Kanzlerin im Wirecard-Ausschuss: Kontakt zu Guttenberg „erstorben“
Die Kanzlerin muss sich im Untersuchungsausschuss über ihren Einsatz für Wirecard äußern – und erzählt vom dreisten Agieren ihres Ex-Ministers.
Konkret ging es um Ereignisse im Vorfeld einer China-Reise der Kanzlerin im September 2019. Auf der Reise hatte Merkel für einen Zugang Wirecards zu dem abgeschotteten chinesischen Markt geworben. Den Anstoß dazu hatte offenbar ein Gespräch mit dem ehemaligen Minister Karl Theodor zu Guttenberg gegeben, der heute für die Firma Spitzberg Partners mit Sitz in New York seine guten Kontakte vermarktet.
Merkel hatte der Terminanfrage des Lobbyisten stattgegeben, weil sie „selbstverständlich Gesprächswünschen ehemaliger Mitglieder der Bundesregierung“ entspreche, wie sie vor dem Ausschuss sagte. Das Gespräch habe 45 Minuten gedauert. An Wirecard als Gesprächsthema erinnerte sich Merkel nach eigener Aussage zwar nicht, doch das sei angesichts der vielen Themen, mit denen sie sich beschäftige, nicht ungewöhnlich.
Als zu Guttenberg jedoch auf Unternehmensanliegen zu sprechen kam, habe sie ihn auf die zuständigen Fachleute im Bundeskanzleramt verwiesen – das lässt sich anhand von Akten belegen. „Ich muss achtsam sein, wo die Bekanntschaft aus dem Kabinett in fachlich-sachliches Interesse übergeht“, beschrieb Merkel die Situation. Sie habe damals nicht gewusst, dass zu Guttenberg ein Beratungsmandat bei Wirecard habe.
Eine Dreiviertelstunde bei der Kanzlerin
Bayaz sieht in den Aussage Merkels einen Hinweis auf eine strukturelle Schwäche der Zugangsmöglichkeiten zum Kanzleramt. „Wir wissen jetzt, was dafür nötig ist: Die Dienste eines entsprechenden hochrangigen ehemaligen Regierungsmitglieds, der dort empfangen wird.“ Eine Dreiviertelstunde bei der Kanzlerin sei schließlich nicht wenig.
Merkel zeigte dagegen Verdruss über das Verhalten zu Guttenbergs, der aus Geschäftsinteressen heraus um ein privates Gespräch gebeten hatte. Sie habe „keine Lust, mit lauter Anliegen behelligt zu werden.“ Derzeit sei aber jeder Kontakt zu Herrn zu Guttenberg „erstorben“.
Der Abgeordnete Hans Michelbach fand im Ausschuss sogar noch klarere Worte für das Verhalten seines CSU-Parteikollegen: „Die Bundeskanzlerin für das eigene Geschäft einzusetzen – das tut man nicht, dafür fehlt mir jedes Verständnis.“ Er habe zu Guttenberg inzwischen die Freundschaft aufgekündigt.
Markteintritt in China
All das lässt wenig Gutes für dessen künftige Chancen im deutschen Lobby-Markt vermuten. Nach dem Verweis auf die Fachleute hatte zu Guttenberg wie empfohlen Kontakt zum Wirtschaftsberater der Kanzlerin aufgenommen. Das ist Lars-Hendrik Röller. Diesem hatte er erklärt, dass Wirecard einen Markteintritt in China plane.
Röller griff den Hinweis offenbar dankbar auf und setzte den Vorgang auf die Liste der deutschen Wünsche gegenüber der chinesischen Regierung. Neu war dieses Vorhaben für die Bundesregierung nicht: Im Januar davor hatte sich bereits das Finanzministerium in Peking für Wirecard eingesetzt. „Wir haben ein Interesse daran, dass China hier Marktzugänge gewährt“, sagte Merkel.
Auf der Reise im September 2019 habe Wirecard dann jedoch nur eine untergeordnete Rolle gespielt, behauptete die Kanzlerin. „Es gab eine Vielzahl von Unternehmenswünschen.“ Deutschland habe ein Interesse daran gehabt, dass der Wirtschaftsaustausch auf Gegenseitigkeit beruhe. Dazu hätte es gepasst, wenn China ein deutsches Unternehmen auf den eigenen Markt für Finanzdienste gelassen hätte.
Am Ende kam es dazu nicht: Der Betrug bei Wirecard flog Mitte 2020 auf, ein vermeintliches Milliardenvermögen des Unternehmens war nur durch Bilanzmanipulation zustande gekommen und existierte nicht. Das sei 2019 aber nicht bekannt gewesen, betonte Merkel.
Während andere Zeugen in den sechs Monaten der Ausschussarbeit jede Verantwortung von sich geschoben haben, gibt Merkel durchaus Schwächen der Arbeit ihrer Regierung zu. „Die ganze deutsche Aufsichtsseite war nicht objektiv genug aufgestellt“, sagte Merkel. Sie habe britischen Finanzanalysten, die vor Wirecard warnten, nicht genug Glauben geschenkt. Der Ausschuss hat bereits herausgearbeitet, dass es eine große Neigung der Behörden gab, den deutschen Hoffnungsträger vor Vorwürfen zu schützen – anstatt diesen nachzugehen.
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