Katzenvideo im Internet: Je suis Lilli!
In Hessen sitzt eine Katze im Baum und weigert sich abzusteigen. Das Video belustigt viele – dabei geht es uns doch nicht anders als dem Tier.
![Eine graue Katze sitzt im Geäst eines Baumes Eine graue Katze sitzt im Geäst eines Baumes](https://taz.de/picture/4798980/14/katze-lilli-baum-1.jpeg)
H artnäckig hat mich der Algorithmus drei Tage hintereinander auf diesen Cat Content aufmerksam gemacht – bis ich geklickt habe. Und da saß sie: Lilli, die Katze. Zwanzig Meter über dem Erdboden bei Schnee und Wind auf einem labbrigen Ast im Baumwipfel. Und Lilli wollte partout nicht runter. Wie und warum ist sie da raufgeklettert? Es beschäftigt mein Gehirn seit Tagen. Ich habe – vielleicht mangels anderer Inputs in diesen Zeiten – sogar davon geträumt. Jetzt widme ich dieser Geschichte eine ganze Kolumne. Denn es ist mehr als eine Katze auf einem Baum. Wir alle machen gerade Lillis Schicksal durch.
Großkrotzenburg liegt in Hessen direkt am Main an der Grenze zu Bayern. Lilli schaute also links auf den Kern Westdeutschlands, rechts auf den Freistaat. Ich würde da auch lieber auf dem Baumwipfel sitzen bleiben to be honest. Die Katze war schon Tage zuvor als vermisst gemeldet worden. Einige aufmerksame Spaziergänger*innen haben Lilli entdeckt und bewiesen: Es kann doch einen Sinn haben, spazieren zu gehen.
Feuerwehr und Polizei rückten an, doch die vierjährige Lilli weigerte sich, vom Baum runterzukommen. Verständlich! Ich würde mich und meine Daten der Hessischen Polizei auch ned überlassen wollen. Ein verzweifelter Feuerwehrmensch kommt im Beitrag des Hessischen Rundfunks vor: „Wir haben versucht, die Katze zu locken. Wir haben versucht, die Katze mal anzusprechen auch. Sie hatte aber einfach keine Lust herunterzukommen.“ Lilli ist eine staatsskeptische Katze und damit klüger als so manche*r deutsche Kabarettist*in.
Und dann noch all die logistischen Probleme: Für die schweren Geräte der Feuerwehr war der Boden zu weich. Ein Kran auf einem Boot half auch nicht. Es war zu stürmisch. Deutscher Suezkanal, wenn man so will. Ein Sprungtuch fand Lilli nicht so einladend. Dabei haben Kinder alle Äste in der Umgebung aufgesammelt, damit die Katze weich landen würde, falls sie daneben springen sollte. Ein Tierarzt gab den Rat, man solle Lilli „erst mal zur Ruhe kommen lassen“. Es stimmt: Einige Ärzte sollten sich aus der Politik raushalten.
Zwischendurch versammelte sich halb Großkrotzenburg zu einer Art hessischen Polis und diskutierte, wie die Katze heil wieder auf den Boden geholt werden könnte. Nach 27 Stunden rückte ein Baumschneideprofi an. Keine Sorge: Der Baum wurde nicht samt Katze gefällt, wir sind ja hier nicht auf dem AfD-Parteitag. Der Baumschneideprofi hatte eine leichte Hebebühne im Sortiment, die der weiche Boden tragen konnte. Lilli wurde gerettet. Man sieht sie danach im Käfig erschöpft gähnen.
Ihre Besitzerin sagt in die Kamera, sie sei erleichtert. Endlich habe sie ihre Lilli zurück: „Ich bin so froh, dass ich im Moment zu Hause bin im Homeoffice. Ich kann sie pausenlos beobachten.“
Das erklärt einiges. We all can relate. Je suis Lilli.
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