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Kastenwesen in IndienTote bei Protesten für Privilegien

Mit einer Blockade der Hauptstadt Delhi machen Angehörige der Jat-Kaste Druck, um in den Genuss von Kastenprivilegien zu kommen.

Wegen der Blockade bringen Tanklaster Wasser nach Delhi. Foto: reuters

Ambala/Amritsar taz | Am Morgen soll der Verkehr auf der Grand Trunk Road, einer der wichtigsten Straßen in die indische Hauptstadt Delhi, wieder rollen. Doch bald ist alles wieder wie an den drei Tagen zuvor: Blockiert. Tausende Busse und Lkws stauen sich an der Grenze der Bundesstaaten Punjab und Haryana. Nur die Verkäufer, die Zuckerrohrsaft an Wartende verkaufen, freuen sich. Nach Stunden gibt der Busfahrer auf. „Das wird heute nichts mehr“, sagt er. Die Passagiere steigen ein und fahren zurück. Keiner beschwert sich – alle haben die Bilder ausgebrannter Busse gesehen, die in den letzten Tagen in das Gebiet gefahren waren.

Tausende Angehörige der Jat-Kaste blockieren seit Freitag in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Uttar Pradesh Straßen, plündern, legen Brände und greifen öffentliche Einrichtungen an. Sie wollen damit besseren Zugang zu Arbeit im öffentlichen Dienst und zu Bildung erzwingen. Der Verkehr um die Hauptstadt Delhi kam bis in andere Bundesstaaten zum erliegen. Mindestens 16 Menschen wurden getötet, etwa 200 verletzt.

Rund 8 Millionen Menschen gehören der überwiegend hinduistischen Jat-Kaste an. 6 Millionen davon leben in Indien, der Rest in Pakistan. Ihr Siedlungsgebiet umschließt auf drei Seiten den Großraum der Hauptstadt. Nach Ausbruch der Unruhen saßen Hunderttausende Menschen fest, fast 800 Züge wurden gestrichen. Airlines setzten Sonderflüge an, Tickets aus Indiens Nordwesten nach Delhi kosteten umgerechnet teils über 1.000 Euro.

Die Regierung verhängte eine Ausgangssperre, die Armee brachte Tausende Soldaten mit Hubschraubern in das Gebiet. Weil die Jats auch den Munak-Kanal unter ihre Kontrolle brachten, der Delhi mit Wasser versorgt, bekam die Stadt nur ein Drittel der üblichen Wassermenge. Unter anderem deshalb blieben am Montag die Schulen der Hauptstadt geschlossen. Bei Kämpfen um den Kanal wurde am Sonntag ein Polizist getötet.

Am Sonntagnachmittag traf Innenminister Rajnath Singh von der hindunationalistischen Partei BJP Vertreter der Jats. Bilder von deren Ankunft wurden auf Twitter mit Forderungen wie „sperrt sie ein“ kommentiert. Später gab die regierende BJP die Einrichtung einer Kommission bekannt, welche die Forderungen der Jats umsetzen soll. Jat-Führer Jaipsal Singh Sangwan nannte dies „sehr positiv“. Er erwarte, dass die Jats die Einigung akzeptieren werden. Am Montag blockierten Aufständische zunächst weiter Straßen.

Die Jats wollen von der Regierung auf die Liste der „Special Backward Classes“ (OBC) gesetzt werden. „Sozial benachteiligte“ Kasten und soziale Gruppen werden bei der Vergabe von Stellen im öffentlichen Dienst und bei Studienplätzen bevorzugt. 40 Prozent der Bevölkerung Indiens gehören solchen OBC-Kasten an. Für sie sind 27 Prozent der öffentlichen Posten reserviert.

Die Regelung gilt seit 1980, doch laut einer Untersuchung der Universität Chennai vom Dezember 2015 sind heute nicht einmal 12 Prozent aller Posten in den Behörden und Ministerien der Zentralregierung von OBCs besetzt. Eigentlich wollte die Regierung die Jats auf die OBC-Liste setzen. Doch im März 2015 hatte das Verfassungsgericht dies verboten. Die Jats seien nicht ausreichend benachteiligt, so die Richter. Vielmehr sollten andere Gruppen, etwa Transgender, den OBC-Status erhalten.

Sie erpressen die Regierung, dabei sind sie nicht arm

Reisebürobetreiber Bobby Singh

Traditionell sind die Jats Bauern, doch konnten in den letzten Jahrzehnten viele sozial aufsteigen. Die Praxis, bestimmte Kasten pauschal zu bevorzugen, ist in Indien umstritten. Zum einen, weil auch höherkastige Inder arm sein können. Zum anderen, weil sich manche Gruppen auf diese Weise Vorteile verschaffen können, die sie nicht unbedingt brauchen. Die meisten Jats etwa stehen in der Kastenhierarchie auf der zweiten der vier Varna-Stufen.

Andere Minderheiten wie etwa die Sikhs sehen die Proteste der Jats deshalb kritisch. In den sozialen Netzwerken kursieren Statistiken, wonach die Jats zu Unrecht über Benachteiligung klagen. „Sie erpressen die Regierung, dabei sind sie nicht einmal arm“, schimpft der Sikh und Reisebürobetreiber Bobby Singh im nordindischen Amritsar.

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1 Kommentar

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  • Das indische Verfassungsgericht sollte mal das Kastensystem verbieten.