Katholische Kirche und Pogromvergleich: Bischof in der Kritik
Gerhard Ludwig Müller, der Chef der katholischen Glaubenskongregation, sieht sich verfolgt. Politikerinnen halten das für „geschichtsvergessen“ und „geschmacklos“.
BERLIN afp | Mit Äußerungen zu einer „Pogromstimmung“ in der westlichen Welt gegen die katholische Kirche ist Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, Gerhard Ludwig Müller, auf scharfen Widerspruch der Politik gestoßen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnete in der Welt am Sonntag die Äußerungen des Erzbischofs als „geschmacklos“.
Müller hatte in einem Interview mit der Welt über „gezielte Diskreditierungskampagnen gegen die katholische Kirche in Nordamerika und auch bei uns in Europa“ geklagt. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer „künstlich erzeugten Wut, die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung erinnert“. Diese Stimmung bewirke, „dass Geistliche in manchen Bereichen schon jetzt ganz öffentlich angepöbelt werden“.
Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte Müller dafür scharf: „Vergleiche mit dem Holocaust sind geschmacklos, wenn es um unterschiedliche Auffassungen in unserer Gesellschaft zu aktuellen Fragen wie auch der Rolle der Ehe, Familie und eingetragenen Lebenspartnerschaften geht.“
Grünen-Chefin Claudia Roth bezeichnete Müllers Äußerungen als „absolut inakzeptabel und gefährlich geschichtsvergessen“. Sie warf Müller außerdem vor, Reformforderungen im deutschen Katholizismus abzublocken. „Der Chefideologe des Vatikan klingt, als wolle er die katholische Kirche am liebsten wieder in das Mittelalter zurückbeamen“, sagte Roth der Welt.
Leser*innenkommentare
Pfiat aich
Gast
„gezielte Diskreditierungskampagnen gegen die kath Kirche ...."
das ich nicht lache haha
die kath Kirche hat da jahrhundertelange Erfahrung mit Diskreditierungskampagnen gegen alle die sich nicht ihrer Geisteshaltung beugten und auch heute noch kampagnisiert sie gegen Schwule gegen Abtreibung
und und und...Hirtenbriefe vor Politischen Wahlen sind auch nichts anderes als eine Kampagne gegen die Mitbewerber "christlicher" Parteien.Wieso sollten Gegner und Kritiker nicht das selbe Recht haben ???
Dummheit verlass mich.
Neronimus
Gast
Aus dem Artikel vermag ich nicht herzuleiten, dass die katholische Kirche einen Vergleich zum Holocaust hergestellt hat. Alleine das Wort "Pogromstimmung" lässt diesen Schluss keinesfalls zu. Oder will Frau Leutheusser – Schnarrenberger der katholischen Kirche, ihren Mitbürgern oder mir vorschreiben, in welcher Art und Weise sie sich auszudrücken haben um einen Sachverhalt zu schildern.
Wolfgang Banse
Gast
Bischof Müller schießt über das Ziel hinaus,was seine Äußerungen anbetrifft.Geschichtsbewußtsein wäre angebracht,auch im Bezug auf die Religionsgemeinschadft Judentum.Kirche ist angreifbar und dies ist gut,wenn unbedachte Äußerungen wie hier Bischof Mller,Vosrsitzender der Glaubenskongregation Anstoß geben..
Ute
Gast
Irgendwie sieht es doch so aus
Claudia Roth und Frau Schnarrenberger versuchen eine Pogromstimmung gegen Vertreter der katholischen Kirche zu entfalten.
(so ein bißchen jedenfalls)
zumindest einen Shitstorm und den Versuch fortzusetzen, sich als Meinungspapst(in) aufzuschwingen.
Und mehr hat Frau Roth seit langem nicht zu bieten.
Felix
Gast
Mit Gerhard Müller, als Chef der Glaubenskongregation, hat Papst Benedikt kein gutes Händchen einer Personalpolitik bewiesen. Das mag vor allem daran liegen, dass Müller wie Ratzinger ewig Gestrige sind. Ich erinnere mich noch genau, wie Müller die zahlreichen Laienhelfer in der katholischen Kirche, und das sind vor allem Frauen, runtergemacht hat. Dabei leisten gerade diese Menschen das was Kirche auszumachen hat, während Leute wie Müller und Co. unverständliche Haarspalterei betreiben. Wir bräuchten eigentlich wieder einen neuen Jesus. Denn Jesus sah sich zu seiner Zeit als Vorkämpfer der Befreiung. Nämlich der Befreiung der Menschen vor der damaligen Priesterschaft. Die Christen müssten heute von der Amtskirche befreit werden.
atalaya
Gast
Mal abgesehen von den haltlosen Vorwürfen des Bischofs: Frau Lauthäuser-Schnarrenberger ist offenbar pensionsreif. Erst steht sie dem Sexisten Brüderle bei, jetzt wirft sie dem Bischof einen Holocaust-Vergleich vor. Mit welchem sprachlichen Recht?
Das Wort Pogrom ist nicht für Ereignisse der Nazi-Zeit reserviert. Um das zu erkennen, hätte ein Blick in den Duden genügt. Wer es ausschließlich auf die sogenannte Reichskristallnacht bezieht, bezeugt nicht nur seine eigene Geschichtsvergessenheit, sondern auch Unbedarftheit, oder - was schlimmer - offenbart seine intellektuelle Unredlichkeit.
Pog|rom * der (auch: das); -s, -e: Hetze, Ausschreitungen gegen nationale, religiöse, rassische Gruppen
© Dudenverlag
Yadgar
Gast
Das heftigste Katholiken-Bashing wird übrigens nicht von der mehr oder weniger säkularen Mainstream-Öffentlichkeit betrieben, sondern von den Abertausenden evangelikalen bis protestantisch-fundamentalistischen Frei-, Klein- und Kleinstkirchen (um nicht von "Sekten" zu reden) - da ist im Zusammenhang mit dem Katholizismus regelmäßig vom "Antichristen" oder der "okkulten Hure Babylon" die Rede, und selbstredend fahren alle Katholiken (wie überhaupt alle, die nicht der jeweiligen Mini-Fundiklitsche angehören) dereinst in Satans ewiges Auschwitz ein... das Internet ist voll von diesem Zeug, auch in Deutsch!
Ich bin übrigens nicht katholisch, aber das nur am Rande...
Marco Hoffmann
Gast
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Grünen-Chefin Claudia Roth bezeichnete Müllers Äußerungen als „absolut inakzeptabel und gefährlich geschichtsvergessen “ .
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Einer von uns lebt in einem Paralleluniversum. Bin ich der Einzige, der folgendes erinnert?
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Wien/Graz - Einen drastischen Vergleich hat Ariel Muzicant, Ehrenpräsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), angesichts der laufenden Debatte über ein Beschneidungsverbot gezogen. In der " Kleinen Zeitung" stellte er ein Verbot mit der Vernichtung der Juden gleich. Ein solches "wäre dem Versuch einer neuerlichen Schoah, einer Vernichtung des jüdischen Volkes, gleichzusetzen -nur diesmal mit geistigen Mitteln" , wurde er zitiert .
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http://derstandard.at/1342947763636/Muzicant-vergleicht-Verbot-mit-Vernichtung-der-Juden
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Das Kölner Beschneidungsurteil ist nach Darstellung der Konferenz Europäischer Rabbiner der schwerste Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland seit dem Holocaust.
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http://www.sueddeutsche.de/politik/rabbiner-zu-beschneidungsurteil-schwerster-angriff-auf-juedisches-leben-seit-dem-holocaust-1.1410909
Falls auch andere sich an die jüdischen holocaust-vergleiche erinnern, sehe ich noch zwei Möglichkeiten:
a) Claudia Roth hat auch die Europäische Rabbinerkonferenz als gefährliche Geschichtsvergessene tituliert und ich hab's nur nich mitgekricht,
b) Die Grünen haben kollektivalzheimer,
c) hab ich vergessen.
Mein Name
Gast
Herrjeh, diese kleinkarierten Vorwürfe. Wer in Deutschland etwas sagt, was gegen den Zeitgeist geht, der wird persönlich desavouiert. War das schon immer so? Woher kommt diese Neigung zu hysterischen Reaktionen, diese Fehlen wirklicher Debattierfreude?
oranier
Gast
Ohne den Vergleich Müllers verteidigen zu wollen: Als "geschichtsvergessen" oder -unkundig erweist sich hier aber auch Leutheuser-Schnarrenberger. Der Holocaust ist mitnichten dasselbe wie ein Pogrom, und ein solches behauptet Müller auch gar nicht, allenfalls eine Pogrom-"Stimmung". Die gegenüber Geistlichen zu konstatieren ist gewiss stark dramatisierend, doch eine ebenso dramatisierende Reaktion dient nicht der Rationalisierung des Vorgangs.
A. Franke
Gast
Ohmey, ich halte diese Äußerung des Herrn Bischof natürlich für maßlos überzogen, um nicht zu sagen lächerlich und meine dazu auch, dass die Kirche, vor allem die katholische Kirche wirklich selbst schuld ist, an der Anti-Stimmung, die sie zunehmend spürt.
Aber die Reaktionen von Frau Leuth--Schnarrenb. und Cl.Roth sind nun auch wiederum blöd.
Pogrome gab es auch vor der Shoah und gibt es nach wie vor! Immer mehr Begriffe, die schwere Menschenrechtsverletzungen betreffen ausschließlich im Bereich des industriellen Massenmords an Juden und 'Zigeunern' (ja, auch die waren Opfer!) zu akzeptieren, halte ich nicht nur für überzogen, sondern für unangemessen, denn auch Opfer anderer Ethnien, anderer Zeiten und anderer Umstände haben das Recht auf eine klare Bezeichnung dessen, was ihnen zugefügt wurde und wird.
Beo
Gast
Die katholische Kirche sitzt in einer Falle, die sie sich selbst gestellt hat. Jede Organisation, sei sie nun politscher oder religiöser Natur, die nicht willens und in der Lage ist, sich immer wieder neu den aktuellen Fragen des Lebens zu stellen und zu reformieren, ist dazu verurteilt, über kurz oder lang ihre "Schäfchen" zu verlieren und der Bedeutungslosigkeit anheim zu fallen.
Diese patriarchalisch geprägte, streng hierarchisch und undemokratisch organisierte Institution Kirche gleicht einem alten Gemäuer, das nur deshalb noch nicht zusammengefallen ist, weil sich die Mauersteine untereinander verklemmt haben. Wird auch nur ein Stein gelockert, ein Dogma in Frage gestellt, gerät alles aus den Fugen. Dessen ist sich natürlich die Kirchenführung bewusst, sie erlebt das als potenziellen Machtverlust und dagegen wehrt sie sich verhement. Und anstatt nun den Blick nach innen zu richten wird vermeintliche äußere Unbill für innere Krisen verantwortlich gemacht. In diesem Kontext erklärt sich auch der lächerliche Vorwurf von Bischof Müller, dass die katholische Kirche verfolgt werde. Dieser beschöfliche Affront ist auch angesichts jahrzehntelanger Kindesmisshandlungen, sexueller Übergriffe en masse, Vertuschungen und Strafvereitelungen durch Würdenträger geradezu abitioniert.
Die Endphase des realen Sozialismus hat deutlich gezeigt wohin es führt, wenn eine verknöcherte Führung die Fragen des Lebens nicht mehr beantwortet. Ein Menetekel für das, was der katholischen Kirche noch bevorsteht?
I.Q
Gast
Wortklaubereien.
Davon gibt es schon genug, weniger Auseinandersetzung über Fragen und Inhalten.
Synoptiker
Gast
Gerhard Ludwig Müller ist ein Hartliner, wie es vorher auf diesem Posten auch Ratzinger war. Warum kann die kath. Kirche von dieser innerkirchlichen Position heraus in die allgemeine Öffentlichkeit hinein posten, dazu noch in dieser Geschichtsvergessenheit? Von dieser innerkirchlichen Hackordnung haben wir die Nase voll.
Nach dem was wir heute über die kath. Kirche wissen, ihre systemische lebensverneinde Andersartigkeit, ist unsere Empörung eigentlich zu wenig. Wir müssen unsere Politiker mit E-Mails befeuern, dass in der Trägerschaft öffentlicher Einrichtungen der Einfluss der kath. Kirche aber auch der evang. Kirche zurückgedrängt werden muss. Das deutsche Recht, darf nicht durch Kirchenrecht entwertet werden ! Der Progromvergleich ist den wahren Opfern gegenüber
beleidigend und soll die weltliche Gesellschaft moralisch wg. der Nazi-Verbrechen treffen! Hier sitzt der Vatikan und die kath. Kirche Deutschlands Allerdings selber im Glashaus, denn Pius XII spielte immerhin eine sehr umstrittene Rolle gegenüber Nazi-Deutschland! Alles sehr sehr deprimierend !
Elvenpath
Gast
Dass Hardcore-Religioten in ihrer eigenen Wirklichkeit leben, ist ja nichts neues. Einfach nicht ernst nehmen...
Migrantino
Gast
Die gute Frau Roth,sowie Frau L.-S. haben nochmals bewiesen, dass sie weder Geschichte, noch noch die Semantik des Wortes nicht kennen; das Wort "Pogrom" hat viel längere Geschichte und Ursprung. Es stammt aus der russischer Sprache und bedeutet Attacke des Mobs gegen Juden oder anderen Minoritäten. Mit dem Holocaust hat es nichts zu tun. In Gegensatz zu dem Holocaust, Pogrome wurden spontan, nicht organisiert, und nicht institutionalisiert. Es ist schade, dass die beide Frauen offensichtlich in die falsche Schule gingen...
Ernst Lehmann
Gast
Einfach mal unter wikipedia schauen, pogrom hat nicht automatisch was mit holocaust nix zu tun:
"Ein Pogrom (m., auch n.) ist die gewaltsame Ausschreitung gegen Menschen, die entweder einer abgrenzbaren gesellschaftlichen Gruppe angehören oder aber von den Tätern einer realen bzw. vermeintlichen gesellschaftlichen Gruppe zugeordnet werden. Häufig sind es politische Gruppen (z. B. Menschen einer Partei) oder religiöse Gruppen (z. B: religiöse Minderheiten). Früher verwendete man den Begriff nur, um Ausschreitungen gegenüber Juden zu benennen; der Sprachgebrauch hat sich ausgedehnt."
Ezra MacMillan
Gast
öffentlich angepöbelt werdend? Da ist die katholische Kirche aus ganz gut drin. (siehe Frauen, Lesben und Schwule etc.)
Benedetto
Gast
Geschichtsvergessen?
Der Chef der Inquisition findet einfach nur die eingeschliffene Sprache von Torschlusspanik. Seine Firma ist nicht mehr allmächtig und seine Schafe stimmen ganz irdisch mit ihren Füßen ab, u.a. durch Kündigung ihrer Mitgliedschaft.Ich empfehle dem Glaubenshüter ein Coaching bei Roland Berger oder Bill Gates zur Vermeidung des heraufbeschworenen Progroms.
Jörn
Gast
"Progromstimmung" ist sicher absolut daneben. Müller hat zwar recht, wenn er sagt, dass eine negative Stimmung gegenüber der katholischen Kirche herscht und einzelne Priester - die sich wahrscheinlich selbst vorbildlich und mitmenschlich verhalten - die Versäumnisse der Kirchenoberen ausbaden müssen. Dies trifft aber nur bedingt die "Falschen". Schliesslich ist der Priester Repräsentant der Kirche. Wenn er das Verhalten der Kirche für Untragbar hielte, sollte er sein Amt niederlegen.
"Progrome" dagegen trafen alle - Gläubige und Angehörige. Wenn einfache Katholiken angepöbelt würden und selbst Kinder von Katholiken mit Verfolgung rechnen müssten, hätte Müller vielleicht von "Progromen" sprechen können. Da die katholische Kirche sich im Dritten Reicht nicht gegen die Progrome gestellt hat, ist es besonders peinlich, wenn Müller sich jetzt als Progromopfer sieht.
Müller versucht zu agieren wie die Islamisten. Nicht die Kirche müsse sich der Gesellschaft anpassen, sondern umgekehrt. Gut dass da unsere Gesellschaft (noch) widersteht.