Kaum noch „altes Eis“ am Nordpol: Die Arktis hat ein Demografieproblem
Laut einer Studie sind nur noch zwei Prozent des Arktiseises älter als vier Jahre. Forscher sehen darin eine Gefahr für Klima und Ökosysteme.
Der Weg des neugebildeten Eises beginnt jedes Jahr in den Flachwasserregionen vor Sibirien, sagt Torsten Kanzow, der am AWI lehrt. Es folgt den Meeresströmungen und staut sich vor Nordgrönland. Hier ist Kanzow zufolge das dichteste und älteste Eis zu finden, das im Schnitt die doppelte Dicke von jungem Eis erreicht. Die Verjüngung des Bestandes hat demnach zur Folge, dass das Eis instabiler wird. Es bricht schneller und wandert aus den kalten Regionen in wärmere Gefilde ab, sagt der Forscher. Deshalb schmelze das Eis noch schneller als bisher.
Vor diesem Hintergrund stelle das Verschwinden des alten Eises das polare Ökosystem vor große Probleme, sagt Polarmeerforscherin Anya Waites. „Die Ausweitung der offenen Wasserflächen ist ein Risiko für Eisbären und Narwale“.
Bedrohung für das „unsichtbare“ Ökosystem
Mit dem Eis gingen Jagdgründe und Zufluchtsorte verloren. Doch die Gefahren für die Säuger seien lediglich “Symptome“ einer viel größeren Bedrohung der „unsichtbaren“ Teile des polaren Ökosystems. In altem Eis lebten Algen, die Sonnenenergie für das System speichern und die Nahrungsgrundlage für Plankton und Fische bilden.
Um die Folgen der Verjüngung des Arktiseises besser zu verstehen ist laut Waites aber noch mehr Forschung notwendig. „Wir verstehen zu wenig vom Wandel in der Arktis und gleichzeitig vollzieht er sich so schnell. Als Wissenschaftler rennen wir da immer hinterher.“ Die Forscher der Universität Colorado stellen übrigens keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Verjüngung des Eises her. Allerdings weisen sie in der Studie auf ungewöhnlich hohe Temperaturen an den Messorten hin.
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