Kanye West und Antisemitismus: Endlich Konsequenzen
Lange wurde das Verhalten von Rapper Kanye West entschuldigt. Mit den jüngsten antisemitischen Äußerungen hat er aber eine rote Linie überschritten.
E ines der Anliegen meiner Kolumne ist es, zu zeigen, dass Celebrity-Kultur nicht abgekoppelt von uns in Klatschportalen existiert, sondern Relevanz haben kann. Manchmal ist der Einfluss aber so groß, dass er selbst mich überrascht: Vor wenigen Tagen hängten Neonazis der Gruppe Goyim Defense League Banner mit der Aufschrift „Kanye was right about the Jews“ an eine Highway-Brücke in Los Angeles und hoben den rechten Arm. Es war ein negatives Highlight in einer Serie von unter anderem antisemitischen Aktionen, die in den vergangenen Wochen rund um Kanye West eskaliert sind.
Der Rapper, auch bekannt als Ye, wird von White Supremacists hofiert und wurde kürzlich etwa in die Talkshow von Tucker Carlson eingeladen. Unvergessen seine (temporäre) Unterstützung für Donald Trump und Aussagen wie, dass 400 Jahre Sklaverei eine Entscheidung („choice“) gewesen seien. Doch jetzt ist der Bogen überspannt. Er zeigte sich auf einer Fashionshow mit der Schwarzen rechten Aktivistin Candace Owens in „White Lives Matter“-Shirts und sagte später, George Floyd sei an einer Fentanyl-Überdosis gestorben, weswegen er von Floyds Familie auf 250 Millionen Dollar verklagt wird.
Danach überschlugen sich die Meldungen. Ye äußerte sich auf Twitter und Instagram wiederholt antisemitisch und wurde von sämtlichen sozialen Medien gesperrt, woraufhin er bekannt gab, das rechtsradikale Netzwerk Parler kaufen zu wollen. Werbepartner Adidas, ein deutsches Unternehmen mit Nazivergangenheit, kündigte schließlich die Zusammenarbeit mit dem Rapper.
Das Holocaust Museum in L.A., das ihn zu einem privaten Rundgang einlud, wurde bedroht. Und dann meldete CNN, dass er geplant habe, sein Album „Ye“ (2018) eigentlich „Hitler“ zu nennen. Das zeigt: Es sind keine einzelnen Episoden. Kanye ist antisemitisch.
Versuche, sein Verhalten zu entschuldigen
Stellt sich die Frage: Warum hat man ihm jahrelang so viel durchgehen lassen (in alle Richtungen – nicht zu vergessen, wie viele Monate er Kim Kardashian nach der Trennung belästigte und dass er in einem Musikvideo Pete Davidsons Mord nachstellte)? Ich denke, das hat mehrere Gründe. Zum einen, weil er ein genialer Musiker ist. Und weil es extrem heikel ist, wenn Nichtschwarze (wie ich) eine Schwarze Person kritisieren. Zuletzt wurde seine bipolare Störung als Entschuldigung herangezogen. Aber das funktioniert nicht mehr. Sie mag zwar erklären, warum Ye innerhalb kürzester Zeit seine ominöse „Donda Academy“ schließen wollte und dann das Comeback verkündete, oder dass er nach dem geplatzten Adidas-Deal in den Büros von Skechers auftauchte.
Antisemitismus aber lässt sich nicht damit erklären – andernfalls verharmlost es ihn und beleidigt Menschen mit Mental-Health-Problemen. Deshalb ist es richtig, dass endlich, gerade mit der enormen Zunahme an Antisemitismus in den USA und in Deutschland, Konsequenzen gezogen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance