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Karlsruhe gewährt Asyl für einen Wahlboykotteur

■ Die Verfassungsbeschwerde eines christlichen Aktivisten aus dem Libanon hatte Erfolg

Karlsruhe (taz) – Politische Aktivisten müssen im Asylrecht klar von normalen Kriminellen unterschieden werden. Dies stellte das Bundesverfassungsgericht jetzt klar. Den Richtern lag der Fall eines christlichen Libanesen vor, der als Anhänger des Generals Aoun 1992 im Libanon zum Wahlboykott aufgerufen hatte. Nach Ansicht der Christen standen die Wahlen zu sehr unter dem Einfluß Syriens, das das Land teilweise besetzt hielt. Der Mann, der beim Flugblätterverteilen erwischt worden war, wurde verhaftet und mehrere Tage lang gefoltert. Ihm drohte mehrjährige Haft. In Deutschland beantragte der Libanese, der nicht über einen „sicheren Drittstaat“ eingereist war, Asyl – was jedoch abgelehnt wurde. Das Verwaltungsgericht (VG) Minden hielt zwar seine Schilderung für glaubhaft, sah aber keine „politische Verfolgung“. Vielmehr habe der Libanon versucht, eine Wahlbehinderung abzuwehren. Auch die Folter habe keinen politischen Charakter gehabt. Mißhandlungen seien im Libanon auch gegenüber „gewöhnlichen“ Straftätern „ein gängiges Mittel“. Immerhin ordnete das VG einen Abschiebestopp für den Libanesen an. Karlsruhe verfügte nun, daß der Fall vom VG neu aufgerollt wird. Der Libanese habe mit seinem Boykottaufruf nach seiner politischen Überzeugung gehandelt. Da die Regierung versucht habe, diese Überzeugung zu unterdrücken, liege eine politische Verfolgung vor. Das VG hatte festgestellt, daß gegen politische Gegner „mit besonderer Härte“ vorgegangen werde. Daher, so Karlsruhe, sei es „nicht mehr verständlich“, wenn die drohende Folter nicht zur Gewährung des Asylrechts führe. Christian Rath

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