Kanzlerin auf Afrika-Tour: Wüstenwächter stehen nicht im Regen
Angela Merkel besucht neben Burkina Faso und Mali auch Niger. Das Land ist Deutschlands Musterpartner bei der Abschottung der Grenzen.
Bei ihrem am Donnerstag beginnenden Besuch bleibt die deutsche Kanzlerin immerhin eine Nacht in Niamey. Präsident Mahamadou Issoufou hat sich als einer der verlässlichsten strategischen Partner der EU in der Region erwiesen. Niger gilt heute in Afrika als „bon élève“ der EU, was sich wahlweise als „guter Schüler“ oder als „Lehrers Liebling“ übersetzen lässt. Und Merkels Besuch soll sicherstellen, dass das so bleibt.
Issoufou forderte von Merkel bei ihrem letzten Besuch eine Milliarde Euro für seinen „Aktionsplan gegen die illegale Migration“. Nach ihrer Visite machte er Ernst mit dem Migrationsstop. Armee und Polizei begannen ein äußerst umstrittenes Gesetz aus dem Jahr 2015 umzusetzen, das den Transport von Ausländern aus Agadez in Richtung libyscher Grenze als „Schleusung“ einstuft – auch wenn sich die Menschen völlig legal in Niger aufhalten. Fahrer wurden verhaftet, ihre Jeeps beschlagnahmt.
Die EU bewilligte genau die von Issoufou geforderte Milliarde ein Jahr später bei einer Geberkonferenz in Paris. Die bis 2020 gestreckte Zuwendung entspricht über 11 Prozent des jährlichen nigrischen Staatshaushalts. Kurz danach hat sich das Land als weltweit einziges zur vorübergehenden Aufnahme evakuierter Flüchtlinge aus Libyen bereit erklärt.
Neue Grenzposten
Allein 241 Millionen Euro aus dem EU-Nothilfefonds für Afrika gegen irreguläre Migration werden in Niger ausgegeben. Bei einem Besuch im Juli 2017 in Niamey übergab Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) 100 Pritschenwagen, 115 Motorräder und 55 Satellitentelefone an Polizei und Armee. Mit europäischem Geld stattet die UN-Migrationsagentur IOM das Land mit neuen Grenzposten aus, stellt IT für die Grenzpolizei bereit und bildet diese aus.
Kanzlerin Angela Merkel hat auf ihrer Westafrika-Reise vor einer wachsenden Terrorgefahr in der Sahelzone gewarnt und Europa aufgefordert, dagegen vorzugehen. „Es ist eine Verantwortung, die auch Europa mit betrifft“, sagte sie am Mittwoch nach einem Treffen mit den G5-Sahel-Ländern in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou. Burkina Fasos Präsident Roch Marc Kaboré forderte eine Lösung für Libyen, dessen Bürgerkrieg sich auf ganz Westafrika auswirke. „Das Problem muss unbedingt gelöst werden, sonst kommen wir nicht weiter“, sagte er.
Am Donnerstag reist Merkel in den Niger. Vor ihrem Besuch hat Nigers Innenminister Mohamed Bazoum die deutsche und europäische Außenpolitik kritisiert. „Wenn man bedenkt, welche Rolle wir bei der Reduzierung der Flüchtlingsströme gespielt haben, haben wir nicht substanziell von Investitionen profitiert“, sagte er der deutschen Zeitung „Die Welt“. (epd/rtr)
Auch die staatliche deutsche Entwicklungsagentur GiZ hat in Niger neue Grenzkontrollstellen errichtet. Die EU unterhält eine Beratungsmission namens EUCAP Sahel zum Polizei- und Grenzschutzaufbau in Niger. Ein grenzpolizeilicher Verbindungsbeamter der Bundespolizei ist heute in Niamey stationiert, zwei weitere Landespolizisten wurden für die EUCAP Sahel Mission entsandt. Das Mandat dafür läuft noch bis 2020.
2018 schlug EUCAP Sahel dem Auswärtigen Amt den Aufbau einer mobilen Grenzüberwachungseinheit in der Grenzregion zu Nigeria vor. Nigeria ist eines der Haupt-Herkunftsländer für irreguläre Migration nach Europa. Deutschland und die Niederlande sagten im November insgesamt zehn Millionen Euro für die neue Grenzschutztruppe zu. Im März begann die Ausbildung von 263 der künftig insgesamt 500 Angehörigen der Einheit durch die EUCAP Sahel Mission.
All das hat Folgen. Bei einem Besuch im Juli vergangenen Jahres lobte der EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani, Niger habe die Zahl der Menschen, die auf dem Weg nach Europa durch das Land zieht „um 95 Prozent“ gegenüber 2016 gedrückt. 2017, im ersten Jahr der Grenzschutzoffensive, seien das insgesamt 18.000 Menschen gewesen, in der ersten Hälfte 2018 rund 10.000.
Richtiger Befund
Tatsächlich zählt die IOM, auf deren Angaben die Statistik zurück geht, nur an einer Handvoll Straßenkreuzungen die Durchreisenden. Die meisten Fahrer aber machen aus Angst vor Polizei und Militär heute einen großen Bogen um diese Kreuzungen. Trotzdem stimmt der Befund. Viel weniger Menschen schaffen heute den Weg durch die Sahara. Viele können sich die auf umgerechnet rund 800 Euro verdreifachten Kosten für den illegalisierten Transport nicht mehr leisten. Und viele, die zahlen können, sterben, stranden in der Wüste bei dem Versuch, nicht von Polizei und Militär entdeckt werden.
Im Januar sagte Alessandra Morelli, UNHCR-Missionschefin in Niger, sie gehe davon aus, dass heute auf jeden Tod im Mittelmeer mindestens zwei Menschen kommen, die „in diesem gnadenlosen Sandmeer unbekannt und anonym sterben.“
Issoufou indes wird an der Kooperation mit der EU festhalten – schon deshalb, weil seine Regierung auf Hilfe im Kampf gegen dschihadistische Gruppen angewiesen ist, die Niger heute praktisch aus allen vier Himmelsrichtungen angreifen. 170.000 Menschen sind mittlerweile aus Mali in Nigeria vor Islamisten nach Niger geflüchtet. Und ebenso viele Nigrer mussten aus demselben Grund aus den Grenzregionen mit Burkina Faso und Mali ins Binnenland fliehen.
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