Karlsruhe zu Vorratsdatenspeicherung: Buschmanns Beschwerde bleibt
Das Bundesverfassungsgericht sortiert drei Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung aus, da sie nicht aktuell sind. Andere Klagen bleiben anhängig.
Die Vorratsdatenspeicherung war 2015 von der Großen Koalition beschlossen worden. Die Telekom-Firmen sollten anlasslos alle Telefon- und Internetverbindungsdaten der ganzen Bevölkerung zehn Wochen lang speichern. So wäre ein riesiger Datenfundus entstanden, auf den die Polizei bei Bedarf hätte zugreifen können. Das deutsche Gesetz war nie angewandt worden, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Vorratsspeicherung in anderen EU-Staaten bereits beanstandet hatte.
Im September 2022 hat der EuGH dann ausdrücklich das deutsche Gesetz für rechtswidrig erklärt. Die anlasslose Speicherung greife unverhältnismäßig in die EU-Grundrechte der Bürger:innen ein.
Dieses EuGH-Urteil hatte nun mittelbare Folgen für Verfahren am Bundesverfassungsgericht. Dort liegen seit 2016 sechs Verfassungsbeschwerden gegen die vom Bundestag beschlossene Vorratsdatenspeicherung vor, über die noch nicht entschieden worden war. Drei der Klagen wurden nun für unzulässig erklärt, weil die Kläger:innen nicht auf das EuGH-Urteil reagierten. Es sei unklar, welches „Rechtsschutzbedürfnis“ noch bestehe, nachdem der EuGH das deutsche Gesetz bereits beanstandet habe. Unzulässig ist zum Beispiel die Klage des Vereins Digitalcourage, der sich die Autor:innen Juli Zeh und Marc-Uwe Kling angeschlossen haben, sowie die Klage des SPD-nahen Thinktanks D64.
Keine grundsätzlichen Bedenken
Drei andere Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung sind am Dezernat der federführenden Richterin Ines Härtel noch anhängig und werden bearbeitet.
Dazu gehört eine Klage von 20 FDP-Politiker:innen (inklusive des heutigen Justizministers Marco Buschmann) sowie eine Klage von 18 Grünen-Politiker:innen. Die FDP-Klage wurde von Rechtsprofessor Heinrich Amadeus Wolff geschrieben, der heute selbst dem zuständigen Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts angehört.
Das Bundesverfassungsgericht hatte – anders als der EuGH – nie grundsätzliche Bedenken gegen anlasslose Vorratsdatenspeicherungen. Ein Urteil von 2010 gegen die erste deutsche Vorratsdatenspeicherung monierte nur die Ausführungsbestimmungen, insbesondere die schlechte Sicherung der zwangsgespeicherten Daten.
Derweil verhandeln Innen- und Justizministerium ergebnislos über die Folgen des EuGH-Urteils vom letzten Herbst. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) will eine Vorratsdatenspeicherung für IP-Adressen einführen, was der EuGH für zulässig erklärt hat. Justizminister Buschmann will das verhindern und beruft sich auf den Koalitionsvertrag. Er schlägt das schnelle Einfrieren von Daten im konkreten Verdachtsfall vor.
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