Katholisches Arbeitsrecht: Heirat kann den Job kosten
Ein katholisches Krankenhaus kündigt einem Arzt, weil er zum zweiten Mal geheiratet hat. Das Bundesarbeitsgericht entschied: Das ist rechtswidrig - in diesem speziellen Fall.
FREIBURG taz | Das katholische Arbeitsrecht darf weiter ins Privatleben seiner Beschäftigten eingreifen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil. Geklagt hatte ein Arzt, der geschieden war, neu heiratete und darum den Job verlor. Nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls konnte er die Kündigung abwenden.
Der 49-Jährige arbeitet als Chefarzt am katholischen Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf. Seine erste Ehefrau trennte sich 2005 von ihm, 2008 wurde die Ehe geschieden. Doch der Mediziner blieb nicht lange allein. Ab 2006 lebte er eheähnlich mit einer Assistenzärztin zusammen, mit der er zwei Jahre später eine neue Ehe einging.
Nach katholischer Lehre ist die Ehe aber unauflöslich, die Scheidung durch ein staatliches Gericht wird nicht akzeptiert. Eine neue Ehe gilt deshalb als "ungültig". Als die Kirche von der neuen Ehe des Chefarztes erfuhr, kündigte sie dem Beschäftigten sofort. Sie berief sich auf den Arbeitsvertrag, in dem sich der Arzt zur Einhaltung der "Grundordnung" für kirchliche Arbeitsverhältnisse verpflichtet hatte.
In dieser Grundordnung heißt es, die Mitarbeiter dürfen "in ihrer persönlichen Lebensführung" die Glaubwürdigkeit der Kirche nicht gefährden. Als schwerwiegender Loyalitätsverstoß gilt unter anderem der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis der Kirche ungültigen Ehe.
Chefarzt konnte Kündigung trotzdem abwehren
Da das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen vom Grundgesetz geschützt ist, müssen die Arbeitsgerichte in Deutschland auf die jeweilige Sichtweise der Kirche Rücksicht nehmen. Auch das Bundesarbeitsgericht bestätigte jetzt, dass die Kirchen selbst bestimmen können, welches Verhalten der Beschäftigten ihre Glaubwürdigkeit beeinträchtigt. Es sei daher nicht zu beanstanden, wenn die katholische Kirche die Wiederheirat nach einer Scheidung bei ihren Beschäftigten als Kündigungsgrund ansieht.
Daran habe sich auch durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem letzten Jahr nichts geändert. Dort hieß es, dass bei Konflikten mit kirchlich Beschäftigten deren "Recht auf Privatleben" mehr Gewicht bekommen soll.
Der Chefarzt konnte die Kündigung aber abwehren, weil die Kirche bei zwei anderen wiederverheirateten Chefärzten nicht gekündigt hatte. Die Kirche habe so gezeigt, dass die Beschäftigung in derartigen Fällen durchaus zumutbar sei, so das Bundesarbeitsgericht. Die Fälle seien vergleichbar, obwohl die anderen Ärzte nicht katholisch sind, sie hätten sich in ihren Arbeitsverträgen aber ebenfalls zur Einhaltung der Grundordnung verpflichtet.
Zugunsten des Arztes werteten die Richter auch, dass die Kirche die eheähnliche Beziehung zu der neuen Partnerin längere Zeit toleriert hatte. (Az.: 2 AZR 543/10)
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