Katar und seine Opfer (13): Der Mut der Paola Schietekat
Die Mexikanerin will eine Vergewaltigung in Katar anzeigen und wird wegen außerehelichen Sexes angeklagt. Die Anklage fordert 100 Peitschenhiebe und eine Haftstrafe.
Dass sie den Mut hatte, einen Übergriff anzuzeigen, wäre Paola Schietekat beinahe zum Verhängnis geworden. Die Mexikanerin arbeitete in Katar für eine Organisation, die etwa Infrastruktur für die WM bereitstellte. Die Ökonomin Schietekat lebte im Nahen Osten, seit sie 19 Jahre alt war, und lange war die Arbeit ihr Traumjob.
Bis zu jenem Tag, an dem sie sich entschied, einen Vorfall zu melden. Ein Kollege, der ebenfalls aus Lateinamerika stammte, sei in ihre Wohnung eingedrungen und habe sie verprügelt, so ihre Schilderung, teils war von einer Vergewaltigung die Rede.
Doch als Schietekat damit zu den Behörden geht, wird das Verfahren zu einer Ermittlung gegen sie. Der Kollege behauptet, er habe eine Beziehung mit Schietekat gehabt. Trotz eines ärztlichen Attests über die Verletzungen, das Schietekat vorlegt, glaubt man dem Mann – und leitet gegen Paola Schietekat ein Verfahren wegen außerehelichen Sexes ein, in Katar strafbar.
Mithilfe von Human Rights Watch und ihres Arbeitgebers gelingt es Schietekat, Katar zu verlassen, während sie auf das Urteil wartet. Während der Befragungen habe sie lange Zeit nicht mal einen Übersetzer bekommen. „Erst mit dem Prozess habe ich verstanden, dass ich trotz meiner Diplome, meiner professionellen Vorbereitung, meiner finanziellen Unabhängigkeit und obwohl ich für die katarische Regierung arbeitete, von Menschenrechtsverletzungen durch archaische und übergriffige Institutionen betroffen sein kann“, schreibt Schietekat später bei Social Media.
Sie macht aber auch dem mexikanischen Konsulat Vorwürfe. Als sie sich zunächst dorthin wandte, habe niemand sie gewarnt, welche Konsequenzen ihre Meldung haben könnte, und lange habe Desinteresse geherrscht. Als der Fall außer Kontrolle geriet, habe man ihr dort sogar geraten, den Angreifer zu heiraten.
Es kommt zum Äußersten: Die Anklage fordert 7 Jahre Gefängnis und 100 Peitschenhiebe für die Muslima Paola Schietekat. Doch mittlerweile ist die Weltöffentlichkeit alarmiert, ebenso höchste mexikanische Kreise. Paola Schietekat hat wohl Glück, dass sich ihr Fall in direktem Bezug zur WM ereignet. Das Gericht lässt das Verfahren im April 2022 fallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour