piwik no script img

Kampf um EU-ParlamentspräsidentenSozis sind stinksauer

Martin Schulz zum Abschuss freigegeben: Die Konservativen im EU-Parlament wollen auch den Posten des Parlamentspräsidenten.

Noch der Star am europäischen Sternenhimmel: Parlamentsprasident Martin Schulz Foto: reuters

Brüssel taz | Bisher kriselte es nur in der Großen Koalition in Berlin. Doch nun knirscht es auch im schwarzroten Gebälk des Europaparlaments in Straßburg. Denn die Konservativen, angeführt von Fraktionschef Manfred Weber (CSU), wollen Martin Schulz (SPD) loswerden und selbst den nächsten Parlamentspräsidenten stellen.

Im Dezember soll ein eigener Kandidat für die Wahl Anfang 2017 nominiert werden, teilte die konservative Fraktion überraschend mit. Diese Kampfansage kam nur wenige Stunden, nachdem die europäische GroKo noch „ihrem“ Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker Beifall geklatscht hatte.

Juncker war 2014 von den Konservativen nominiert und von den Sozialdemokraten mitgetragen worden. Im Gegenzug bekam Schulz, der ursprünglich deutscher EU-Kommissar werden wollte, aber am Veto von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scheiterte, eine weitere Amtszeit als Präsident des Europaparlaments.

Die geht jetzt, nach zweieinhalb Jahren, zu Ende. Doch Schulz möchte gerne weitermachen und hat sich dafür bereits mit einem Stab treuer Genossen umgeben. „Um Schulz zu gefallen, muss man wohl Deutscher und Sozialdemokrat sein“, spottet der Ko-Chef der Grünen-Fraktion, der Belgier Philippe Lamberts.

Schulz sei doch ein Ehrenmann, sagt die CDU

Für noch mehr Wirbel im Parlament sorgte die Meldung, dass sich Schulz auf Hilfe von Juncker verlassen kann. Der EU stünden schwierige Zeiten bevor, daher benötige sie Stabilität, erklärte Juncker dies kürzlich im Spiegel. Die beiden seien unzertrennlich wie siamesische Zwillinge, heißt es in Straßburg. Dennoch werden sie künftig getrennte Wege gehen müssen – jedenfalls wenn es nach den deutschen Christdemokraten geht. Denn sie gelten als Drahtzieher der Kampagne.

„Ich gehe davon aus, dass Schulz ein Ehrenmann ist und sich an die Absprachen hält“, sagt der Europaabgeordnete Herbert Reul (CDU), der besonders lautstark für den Wechsel trommelt. „Wenn nicht, dann ist das Tischtuch zerschnitten“, droht er.

Ich gehe davon aus, dass Schulz ein Ehrenmann ist

Herbert Reul, CDU

Doch die Sozialdemokraten lassen sich davon nicht beeindrucken. Es wäre nicht fair, wenn die Konservativen auch noch das Parlament führen, argumentieren sie – Juncker und Ratspräsident Donald Tusk gehören schon dem konservativen Lager an. Schulz habe sich bewährt und stehe für eine dritte Amtszeit bereit.

Hinter den Kulissen wird seit geraumer Zeit auch ein ganz anderes Szenario diskutiert. Demnach könnte der Genosse aus Würselen bei Aachen in die Bundespolitik nach Berlin wechseln und sich für eine mögliche Nachfolge von SPD-Chef Sigmar Gabriel warm laufen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • taz: "Im Dezember soll ein eigener Kandidat für die Wahl Anfang 2017 nominiert werden, teilte die konservative Fraktion überraschend mit"

    Überraschend? In Wahrheit gab es eine Verabredung zwischen Sozis und der EVP, demzufolge der Posten des EU-Parlaments für jeweils die Hälfte der Legislaturperiode von beiden Parteien gestellt wird. Schulz will sich jetzt nicht mehr daran halten, aber warum sollte die EVP darauf eingehen?

  • "… Demnach könnte der Genosse aus Würselen bei Aachen in die Bundespolitik nach Berlin wechseln und sich für eine mögliche Nachfolge von SPD-Chef Sigmar Gabriel warm laufen."

     

    Da bleibt nur ein weiteres Remake eines

    Der berühmten Filmzitate:

    "Sein oder Nichtsein? - SCHULZ - !!!"

     

    (Im Emir Kusturica-Film "Underground" - passend

    Zum Auseinanderbrechen! - dort Yogoslavia!)

  • Im Bericht werden fast ausschließlich Angehörige der CDU zitiert. Die Tatsache, dass die Amtszeit von Herrn Schulz Anfang des kommenden Jahres nach der zwischen den Fraktionen abgeschlossenen Vereinbarung endet, ist lange bekannt. Wer sollte also sauer sein, wenn ausnahmsweise in der EU und ihren Gremien einmal ein Vereinbarung tatsächlich auch umgesetzt werden sollte?