Kampf gegen Spielsucht: Provokateur mit Botschaft
Thomas Melchior war wettsüchtig und landete im Knast. Heute ist er als Aktivist gegen Sportwetten vor Fußballstadien unterwegs.
A llein steht er da. Thomas Melchior hält ein Schild hoch. „Wette verloren“ steht drauf. Im Trikot des FC Bayern hat er sich vor einem Spiel des TSV 1860 München am Stadion an der Grünwalder Straße postiert. Die meisten Umstehenden fragen sich, warum der Mann ausgerechnet im Trikot des größten Rivalen da rumstehen muss. Ein Witz eines harmlosen Spinners? Weit gefehlt.
Thomas Melchiors Antrieb hat einen überaus ernsten Hintergrund. Er war jahrelang wettsüchtig und hat dabei 800.000 Euro verloren. Am Ende landete er im Gefängnis. Zur Beschaffung seines Wettgeldes hat er Straftaten begangen. Die Schuld sieht er bei sich. Aber seine Mission ist klar: Er möchte auf die Gefahr hinweisen, die die Omnipräsenz von Sportwetten darstellt.
Tipico und Co. sind überall anzutreffen im Fußball. Egal ob bei den Streamingplattformen, der „Sportschau“, im Fachmagazin Kicker oder in den Stadien fast aller Bundesligisten – überall ist Werbung für Sportwetten zu sehen. Es wird suggeriert, dass es irgendwie dazugehören würde zu wetten. Spielsucht ist dabei kein Thema.
Ich kenne das aus meinem Umfeld. Viel zu oft gehört es zu einem coolen Fußballerlebnis, für den zusätzlichen Kick mal ein paar Wetten zu platzieren. Am Ende wird dann schon mal versucht, an einem Abend die Miete einzuspielen. Man kennt sich schließlich aus. Doch das vermeintliche Fußballwissen erhöht die Chancen gar nicht, wie zahlreiche Studien zeigen. Die Warnungen im Kleingedruckten, in denen vor Spielsucht gewarnt wird, dringen nicht durch.
Doch Thomas Melchior kommt mit seinem Ansatz an. Der 46-Jährige zieht die Blicke auf sich. Indem er sich vor Fußballfans mit dem Trikot des rivalisierenden Teams aufbaut, kommt er mit ihnen ins Gespräch. Dabei erzählt er seine Geschichte und versucht, andere vor einem Schicksal wie dem seinen zu bewahren.
Immer wieder reist er zu Spielorten, lädt hinterher Videos davon auf YouTube, Instagram und TikTok hoch. Die Reaktionen auf die Clips vom „Sportwettensheriff“, wie er sich nennt, sind dabei überwiegend positiv. Vor Ort kommt er nicht immer gut an. Mit Dynamo-Dresden-Trikot traute sich Melchior nicht vor das Stadion in Magdeburg. Die Fans des FC St. Pauli nahmen ihm das HSV-Logo hingegen nicht übel. Viele kannten Melchiors Botschaft schon. Es ist ihm gelungen, auf die Gefahren von Sportwetten aufmerksam zu machen.
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