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Kampf um die Rummelsburger BuchtBis die Polizei kommt

Aktivist*innen vom Wagenplatz Sabotgarden haben am Donnerstag Bäume besetzt, um deren Rodung zu verhindern.

Rummelsburger Bucht Donnerstag­nachmittag: da sind die BaumbesetzerInnen noch obenauf Foto: Wolfgang Borrs

Berlin taz | Eine junge Aktivistin, die Mascha genannt werden will, hakt das Seil in ihr Klettergeschirr, bevor sie auf die mehrere Meter hoch gelegene Plattform im Baum steigt. „Ich will nicht, dass Menschen verdrängt und Bäume zerstört werden, nur damit hier Investa Wohungen für Reiche bauen kann.“

Bereits am Mittwochnachmittag hatten Arbeiter im Auftrag des Eigentümers, der Investa GmbH, mit Rodungsarbeiten auf einer Brache an der Rummelsburger Bucht begonnen. Das Gelände ist aber schon seit Monaten durch den Wagenplatz Sabotgarden besetzt. Die Aktivisten kletterten daraufhin am Donnerstagmorgen auf mehrere Bäume, um die Rodungen zu verhindern. Mit einem Großaufgebot räumte die Polizei noch am Nachmittag die Baumbesetzung.

Am frühen Morgen sind noch nicht viele Polizist*innen zu sehen. Nur ein paar Mitarbeiter der Gartenfirma und Securities stehen verunsichert um den Zaun des Wagenplatzes. Immer wieder regnet es kalte Schauer, die Aktivist*innen nutzen die Zeit, um Planen auf den Plattformen zu befestigen.

„Ich will Freiräume schaffen, in denen Menschen auch mit wenig Geld und in Gemeinschaft leben können“, erklärt Mascha ihre Motivation, im Sabotgarden zu leben. Dies sei in Berlin leider immer weniger möglich, da überall verdrängt werden würde. Das beste Beispiel sei die Rummelsburger Bucht. Außerdem sei jeder Baum wichtig, fügt sie hinzu. „Besonders wenn er so einem blöden Aquarium weichen muss.“

„Bebauungsplan Ostkreuz“ an der Rummelsburger Bucht

„Bebauungsplan Ostkreuz“ Die Brache ist Teil der zuvor landeseigenen Grundstücke an der Rummelsburger Bucht, die 2017 in einem umstrittenen Deal vom Land Berlin an mehrere private Investoren verkauft wurden. Neben teuren Mietwohnungen und Büros soll wenige hundert Meter weiter das Erlebnisaquarium Coral World entstehen.

Protest dagegen hat es in vielfältiger Form gegen. Mit Großdemos, einer Petition mit über 35.000 Unterschriften, einer erfolgreichen Volksinitiative und einem ausgefeilten Alternativkonzept versuchten Aktivist*innen, Anwohner*innen und Bürgerinitiativen vergeblich, den B-Plan zu verhindern.

Kritisiert wurde nicht nur das als überflüssig empfundene Aquarium, sondern auch der Verkauf an private Investoren bei einem viel zu geringem Wert. Außerdem sei der Anteil an Schul- und Kitaplätzen sowie geförderten Wohnraum viel zu niedrig. Nach Verhandlungen mit dem Senat hat Investa zugestimmt, 25 Prozent der Wohnungen mietpreisgebunden anbieten zu wollen. (jowa)

Offen für alle

Im Mai 2019 besetzte die queer-feministische Wagengruppe DieselA die Brache aus Protest gegen den umstrittenen „Bebauungsplan Ostkreuz“, der wenige Wochen zuvor im Lichtenberger Bezirksparlament beschlossen worden war. Damit wurde auch einer der letzten Chancen v­ertan, den Bau des Aquariums Coral World politisch zu verhindern.

Die Besetzer*innen rechneten ursprünglich nicht damit, die Besetzung so lange aufrechterhalten zu können. Doch die befürchtete Räumung blieb aus, da das Grundstück zu dem Zeitpunkt noch offiziell im Besitz des Landes war. Die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte damals kein Interesse an einer Räumung.

Die Besetzung blieb also. Anfang September 2019 zog ein Teil der Be­set­zer*innen weiter und der Wagenplatz benannte sich in Sabotgarden um. Mit der Umbenennung änderte sich auch der Charakter des Platzes, erklärt Aktivist Ilja Goose. Im Gegensatz zu anderen Wagenplätzen sei der Sabotgarden offen für alle: „Jeder kann kommen, wir schließen niemanden aus“, so Goose.

Derzeit bewohnen geschätzt 30 Menschen in ausgebauten Transportern, selbstgebauten Hütten und Zelten die Brache. „Wir sind eine sehr diverse Gruppe“, erklärt Aktivistin Zora. Nicht nur Angehörige der linken Szene seien hier, sondern auch Menschen, die an alternativen Wohnformen interessiert sind oder einfach nirgendwo sonst eine Bleibe finden. So haben auch einige Roma-Familien provisorische Hütten hier errichtet, die an anderen Plätzen immer wieder vertrieben werden.

Brache noch länger nutzen

Trotz der unterschiedlichen Hintergründe und des damit einhergehenden Konfliktpotenzials sei das Zusammenleben friedlich. „Wir verstehen uns als eine Gruppe“, beschreibt Zora das Zusammenleben auf dem Platz. So gebe es wöchentliche Plena, an denen fast alle teilnehmen.

Polizei beendet Baumbesetzung – aber nicht ganz, siehe Bild oben Foto: Wolfgang Borrs

Die Aktivist*innen hofften, die Rodungen noch bis Sonntag verhindern zu können. Der Grund: Ab dem 1. März sind Rodungsarbeiten aus Naturschutzgründen grundsätzlich nur noch mit Ausnahmegenehmigung gestattet. Das Bezirksamt bestätigte gegenüber der taz, dass ­Investa keine solche Genehmigung beantragt hat. Der Immo­bilienkonzern, der auf dem Gelände vor allem teure Mietwohnungen errichten will, könnte dann frühestens mit dem Beginn der neuen Rodungs­saison im September mit den Bauarbeiten beginnen. Die Aktivist*innen erhofften sich dadurch, die Brache noch länger nutzen zu können.

Doch gegen Mittag kam die Polizei mit einem Großaufgebot und umstellte das Gelände. Gegen 13.30 Uhr gelang es zunächst den Beamten, zwei Aktivisten, die sich in einem Baumhaus verbarrikadierten, zu entfernen, indem sie das Dach aufschnitten. Zudem wurden alle Bewohner*innen des Platzes verwiesen, bei mehreren Ak­ti­vist*innen wurden die Personalien überprüft. Ein Sprecher der Besetzer*innen berichtete der taz, sechs der Aktivist*innen haben die Angabe ihrer Personalien verweigert und wurden in die Gefangenensammelstelle gebracht. Die Polizei berichtete auf Twitter, dass es sich um eine richterlich angeordnete Razzia gehandelt habe und keine Räumung. Ausgangspunkt seien nicht näher bestimmte „Straftaten“ gewesen – Pyrotechnick soll in Richtung der Arbeiter geworfen worden sein.

Zum Redaktionsschluss der taz-Printausgabe um 17 Uhr am Donnerstag (27. Februar 2020) harrten immer noch mindestens zwei Akti­vist*innen auf einer Plattform aus. Unklar ist, ob die Be­woh­ner*innen nach Abschluss der Fällarbeiten die Wagenburg wieder betreten dürfen.

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2 Kommentare

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  • Es ist immer wieder verwunderlich, warum diese Aktivisten nicht den Entscheidern auf die Nerven und Kosten gehen, z.B. dem Berliner Senat oder dem zuständigen Bezirksparlament. Die stellen doch die Weichen, geben Genehmigungen raus und erlassen Vorschriften und Gesetze, nicht die Polizei oder Investa.

  • Hoffentlich werden die Aktivist*inn*en namentlich den Behörden namentlich bekannt und von den Investoren und der Verwaltung mit dem entstandenen Schaden belastet. Ein Unding, dass der Steuerzahler die Kosten für solche Einsätze trägt.