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Kasper Königs Kunstsammlung versteigertDenken in Sprüngen

C.D. Friedrich oder Hanne Darboven: Die Sammlung von Kurator Kasper König war ein charmantes Potpourri. Wie sie in Köln unter den Hammer kam.

Hatte Kasper König noch zum Covergirl der Versteigerung erklärt: Sigmar Polkes „Meisterwerk als Ramsch versteigert“ Foto: Daniel Poller

In der Buslinie 133 vom Kölner Hauptbahnhof nach Zollstock sitzen andere Fahrgäste als sonst. Die untypischen Menschen steigen an der Haltestelle Brühler Straße geschlossen aus und eilen zum schneeweiß leuchtenden Auktionshaus Van Ham, das wie ein Ufo in der Gegend mit dem Charme eines Gewerbegebiets thront. Tatsächlich also fährt man mit dem öffentlichen Nahverkehr zur noblen Abendveranstaltung in einem der führenden Kunstauktionshäuser der Republik, bei der noch 3,5 Millionen Euro umgesetzt werden sollen.

Es ist allerdings auch keine normale Auktion, sondern die Versteigerung eines Teils der Sammlung von Kasper König. Der große Ausstellungsmacher, der im August 80-jährig verstorben ist, leitete in Köln von 2000 bis 2012 das Museum Ludwig und hat tiefe Spuren in der Stadt hinterlassen, sein Bruder Walther hat von Köln aus ein Imperium der Kunst- und Museumsbuchhandlungen aufgebaut.

Walther und seine Frau sind auch anwesend, Kaspers Galeristen-Söhne Johann und Leo ebenfalls, sowie Kenner, Kritiker, Kunstberater und Künstler, auch aus der weiteren Nachbarschaft, wie der Düsseldorfer Lichtkünstler Mischa Kuball, und viele Fans. Der Auktionssaal füllt sich, einige im Saal werden später beharrlich bieten, der Rest beobachtet, staunt und fiebert mit.

Van-Ham-Chef Markus Eisenbeis, der die Auktion leitet, ist begeistert: „Das öffentliche Interesse ist beeindruckend, schon bei den Vorbesichtigungen. Die Tendenz geht dahin, dass die Auktionssäle leerer werden, weil online oder am Telefon geboten wird. Hier herrscht jetzt eine schöne Stimmung, es kommen Menschen, die bisher noch nicht den Weg zu uns gefunden haben.“

Empört über die Feilscherei kaufte Kasper König dem Sammler das den Kunstmarkt kritisierende Bild von Sigmar Polke kurzerhand vor der Nase weg

„Ich bin vollkommen unsentimental“

Kasper König hatte noch zu Lebzeiten einen Teil seiner Sammlung dem Kölner Museum Ludwig geschenkt. Den größeren Teil aber gab er dem Kölner Auktionshaus zum Verkauf, konzipierte die aufwändig installierte Ausstellung und den Katalog, der wissenschaftlich so akribisch gemacht und anekdotisch angereichert ist, dass er wohl neue Maßstäbe setzen wird. „Es war eigentlich vor allem ein Ausstellungsprojekt, das er nun nicht mehr vollenden konnte“, berichtet Eisenbeis.

In einem Video, das im Juni noch in Königs Berliner Wohnung aufgezeichnet wurde, wandert der Kurator durch seine in dichter Petersburger Hängung präsentierte Sammlung, bleibt vor einzelnen Werken stehen, betrachtet sie in seiner typischen, kritischen Haltung, als sähe er sie zum ersten Mal. „Ich bin vollkommen unsentimental“, sagt er im Video, „ich freue mich, wenn die Sachen irgendwie …“, und dann macht er mit beiden Händen eine Bewegung wie ein Bauer, der auf dem Acker aussät. Die Kunst soll sich verteilen in der Welt.

Ein Sammler im klassischen Sinne ist König nie gewesen, er ging weder strategisch noch systematisch vor. Die Kollektion hat etwas von einem Sammelsurium, das entlang seines bewegten Lebens zwischen Westfalen, New York, Kanada und vielen anderen Stationen entstand, sie ist wie eine ephemere Collage, die sich nun wieder in ihre Einzelteile zerlegt. Es ging König nicht ums Besitzen von Kunst, ums Horten, sondern um die inhaltliche Auseinandersetzung, die ständig in Bewegung blieb. „Es ging ihm eher darum, Anerkennung auszudrücken, nicht Werte anzuhäufen“, sagt Sohn Johann in einer Aufzeichnung anlässlich der Vorbesichtigung. „Er hat in eklektischen Zusammenhängen gedacht.“

Kunst in Petersburger Hängung: Kasper König im Juni 2024 in seiner Berliner Wohnung Foto: Daniel Poller

Man könnte auch sagen: Er hat ein inspirierendes Potpourri angehäuft, in dem verblüffende Dialoge entstanden, etwa zwischen einer zart verblassten Waldskizze von Caspar David Friedrich und Hanne Darbovens unerbittlichen Schreibübungen. Oder zwischen Claes Oldenburgs Geistergarderobe für Marilyn Monroe („Ghost Wardrobe for M. M.“) und dem Prototyp der „Auditorium-Diwane“ von Franz West.

Der Sohn will ein wackeliges Möbelstück von Franz West

Die Abendversteigerung mit den Filetstücken der Sammlung folgt nun Königs eigenwilligem Denken in Sprüngen. Im Saal herrscht wohlwollende Spannung, ohne dass der Killer­instinkt von Blue-Chip-Auktionen spürbar wird. Parallel wird an Telefonen und online geboten.

Für den Prototyp der „Auditorium-Diwane“ von Franz West bietet auch Johann König beharrlich mit, steigt bei 60.000 Euro ein, gibt aber irgendwann gegen einen Onlinebieter auf. Der Hammer fällt erst bei 155.000 Euro für das wackelige Möbelstück des österreichischen Künstlers. Auch bei zwei von drei angebotenen Gemälden von William Copley bietet Johann König mit. Wiederum vergeblich bei „Lady Be Good“, das von 60.000 auf 130.000 Euro gehoben wurde. Mit Erfolg dann bei einer Leinwand ohne Titel aus der Pariser Zeit des Künstlers, die er für 85.000 Euro, etwas oberhalb der Taxe ersteigern kann.

Keine 90 Minuten dauert der Evening-Sale, Markus Eisenbeis verkündet einen Auktionsrekord für ein Datumsbild von On Kawara: „May 7, 1967“, auf 500.000 bis 700.000 Euro geschätzt, wird unter Applaus im Saal für 800.000 Euro in eine rheinische Sammlung vermittelt, inklusive Aufgeld knackt das Bild die Millionenmarke.

Quasi als Motto der Auktion hatte Kasper König selbst bestimmt, dass Sigmar Polkes Gemälde „Meisterwerk als Ramsch versteigert“ auf das Cover des Katalogs platziert wurde. Die Geschichte dazu: König blieb 2008 auf der Messe Art Cologne fasziniert vor Polkes Gemälde stehen und hörte zufällig, wie ein Sammler beim Galeristen nach einem Rabatt für die ästhetisch unbequeme Arbeit fragte. Empört über die Feilscherei kaufte König dem Sammler das Bild kurzerhand vor der Nase weg. Eine Schlüsselszene für Königs Kunstverständnis: Polkes gemalte Kritik an der Kunstwelt und zum Ausverkauf gesellschaftlicher Werte war ausgerechnet vor diesem ironischen Bild auf exemplarische Weise zur Realität geworden.

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