Kandidatur für SPD-Parteivorsitz: Linkes Duo will SPD führen
Im Rennen um den SPD-Vorsitz treten Staatsminister Roth und die frühere NRW-Ministerin Kampmann an. Sie wollen diverser und digitaler sein.
Christina Kampmann und Michael Roth haben etwas geschafft, was in der SPD inzwischen Seltenheitswert hat: Sie waren bei Wahlen erfolgreich. Kampmann hat zuletzt zweimal ihren Wahlkreis gewonnen, Roth gar sechs mal in Folge. Nun wollen die einstige Familienministerin in Nordrhein-Westfalen und der Europastaatsminister noch etwas anderes gewinnen: den SPD-Parteivorsitz.
Am Dienstag meldete das gemischte Doppel überraschend seine gemeinsame Kandidatur an, in den sozialen Medien, mit Bewerberfoto. Zeitgleich gaben sie mehrere Zeitungsinterviews. Roth und Kampmann sind damit – neben der SPD-Grand-Dame Gesine Schwan – die ersten Kandidaten, die in dem bis September laufenden Bewerberverfahren antreten.
Roth und Kampmann stammen aus den sprichwörtlichen „kleinen Verhältnissen“. Kampmanns Vater war KFZ-Mechaniker und führte im Nebenjob einen Biohof. Roth stammt aus einer Bergmannsfamilie. Beide konnten studieren und erklären ihren sozialen Aufstiegs mit der sozialdemokratischen Bildungspolitik.
Das Kandidaten-Duo will die SPD ausdrücklich als „linke Volkspartei“ profilieren. Roth hat die Hartz-IV-Reformen als „Mühlstein“ bezeichnet. „Wir müssen wieder unterscheidbarer werden von der CDU“, formuliert es Kampmann. Roth ergänzt: „Wir müssen dabei nach außen wieder mehr Freude ausstrahlen.“
„Respekt und ein bisschen Bammel“
Unter anderem wollen sie die Kandidatenlisten der SPD für Parteilose öffnen. Jünger, weiblicher, diverser und digitaler soll die Partei werden. „Dieser Auswahlprozess ist spannend und eine Chance für die SPD, und so viele Chancen hat sie nicht mehr“, erklärt Roth.
Kampmann, bis 2017 Familienministerin in NRW, momentan Oppositionsabgeordnete im Wahlkreis Bielefeld, ist SPD-Sprecherin für Digitales im Landtag. Bei ihren Themen hat die Partei bekanntlich Nachholbedarf. Die 38-Jährige gehörte bislang weder dem Landes- noch dem Bundesvorstand ihrer Partei an. Die Kandidatur sei für sie kein ganz einfacher Schritt, sagt sie der taz, aber gemeinsam mit Roth traue sie sich das Amt zu.
Der hält am Mittwoch als Europastaatsminister in Berlin Stallwache, während sich in Brüssel das Personalkarussell dreht. Roth führt an dem Tag Gespräche, unter anderem mit dem Bundespräsidenten. Es war seine Idee, der zehn Jahre jüngeren Kollegin die gemeinsamen Kandidatur anzutragen. Die beiden kennen sich aus in Berlin. Vor ihrer Ernennung zur Landesministerin saß Kampmann im Bundestag. Wie Roth hatte sie sich dort der parlamentarischen Linken in der SPD angeschlossen.
Roth gehört seit sechs Jahren der Bundesregierung an, er galt schon lange als mögliche Führungskraft seiner Partei. Als im Sommer der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel seinen Rückzug aus der Politik ankündigte, war Roths Name im Gespräch. Zuvor wurde er gar als möglicher Außenminister gehandelt.
Nun geht er ins Risiko. Falls die Basis ihn zum SPD-Vorsitzenden wählt, will er sein Amt als Europastaatsminister aufgeben, um ganz für die Partei da zu sein. „Wenn wir uns keine Chance ausrechnen würden, wären wir nicht angetreten“, sagt der bekennende Protestant. Er spüre eine große Erleichterung in der SPD, dass da zwei sich trauten, die nicht aus dem „hinlänglich bekannten Pfuhl möglicher Kandidaten“ stammten. Gleichwohl hätten sie „Respekt und ein bisschen Bammel“, berichten beide am Mittwoch über die positiven Rückmeldungen. „Zuletzt konnte fast der Eindruck entstehen, niemand hat Lust“, sagt Kampmann. „Und das hat diese großartige Partei nicht verdient“.
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