Kampf gegen Hunger weltweit: Nothilfen reichen nicht aus
Brot für die Welt fordert von der Ampel eine Mittelerhöhung und kritisiert die EU-Agrarpolitik. Global herrsche eine „Verteilungskrise“.
Laut dem Bericht hungerten weltweit im Jahr 2021 bis zu 828 Millionen Menschen. Mit Beginn der Coronapandemie sei die Zahl um 150 Millionen Betroffene angestiegen. Die Folgen des russischen Angriffskriegs sind in dem Bericht noch nicht berücksichtigt. Pruin betonte aber bereits, dass im laufenden Jahr die kriegs- und pandemiebedingte Inflation sowie ausbleibende Getreidelieferungen aus der Ukraine „ein großes Loch in die ohnehin schwierige Ernährungsversorgung vieler Länder gerissen“ hätten. Eine schnelle Verbesserung der Lage sei aktuell nicht zu erwarten.
Die Hilfsorganisation fordert deshalb von der Ampelregierung, sich stärker für eine Erhöhung der Nothilfe gegen die Ernährungskrise einzusetzen. Im Mai hatten die Staatsoberhäupter der G7-Länder auf Initiative von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ein neues „Bündnis für globale Ernährungssicherheit“ beschlossen und bis zu fünf Milliarden US-Dollar für Hilfspakete versprochen. Anstoß waren die steigenden Lebensmittelpreise aufgrund der blockierten Weizenexporte aus der Ukraine.
Pruin spricht jedoch von etwa 22 Milliarden US-Dollar, die benötigt würden, um die globale Ernährungskrise umfassend zu bekämpfen. Gleichzeitig nannte sie es „verantwortungslos“, dass der deutsche Bundeshaushalt für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe laut Entwurf im kommenden Jahr um etwa eine Milliarde auf 11,1 Milliarden Euro sinkt.
Die Verteilung ist das Problem
Auf taz-Nachfrage antwortete das Bundesentwicklungsministerium, man rechne angesichts des gesunkenen Etats damit, „in erheblichem Umfang auf die im Bundeshaushalt 2023 eingeplante globale Vorsorge in Höhe von insgesamt 5 Milliarden Euro zugreifen zu müssen“.
Cornelia Möhring (Linke) sieht grundsätzlichen Nachholbedarf in der Entwicklungspolitik der Ampel: „Die Haushaltsplanung ist geradezu fahrlässig, weil sie mit Menschenleben spielt und Projekte des Globalen Südens von der politischen Großwetterlage in Deutschland abhängig macht.“
Brot für die Welt kritisiert aber nicht nur die Höhe der finanziellen Hilfe. Präsidentin Pruin sprach von einer „Verteilungskrise“ der vorhandenen Lebensmittel. So gebe es etwa eine ausreichende Menge an Weizen, um die gesamte Weltbevölkerung zu versorgen – man müsse sie nur besser verteilen.
In diesem Zusammenhang hält Francisco Marí, Experte für Agrarhandel bei Brot für die Welt, die Pläne der Europäischen Union, die bereits beschlossene Stilllegung von 4 Prozent der Agrarflächen wieder zu kippen, für falsch. „Wir sehen mit Sorge, wie die Agrarlobby diese Krise nutzt, um Fortschritte bei Nachhaltigkeit und Biodiversität zurückzuholen.“
Die Hauptursache für Dürre und ausfallende Ernten sei eben gerade die Klimakrise, betont Marí. Der Fokus von Entwicklungszusammenarbeit im Agrarbereich müsse stärker darauf liegen, die Bäuer:innen vor Ort zu unterstützen. Nur so könnten Länder des Globalen Südens unabhängiger von Nahrungsmittelimporten werden.
Neben Forderungen an die Politik stellte Brot für die Welt am Mittwoch ihre eigene Bilanz aus dem vergangenen Jahr vor. Bundesweit erhielt die Organisation demnach mehr als 63,6 Millionen Euro Spenden und damit 13,2 Millionen Euro weniger als 2020. Das sei jedoch erwartbar gewesen: Eine Haupteinnahmequelle für Spenden sind Kollekten aus Gottesdiensten, von denen 2020 viele coronabedigt ausfielen. Derzeit fördert Brot für die Welt mehr als 1.800 Projekte in fast 90 Ländern.
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