gut, dass alle fragen, was das eigentlich für ein Typ ist?

Sie lesen Sartre und gehen in Kunstausstellungen?

Auf jeden Fall eher, als Fußball zu gucken. Ich bin kein Intellektueller, aber irgendwas zwischen Proll und doch was im Kopf.

Wie würden Sie sich bezeichnen?

Als Künstler, da muss man nichts können.

Wurden Sie Werbetexter, weil man da auch nichts können muss?

Ich hab immer Sachen gemacht. Gedichte zum Beispiel. Pseudophilosophischen Kitsch würde ich das heute nennen. Dann hab ich sieben Jahre mit Quatsch verbracht, im Döner-Laden meiner Eltern gearbeitet und Fremdsprachensekretär gelernt. Ich kann Geschäftsbriefsätze wie: „Ich möchte den Kauf von 1.000 Schrauben stornieren“ übersetzen.

Also können Sie doch was?

Klar. Ich hab nie gesagt, dass ich nichts kann.

Doch!

Stimmt. Also: Ich bin staatlich anerkannter Fremdsprachen-Korrespondent.

Als Nächstes: Eurovision Song Contest?

Ist das jedes Jahr? Dann vielleicht.

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