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Karlsruher Urteil zur SchmähkritikEin Recht auf Wut

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht betont die Meinungsfreiheit. Es ist seine Aufgabe, die Rechte des Einzelnen zu verteidigen. Wer schimpft, schießt nicht.

Das höchste Gericht schützt auch wütende Menschen Foto: dpa

E s ist fast Konsens: Der politische Diskurs in Deutschland ist verroht. Maßlose Diffamierung politisch Andersdenkender hat die sachliche Diskussion verdrängt. Angriffe auf Politiker bis zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke scheinen da fast schon die logische Folge.

Und was macht das Bundesverfassungsgericht in dieser Lage? Es betont die Meinungsfreiheit, die auch das Recht auf polemische Zuspitzung umfasse. Es verhindert, dass verletzende Äußerungen automatisch als verbotene Schmähkritik eingestuft werden. Und es betont, dass die scharfe Kritik an staatlichen Maßnahmen vom Grundgesetz besonders geschützt ist.

Die Karlsruher Richter schwimmen offensichtlich gegen den Strom, und das ist gut so. Es ist ihre Aufgabe, die Rechte des Einzelnen zu verteidigen, wenn der politische Mainstream zu restriktiv zu werden droht. Die Meinungsfreiheit dient nicht nur dem gesellschaftlichen Diskurs. Sie schützt auch die menschliche Emotionalität. Wer sich aufregt, darf auch übertreiben. Es gibt ein Recht auf Wut, das vor staatlicher Strafe schützt.

Damit fällt das Gericht bedrohten Politikern und Aktivisten nicht in den Rücken. Im Gegenteil. Eine möglichst freie Diskussion kann auch kathartische Wirkung haben. Nicht jede überzogene Tirade befeuert politische Gewalt. In der Regel gilt doch: Wer schimpft, schießt nicht.

Doch was für den Staat gilt, muss nicht automatisch für private Foren gelten. Es ist ein legitimes Anliegen, auch Räume ohne Hass und Beschimpfungen zu schaffen und zu erhalten. Es muss auch Foren geben, in denen die Lauten und Aggressiven nicht die Leisen und Differenzierten verdrängen. Es ist keine Verletzung der Meinungsfreiheit, wenn Private in ihrem Bereich einen sachlichen Diskurs einfordern. Und ja, das gilt auch im Internet.

Erst wenn ein Forum quasi ein Monopol besitzt, muss es – wie der Staat – möglichst freie Diskussionen zulassen. Aber wer hat schon ein Monopol auf den politischen Diskurs? Facebook wohl kaum.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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25 Kommentare

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  • " In der Regel gilt doch: Wer schimpft, schießt nicht." (Ch. Rath)



    Quasi analog: "Bellende Hunde..."?



    Na, also darauf würde ich aber keinen Blumentopf verwetten.



    Merke: Jeder Hund der jemals zugebissen, hat vorher auch gebellt. Verlassen Sie ruhig darauf.

    • @LittleRedRooster:

      Neuerdings geht das ja so: „Der will nicht beißen, der will nur scheißen!“

  • ... eigenartig, dass im Artikel und den Zuschriften zumindest nicht darauf eingegangen wird, was das Wesen einer solchen Charakterisierung ist: zwei unterschiedliche Objekte werden in Bezug auf ein Detail gleichgesetzt - das sogenannte tertium comparationis. Insofern identifiziert man nicht die beiden Objekte, was nun in diesem Fall eine Schmähung wäre, wenn man wie ich der begründbaren Ansicht ist, dass der Volksgerichtshof kein Recht gesprochen hat, und man den Vergleich mit der Figur des pars pro toto - absichtsvoll? - verwechselt.

    • @Gottfried Scherer:

      Sorry - is mir grad a compressión zu 🥵

  • Ich habe das Problem offensichtlich nicht verstanden.



    Wenn jemand ein (privates) öffentliches Forum betreibt, kann er die Hausordnung selbst bestimmen und Meinungen nicht akzeptieren/löschen, die seiner eigenen zuwider laufen. Hat der Betreiber ein weites Verständnis von Meinungsfreiheit, wird er alle Meinungen akzeptieren, die sich innerhalb der bestehenden Gesetze vertreten lassen bzw. so formuliert sind, dass es keinen Konflikt mit Gesetzen gibt.



    Nach meiner Wahrnehmung hat der Ruf nach Einschränkung der Meinungsfreiheit oft etwas mit eingeschränktem Demokratieverständnis zu tun. Die Meinung Andersdenkender gehört eben nicht verboten, solange sie sich im Rahmen der geltenden Gesetze befinden. Demokratie ist kein Kindergeburtstag. Das Leben in Harmonie ist kein Grundrecht.

    Als Pseudolinker, Putinversteher, Gegner der CO2 Steuer, Friedensbewegter, Antimilitarist und Sozialist bin ich froh, dass wir eine grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit haben. Sonst gäbe es nur noch die Diktatur bürgerlicher Selbstzufriedenheit durch die Herrschaft der virtuellen Einheitspartei.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Gut. Dann sind wir schon zwei, die nicht verstanden haben. Mir geht es mit dem letzten Abschnitt Ihres Posts ebenso.

      Zum Einen verstehe ich nicht, dass Sie Fissner & Friends hier die Arbeit abnehmen. Zum Anderen, wo der von Ihnen konstruierte Widerspruch liegen soll.

      Heutzutage gilt doch das Motto "Alles ist möglich." (Und nichts passiert) Die bürgerliche Selbstzufriedenheit der Ganz Großen Koalition darf sogar kritisiert und Widerspruchsformen gegen sie ausgedrückt werden.

      Gelobt seien die Zeiten, in denen noch Verbote galten. Nichts hat mich mehr empört und geformt als die restriktive Zeit der frühen 1960er.

      Heute wäre es super, das scheinbar Erlaubte (aber nicht weiter Beachtete) zu VERBIETEN. Stattdessen tobt die Vereinnahmung, die weiche 'Vergewaltigung'.

      Nicht umsonst ist die Hymne der Selbst- und Fremd-Amputierten "Happy. I'm so happy".

      Solches zu intonieren, setzt schon ein gehöriges Maß an Autonomie- und Selbstverlust voraus. Genau das, was diese Welt am Laufen hält.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @76530 (Profil gelöscht):

        Da ich gerne für die Galerie schreibe: das freut mich.

        Ich stimme Ihnen zu: ja, ich bin - zuweilen - gut. Vor allem: besonders. Wenn der mainstream so wäre wie ich, ich fiele überhaupt nicht auf.

        Aber das würde ich - als Freund des Gemeinwohls - locker wegstecken. ;-)

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Tribute to the heat.

          Dieser Post gilt Rolf B.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Schmunzelnd habe ich Ihren Kommentar zur Kenntnis genommen.

  • Ich finde, in seinem Kommentar misst Herr Rath mit zweierlei Maß. Verletzende Äußerungen sind erlaubt, weil es "ein Recht auf Wut" gibt, "das vor staatlicher Strafe schützt." Weiter heißt es von ihm: "Eine möglichst freie Diskussion kann auch kathartische Wirkung haben. Nicht jede überzogene Tirade befeuert politische Gewalt. " Auf der anderen Seite darf sich diese Wut nicht in privaten Internetforen entladen. Komisch. Warum eigentlich nicht? Und was sollen diese Doppelstandards? Entweder man geht im politischen Diskurs UND in Internetforen nett und höflich und sachlich miteinander um oder man beschimpft sich, weil es so befreiend sein kann.

    • @Jack Rosenthal:

      Das ist ein Missverständnis:



      Es soll nicht generell verboten sein, dass die Wut sich in Internetforen entladen 'darf' - sie hat aber weder einen moralischen noch einen rechtlichen Anspruch darauf, dass der Internetforenbetreiber dies in seinem Wohnzimmer gestattet, zumindest solange das Forum nicht so groß ist, dass es eine relevante Rolle in der Meinungsfindung vieler Bürger spielt.

      Und während - selbstverständlich eigentlich - der Forenbetreiber selbst entscheiden darf, was er in seinem Wohnzimmer, äh, Forum dulden möchte, darf jemand, der "Maßnahmen der öffentlichen Gewalt" durchführt, nicht erwarten, dass man in dieser Funktion nur nett zu ihm ist. Dieser 'Doppelstandard' ist kein solcher, sondern ein Grundprinzip der Verfassung: Nur gleiches darf gleich behandelt werden, ungleiches muss ungleich behandelt werden. Die Machtposition des Staatsdieners ist es, die die ganze Situation 'ungleich' macht.

  • "Wer schimpft, schießt nicht" - das klingt in der gegenwärtigen Zeit doch etwas locker und luftig. Das schreibt man also mal so aus der Hüfte. Einige tun es aber eben doch, und die Haßtapete in Medien und Politik hat damit eine ganze Menge zu tun. Sie wirkt enthemmend.

    Der NSU hat geschossen, islamistische Idioten haben geschossen, ein Haufen Faschos haben Flüchtlinge angegriffen, ein durch Trumpismus Enthemmter hat ein Auto in eine Demo gegen rechts gefahren, sowas passiert heute andauernd. Und der Haßnoisefloor der freien Meinungsäußerung hat damit also relativ wenig zu tun?

    Ich bin froh, daß hier noch Grenzen für die Meinungsäußerung gelten, und daß mittlerweile Haßfontänen im Internet auch von Strafverfolgungsbehörden ausgetrocknet werden.

    Drain the swamp...

    • @kditd:

      Danke! Sehr guter Beitrag

  • Zitat: „Wer schimpft, schießt nicht.“

    Da wäre ich mir nicht so sicher. Es ist mitunter kein sehr weiter Weg von A nach B. Und wo jedes Leben zählt, kann schon ein Schütze zu viel sein. Wie war das noch gleich mit dem Ausbruch des ersten Weltkriegs?

    Die meisten Menschen haben eine relativ niedrige Toleranz- bzw. Frustrationsschwelle. Sie ärgern sich erst still vor sich hin, schimpfen dann eine Weile leise und protestieren dann lautstark und öffentlich in der Hoffnung, Zustimmung zu finden. Wenn auch das nicht dazu führt, dass sich was ändert, radikalisieren sich einige von ihnen. Der Rest stumpft ab. Beides ist ungeheuer gefährlich für die Demokratie.

    Das Bundesverfassungsgericht hat den Regierenden also nur eine Schonfrist verordnet, eine Denk-Pause, wenn man so will. Es hat ihnen Zeit gegeben, die Reißleine zu ziehen. Tun müssten das die Verantwortungsträger schon selber. Ich fürchte nur, ähnlich wie der Bundesverkehrsminister sind die meisten von ihnen dafür zu arrogant.

  • Eine späte Ehrung für Onkel Herbert Wehner.



    Von den 8 Arschlöchern in Karsruhe.



    &



    Das ist gut so.

    unterm—-Bitte Herr Wöhner —



    m.youtube.com/watch?v=sLFMvdgKgCk



    Danke - Onkel Herbert - Völlig richtig:



    “Wer rausgeht muß auch wieder reinkommen.



    Ich sage ihnen Prost!“



    &



    Nicht wahr - Frau Hildegard Hamm-Brücher!



    “War das parlamentarisch?“ *

    ——*



    Zur Wortbedeutung & Herkunft - mal nix.



    Könnte verunsichern. 😈

    • @Lowandorder:

      ... und ganz nebebei: hätten sie anders geurteilt, müsstest Du wohl gleich für Dein "8 Arschlöcher" Strafe zahlen😊

      • @ Christoph:

        Ach Gottchen leevs Lottchen.

        Ahnt ich es doch: historisch komplett unbeleckt & Zitieren - (Gänsepedale „“ - leider vergessen.)



        Das unbekannte Wesen.

        Mir ist nicht bekannt - daß für diesen Ausspruch - längst Volkers 👄 - Gelle.



        “Von den 8 Arschlöchern in Karsruhe.,“



        Horst Ehmke oder Herbert Wehner - der‘s wohl von ihm hatte - (“,lassen wir uns unsere Politik nicht kaputtmachen!“ (Zitatende) strafrechtlich belangt worden wären.



        Aber Sie - wissen auf Ihrer Fahrt zu neuen Ufern mehr. Gellewelle.



        &



        unterm——tröstense sich damit aber gern & im Übrigen: “ - kl. Strafrecht - is nich!“ Tja - dumm gelaufen.

        Ha no. (& von Personenmehrheit & Beleidigungsfähigkeit mal ab)



        - einfach mal bei 'Fuhrmann' Henschel & Co. reinschauen:



        www.bundesverfassu...10_1bvr147691.html



        “Zum Verhältnis von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz bei Kollektivurteilen über Soldaten.“



        &



        Wer hier der Fingen 👻 - klärnmer n andermal 🥊 🥊

    • @Lowandorder:

      Kommentare die die Welt nicht braucht!



      Such Dir einfach ein anderes Hobby!!!

      • @ Christoph:

        Naja - Christoph - verpflichtet zum Aufbruch in neue Welten. Schonn.



        Normal & Masel tov. 😎

        Ha no. Ansonsten aber - amüsieren mich Lück besonders - die wissen - was mir besser zu Gesicht stünde. Gelle.

        Aber - “Makramé-Arbeiten etc - hab ich schon immer den Frustrierten unserer Tage gern überlassen. Wollnichwoll.

        & dess - wa - - ganz genderneutral.



        Na - Si’cher dat. Dat - wüßt ich ever.



        Da mähtste nix. Nö. Normal nich.



        Njorp.



        &



        …servíce.

        • @Lowandorder:

          Sieh an, wie dünnhäutig er ist, der selbsternannte "Dada - und Dialektkünstler". Nachdem ich nun jahrelang über diese misslungenen Kunstwerke gestolpert bin, musste ich mich einmal dazu äussern. Freue Dich, dass die Taz so tolerant ist und Deine Ergüsse immer brav abdruckt. Wo anders wäre es vielleicht nicht so einfach. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @ Christoph:

            Was lange währt, wird endlich Wut?

            Doch - es wäre noch einiges mehr zu sagen. Zum Bleistift, dass - außer Hardcore-Masochisten - ein jedeR lieber austeilt als einzustecken.

            Dass Spiel und Kunst der Sprache nicht mit deren Reglementierung zu verwechseln ist. Näheres erfahren Sie bei der nächstgelegenen Sprach-Polizei-Station.

            Service: gerne.

          • @ Christoph:

            Das „Recht auf Wut“ sollten Sie nicht mit einer Pflicht zur Wut verwechseln. Wenn wir uns über alles, was wir nicht verstehen, aufregen müssten, kämen wir doch sonst zu nichts anderem mehr (;-))

          • @ Christoph:

            Ach herm. “Ich hab es getragen 7 Jahr - & kann es nicht tragen mehr…“



            (Das Ganze bitte in oxpreußisch - wie einst unser 'Bobby' Wulf. 😎

            Klar - ein Narr - schüttet seine Weisheit auf einmal aus.



            Ein Weiser hält an sich.

            unterm—& Ooch wieder klar -



            tazelwurm.de/avant-propos/