Kasachin Karima Haidarbekowa: 15 Jahre Haft für die Wahrheit

Die kasachische Aktivistin Haidarbekowa spricht sich bei Protesten gegen die Gaspreiserhöhungen im Land aus. Nun wird sie vom Staat angeklagt.

Karima Haidarbekova

Die Aktivistin Karima Haidarbekova sitzt in Untersuchungshaft Foto: Dilara Isa/RFE/RL

BERLIN taz | Sie hatte die Proteste, die die zentralasiatische Republik Kasachstan im vergangenen Januar erschütterten, live gestreamt, und genau das könnte Karima Haidarbekowa jetzt zum Verhängnis werden. Die Aktivistin wird beschuldigt, einen Regierungsvertreter beschimpft, öffentliches Eigentum beschädigt und staatliche Gebäude angegriffen zu haben. Auf Beamtenbeleidigung stehen 15 Jahre Haft, auf die beiden anderen Vorwürfe bis zu zwei beziehungsweise sieben Jahre Freiheitsentzug.

Haidarbekowa wurde am 8. Januar festgenommen – wie Tausende andere Ka­sa­ch*in­nen auch. Sie alle macht das Regime mit dafür verantwortlich, dass die Proteste mit offiziell 164 Toten und über 2.000 Verletzten in Gewalt umschlugen.

Doch Haidarbekowa erzählt eine andere Geschichte. Am 4. Januar habe sie in ihrer Heimatstadt Schymkent an einer Kundgebung teilgenommen. Dort hatten sich Tausende De­mons­tran­t*in­nen versammelt, um nach einer angekündigten Gaspreiserhöhung auf ihre missliche soziale und wirtschaftliche Situation aufmerksam zu machen, auch Rufe nach politischen Veränderungen wurden laut.

Friedlicher Appell an die Regierung

Haidarbekowa wandte sich in einer kurzen Rede an die Menge, in der sie an die Regierung appellierte, auf die Forderungen der Menschen einzugehen. Da war noch alles friedlich, doch das blieb es nicht. Dem Sender Radio Free Europe berichtete die 40-Jährige, was sie bei einer weiteren Kundgebung und kurz vor ihrer Festnahme sah: Die Polizei habe auf friedliche, unbewaffnete Protestierende geschossen, dabei seien einige von ihnen verletzt worden. In den Morgenstunden des nächsten Tages habe die Polizei die Menge mit Wasserwerfern auseinandergetrieben.

Haidarbekowa ist alleinerziehende Mutter von sechs Kindern – zwei von ihnen haben Einschränkungen. Deswegen musste sie auch ihren Job aufgeben, um sich vor allem um sie kümmern zu können. Die Familie lebt von umgerechnet nicht einmal 90 Euro im Monat, was kaum für die wichtigsten Grundnahrungsmittel reicht.

Derzeit sitzt Haidarbekowa in Untersuchungshaft, Besuche von Familienmitgliedern und Freun­d*in­nen sind dort untersagt. Ihr einziger Kontakt zur Außenwelt ist ein von staatlicher Seite bestellter Rechtsanwalt. Laut Angaben ihrer Mutter hätten die Behörden damit gedroht, die minderjährigen Kinder in einem Waisenhaus unterzubringen. Sie habe ein Gesuch verfasst, um sich vorübergehend um die Kinder kümmern zu können. Diese fragten nach ihrer Mutter, aber sie wisse nicht, was sie den Kleinsten antworten solle, zitiert Radio Free Europe die Großmutter.

In der vergangenen Woche hat die kasachische Regierung angekündigt, Fälle illegaler Festnahmen während der Proteste sowie Menschenrechtsverletzungen in Haft untersuchen zu lassen. Damit werde auf entsprechende Berichte der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch reagiert, hieß es. Ob auch Karima Haidarbekowa dazu zählt, ist nicht bekannt.

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