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Karikaturistin Ann TelnaesSchlussstrich unter „Washington Post“

Die Zeichnerin fertigte eine kritische Karikatur an, die Inhaber Jeff Bezos zeigt. Weil die Redaktion dies nicht zeigen wollte, kündigte Telnaes nun.

Die Starkarikaturistin Ann Telnaes Foto: imago

BERLIN taz | In einem Punkt hat sich die Karikaturistin Ann Telnaes in jedem Fall geirrt – oder bewusst kokettiert: „Ich bezweifle“, schreibt sie am Samstag in einer Stellungnahme, „dass meine Entscheidung besonders viel Wirbel machen wird.“ Sie sei schließlich „nur eine Karikaturistin“.

Tatsächlich hat Telnaes’ Entscheidung, bei der Washington Post zu kündigen, für heftige Reaktionen in den sozialen Netzwerken und für einige Berichterstattung gesorgt. Der Auslöser: eine Karikatur, die Telnaes kurz vor Weihnachten an die Redaktion schickte und nun online in ihrer Stellungnahme veröffentlichte. Sie zeigt unter anderem Meta-Chef Mark Zuckerberg und Amazon-Gründer und Post-Besitzer Jeff Bezos, wie sie einer angedeuteten Trump-Figur Geldsäcke zu Füßen legen. Die Meinungsredaktion lehnte die Veröffentlichung ab. Deren Leiter, David Shipley, begründete dies mit einer thematischen Dopplung. Telnaes spricht von Zensur.

Die 1960 in Stockholm geborene US-Amerikanerin Ann Telnaes ist eine der profiliertesten und bekanntesten politischen Karikaturist*innen. 2001 erhielt sie, damals als erst zweite Frau, den renommierten Pulitzerpreis für ihre Kommentare.

Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 sorgte Telnaes schon einmal für Aufregung: Die Washington Post veröffentlichte auf ihrer Webseite eine Zeichnung von Telnaes, die den republikanischen Abgeordneten Ted Cruz als Leierkastenmann zeigt, wie er seine Kinder – dargestellt als zwei tanzende kleine Affen – im Wahlkampf einspannt. Die Redaktion zog die Karikatur damals mit der Begründung zurück, bei der Darstellung von Kindern ziehe man eine „rote Linie“.

Rückenwind vom Verlag

Nun allerdings liegen die Dinge aus Sicht von Telnaes, die seit 2008 als Freischaffende für die Post kommentiert, anders. Es sei üblich, Zeichnungen nochmal überarbeiten zu müssen, wenn die Botschaft aus Sicht der Redaktion nicht klar transportiert werde oder die Metaphorik nicht funktioniere. Doch sie habe „noch nie erlebt“, dass es ihr nicht erlaubt gewesen sei, ihre Meinung zu vertreten. Das sei „gefährlich für eine freie Presse“. Der amerikanische Karikaturistenverband sprang ihr bei: Einmal mehr siege bei der Post „politische Feigheit über die journalistische Integrität“.

Die abgelehnte Karikatur lässt sich als Kritik an Tech-Milliardären wie Zuckerberg und Bezos verstehen, die in den vergangenen Wochen dem designierten Präsidenten Donald Trump in seinem Privatanwesen in Mar-a-Lago ihre Aufwartung machten und versprachen, dessen Inauguration mit Milliardensummen zu unterstützen – in Erwartung einer günstigen Politik für ihre Unternehmen.

Telnaes und die Washington Post scheinen sich politisch auseinandergelebt zu haben. Während die in D.C. lebende Telnaes auf der Social-Media-Plattform X insbesondere im zurückliegenden Wahlkampf stets scharf gegen einen neuen Präsidenten Trump angezeichnet hatte, beugte sich die Redaktion dem Willen von Eigentümer Bezos – und gab keine Wahlempfehlung für die gescheiterte demokratische Präsidentschaftsbewerberin Kamala Harris ab. Zwei Tage nach den Wahlen am 5. November zeigt eine Karikatur von Telnaes, betitelt mit „Das Ende“, die Freiheitsstatue von hinten: mit einem Rollkoffer in der Hand, offenbar ihren Posten verlassend. „Wenigstens Ann Telnaes wird nicht aufgeben“, kommentiert dazu jemand auf X.

Ann Telnaes hat nun zunächst mal die Washington Post aufgegeben.

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2 Kommentare

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  • "[...] und versprachen, dessen Inauguration mit Milliardensummen zu unterstützen [...]."

    Seid ihr sicher, dass die Inauguration mit Milliardensummen unterstützt wird? Das klingt etwas übertrieben.

  • "Doch sie habe „noch nie erlebt“, dass es ihr nicht erlaubt gewesen sei, ihre Meinung zu vertreten. Das sei „gefährlich für eine freie Presse“. Der amerikanische Karikaturistenverband sprang ihr bei..."



    Konsequent, chapeau!



    Schön, dass wir in der taz eine eigene Geschichte zur politischen Karikatur haben, eine echte Erfolgsgeschichte.



    Solidarität ist das Gebot der Stunde.



    Verwunderlich sind die transatlantischen Entwicklungen nun wirklich nicht.

    taz.de/Die-Wahrheit/!5058813/