piwik no script img

Kanzleramtschef Wolfgang SchmidtScholz-Getreuer will kandidieren

Wolfgang Schmidt folgt Olaf Scholz seit mehr als 20 Jahren auf Schritt und Tritt. Nun will der SPD-Politiker für den Bundestag kandidieren.

Will Bundestagsabgeordneter werden: Scholz-Intimus Wolfgang Schmidt Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Olaf Scholz könnte seinen Schatten verlieren. Der Name des Schattens lautet Wolfgang Schmidt. Seit über 20 Jahren folgt er Scholz auf Schritt und Tritt bei allen Stationen seiner politischen Karriere. Schmidt selbst hatte in all den Jahren nie ein eigenes politisches Mandat. Das soll sich nun ändern: Anfang August verkündete der SPD-Kreisvorstand Hamburg-Eimsbüttel, dass er Schmidt als Bundestagskandidaten nominieren würde.

Die SPD Eimsbüttel will mit Schmidt das Bundestagsmandat zurückgewinnen, das sie bei der Wahl 2021 an die Grünen verlor – damals noch mit Niels Annen als Spitzenkandidat, der Ende Juni erklärte, nicht mehr antreten zu wollen. Dafür schicken sie mit der rechten Hand von Olaf Scholz einen der mächtigsten Männer Deutschlands ins Rennen.

Das ist aus mehreren Gründen überraschend. Zunächst, weil Schmidt nicht gerade als Eimsbüttler bekannt ist: Während seines Jurastudiums und der anschließenden Promotion an der Universität Hamburg lebte Schmidt zwar einige Jahre im Bezirk. Das liegt allerdings über 20 Jahre zurück. „Natürlich würde ich im Fall der Wahl in den Bundestag wieder eine Wohnung im Wahlkreis nehmen und im Wahlkreis präsent sein“, schreibt Schmidt in einem Schreiben an seinen Kreisverband.

Der SPD in Eimsbüttel reicht das: „Wolfgang Schmidt ist gebürtiger Hamburger, hat viele Jahre in Eimsbüttel gelebt und kennt Hamburg aus seiner Tätigkeit als Hamburger Staatsrat bestens. Er wird im Wahlkampf und als gewählter Abgeordneter im Wahlkreis präsent sein und sich für dessen Belange einsetzen“, sagt der Eimsbüttler Kreisvorsitzende Milan Pein.

Absolute Loyalität gegenüber Scholz

Der zweite Grund, warum die Kandidatur überrascht, liegt in Schmidts Markenzeichen: seiner absoluten Loyalität gegenüber Olaf Scholz. Auf Twitter war er oft noch bis in die späte Nacht hinein damit beschäftigt, seinen Chef zu verteidigen – bis ihm im September 2021 vorgeworfen wurde, in seiner Arbeitszeit als Staatssekretär Wahlkampf für Scholz zu machen. Seitdem hält Schmidt sich ein bisschen zurück, was ihm aber offensichtlich schwerfällt: Er lebt vom ständigen Austausch, hat ein enormes Netzwerk und ist sich für keine Diskussion zu schade.

Trotz seiner sozialen Begabung hat Schmidt, anders als seine Amtsvorgänger, Talkshows weitgehend gemieden. Er ist eher einer für Hintergrundgespräche, persönliche Kontakte, den Kampf an Tausenden kleinen Fronten – also der ideale Schatten von Olaf Scholz.

Ob Schmidt nach einer Wahl in den Bundestag auch tatsächlich als Bundestagsabgeordneter arbeiten würde, ist ungewiss. Das Hamburger Abendblatt spekulierte, die Kandidatur sei nur „Plan B“, sollte die SPD nicht weiter an der Bundesregierung beteiligt sein.

So oder so: Seine Loyalität gegenüber Scholz wird wohl niemals enden. Symbolisch dafür mag ein Zitat stehen, das Schmidt auf seinem privaten Twitter-Account als Hintergrundbild eingestellt hat. Es stammt aus einem Song des Musikers Thees Uhlmann und verrät viel über Schmidt selbst, seine Haltung zur Politik und seine Loyalität: „Aber die Zukunft ist ungeschrieben / Die Zukunft ist so schön vakant / Und ich komme dich besuchen / Egal ob Stammheim oder Bundeskanzleramt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Der Schaden, den Scholz hinterlässt, ist viel zu groß. Sollte mich wundern, wenn die SPD über 15% noch kommt.



    Für mich nicht mehr wählbar.

  • Annen war einer der selten gewordenen Politikers aus Arbeiterhaushalten. Fleißig und sachkundig. Mit einem anderen Habitus wäre er womöglich Senator oder Bundesminister geworden.



    Schmidt ist in Hamburg für einen SPDler aber auch ein guter Name.

  • Die SPD bietet damit einen interessanten, fähigen Kandidaten an, so weit so gut, nur wie will er denn den Wahlkreis gewinnen?

    Da habe ich große Zweifel, ob die SPD in der Lage ist, eine funktionierende Strategie für den Wahlkampf zu finden und durchzuführen.



    Bislang fällt mir dei SPD immer damit auf, dass sie Wahlkampf nicht gut beherrscht und das mehr oder weniger auf lokale Ortvorstände ankommt, wie und ob überhaupt gekämpft wird.

    Sprich eigentlich müsste Schmidt mit sehr guten Positionen und Themen durchstarten. Er tritt ja eigentlich gegen die Grünen an, die in diesem Bezirk immer stark waren und stärker werden.

    Ob jemand, der direkt aus der Bundesregierung kommt, da wirklich gegenhalten kann?

    Und ob ein Mann, der im Hintergrund Strippen ziehen kann, das auch im Vordergrund tun kann, ob er begeistert, mitreißt. Kann Schmidt wie eine Lokomotive Wähler begeistern?

    Niels Annen schwächelte ja irgendwann auch bzw. er hat das Ziel ja beim letzten Mal verfehlt, dieses Mal dürfte die SPD aber weniger Stimmen bekommen, kann sein, dass die Landesliste nicht funtktionieren wird. Dann müsste Schmidt es selbst rocken, wenn er's kann.

  • Vielleicht wird aus Wolfgang Schmidt ja der neue Frank-Walter Steinmeier? Der ist auch Jahrelang dem Gerhard Schröder hinterhergedackelt und hat seinem Chef treu gedient. Dann trat er in die erste Reihe, als illusionsloser und uninspirierter Techniker der Macht, der das demokratische Spiel der Hintertürabsprachen und medialer Repräsentation beherrscht. Viele unser SpitzenpolitikerInnen durchlaufen ähnliche Karrieren: Nach jahrelangem Unterstützerdiensten in Parteien, Verbänden, Anwalts-, Steuer- oder Wirtschaftskanzleien treten sie in den Vordergrund und machen da und so weiter, wie ihre VorgängerInnen. So werden selbst aus 'radikalen' JungpolitikerInnen über Nacht 'linientreue' Parteisoldaten. Diese PolitikerInnen werden nichts ändern, nur bessere Verwalter ihrer eigenen (Ohn-)Macht werden sie sein.

    • @Stoersender:

      Steinmeier hatte parallel noch Evangelische Kirche. Aber klare Selbstüberschätzung.



      Doch um fair zu bleiben: das war nicht die "Mit 15 in die Jungen ... eintreten, sich als Mitarbeiter in die Netzwerke einklinken und dann ...", was uns Pofallas, Ziemiaks, Sven Lehmanns, Kühnerts, Lindners oder ärger im Spektrum bescherte.

  • Das wird wohl Liebe sein.