Kapitänsbinde bei der WM in Katar: Die Solidaraktion, die keine ist
Der Deutsche Fußball-Bund hat eine Kapitänsbinde kreiert, die ein Zeichen für Vielfalt setzen soll. In Wahrheit ist sie ein Zugeständnis an Katar.
Um ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen, gibt es viele Wege. Ernstgemeinte und mutige sowie fadenscheinige.
Für letztere Kategorie entschied sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB), als er kurzerhand eine neue Kapitänsbinde für die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar kreierte. Statt der Pride-Flagge, wie sie Kapitän Manuel Neuer bereits bei vorherigen Spielen der Nationalmannschaft als Binde getragen hatte, gibt es nun einen willkürlichen Farbenmix in Herzform. Ein Symbol, das ein Zeichen für Vielfalt setzen soll – jedoch nicht mehr ist als ein trauriges Eingeständnis: das Eingeständnis, dass Vielfalt für den DFB dort endet, wo es unbequem wird.
Denn die Lebensrealität in Katar heißt: bis zu sieben Jahre Haft für Homosexualität, die gesetzlich verboten ist. In einem Land, in dem die Todesstrafe noch immer existiert; in dem queere Menschen von der Regierung überwacht und verhaftet werden. Katar ist für queere Menschen nicht sicher. Sicher hingegen ist: der DFB.
Sich queeren Menschen gegenüber solidarisch zu zeigen, wäre daher so einfach gewesen. Man hätte auf die Kapitänsbinde mit Pride-Flagge zurückgreifen können, die etwa im Spiel gegen Ungarn zum Einsatz kam. Damals wollte die deutsche Nationalmannschaft ein Zeichen gegen die LGBTQIA+-feindlichen Gesetze des Landes setzen. Der DFB hat sich dafür feiern lassen.
Ein Mindestmaß an Solidarität
In Katar, wo die Lage noch dramatischer ist, wäre die Pride-Binde ein erneutes Symbol für die queere Community gewesen. Ein notwendiges. Nicht etwa, weil das nachhaltig etwas an der Politik in Katar geändert hätte. Oder all die menschenrechtsverletzenden Bedingungen der Weltmeisterschaft hätte wettmachen können. Sondern weil es eben jenes Mindestmaß an Solidarität gewesen wäre, dass man als Teilnehmermannschaft an einer solchen WM hätte zeigen müssen.
Nichts an der neu gestalteten Binde hat etwas mit der Pride-Flagge zu tun. Nichts mit Solidarität. Im Gegenteil: Sie zeigt, dass man in Katar nicht unangenehm auffallen will. Sie offenbart Arroganz gegenüber allen queeren Menschen. Gegenüber jenen, die nicht frei in Katar leben können. Die aufgrund der lebensbedrohlichen Konsequenzen keine Regenbogenflagge schwenken können.
Eine Flagge ist immer auch politisch. Eine Flagge bewusst nicht zu zeigen, obwohl man es könnte, ist ebenfalls politisch. Und sich für eine Flagge, die keine ist, feiern lassen zu wollen, ist absurd.
Leser*innenkommentare
Dietmar Rauter
Wenn die taz auch nur eine Zeile von dieser WM druckt, bin ich raus. Ein gigantischer Skandal von DFB und FIFA, jeder 'National'spieler sollte sich verweigern.... oder gleich dort bleiben.
Ulrich Haussmann
Oberpeinlich - aber ein weiteres Zeugnis für die erbärmliche Verlogenheit im Fussball, a never ending story.
Diogeno
Das mit den Farben ist doch jetzt wirklich etwas kleinlich.
Ich finde es gut, dass möglichst viele verschiedene Farben auf der Armbinde sind.
Was ich nicht verstehe: Was soll die Ziffer 1 auf der Binde?
Diogeno
Unser Vorzeige-Fußballklub Bayern München hat gerade wieder sein nächstes Trainingslager in Katar gebucht.
Anstatt in einem anderen Land, wo es eine Demokratie gibt und Menschenrechte geachtet werden.
Darüber sollte auch mal berichtet und dann öffentlich diskutiert werden.
André_S
Ich kann der Autorin weitgehend zustimmen, allerdings nicht in Bezug auf die Einleitung: "Um ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen, gibt es viele Wege. Ernstgemeinte und mutige sowie fadenscheinige."
Es gibt eben KEINE "fadenscheinigen" Zeichen gegen Diskriminierung - denn solche sind vielmehr dazu geeignet, Diskriminierung zu tolerieren. Dies führt die Autorin im weiteren Verlauf aus meiner Sicht gut aus - allerdings ist die Formulierung in der Einleitung dazu aus meiner Sicht nicht nur unklar sondern widersprüchlich.
659975 (Profil gelöscht)
Gast
Eine Armbinde in den Farben der Frauenbewegung hätte es vielleicht auch schon getan?
Oder Schwarz.
Als Erinnerung an die Gastarbeiter, die in Katar beim Bau der Stadien und Infrastruktur für die WM ums Leben gekommen sind?
Klaus Waldhans
Der DFB hat natürlich in 'vorauseilendem Gehorsam' gehandelt, da man davon ausgehen muss, dass die 'MaFifa' die Pride-Binde als politisches Statement verbieten wird ( wie natürlich auch jede andere Aktion).
Die konsequenteste Haltung wäre sicherlich, erst gar nicht hinzufahren
V M
Nur noch peinlich
Die Regenbogenfahne wird gerne geschwenkt, wenn man damit Geld verdienen oder Wählerstimmen bekommen kann. Drohen finanzielle Verluste, dann ist das ganz schnell vorbei. Das gilt nicht nur für Unternemen und PArteien, sondern auch für die Gelddruckmaschine FIFA/DFB
06455 (Profil gelöscht)
Gast
Sehr interessant dazu die Sendung von Kontraste in der ARD.
Da wird einem ganz übel.
Auch ďas Wegschauen in unserer Gesellschaft in D angesichts der Aktivitäten der Muslimbrüderschaft und der Finanzierung durch Katar.
Das wird uns noch große Probleme bereiten, insbesondere unseren jüdischen Mitmenschen.
Unerklärlich, warum das geduldet wird.
Ist in der Mediathek verfügbar.
Sonnenblumen
Dann gucke ich doch lieber Radrennen, dort werden sogar Regenbogen-Trikots verliehen.
Karlheinz
Es ist völlig egal, was die sich um den Oberarm binden, 15.000 Menschen werden davon nicht wieder lebendig. Es gibt eigentlich nur eine sinnvolle Reaktion. Nicht hinfahren. Ansonsten ist das nur ein Signal, dass Menschenleben am Ende eben doch nicht zählen.
CallmeIshmael
@Karlheinz 100% bei Ihnen. Wir müssen diese absurde WM boykottieren.
Ich werde nicht einmal die Spielergebnisse verfolgen.
Martin Rees
@Karlheinz Hart bleiben, egal was die noch zaubern zur Schönfärbung. Komplette Abstinenz, damit die Avancen nicht abfärben. Auch ein Fernseher braucht Strom und ein gut geheiztes Wohnzimmer Wärme. Am besten die WM verschlafen, das macht auch keine "Rettungsringe".