Kampf gegen Antisemitismus: Die Grenzen der Justiz
Gesetzesverschärfungen können gegen Antisemitismus helfen. In den meisten Fällen gilt jedoch: Prävention geht über Sanktion.

M it dem scharfen Schwert der Justiz den Judenhass niederringen – das hört sich besser an als es ist. Denn Strafjustiz kann immer nur dann tätig werden, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, kann eine Tat also nicht verhindern, sondern nur ahnden. Häufig kann sie nicht einmal das, denn Antisemitismus lässt sich nicht verbieten, nur die Handlungen, die aus ihm erwachsen. Es ist also allemal besser, in Erziehung und Bildung von Jugendlichen zu investieren als Gesetzesverschärfungen als Allheilmittel zu propagieren.
Dennoch ist die Ahndung antisemitisch motivierter Straftaten unverzichtbar, will der Rechtsstaat nicht als zahnloser Tiger erscheinen, der über Hass, Hetze und Gewalt hinwegsieht. Ob eine Geldstrafe dabei reicht, damit ein Judenhasser seine Vorstellungen überdenkt, muss bezweifelt werden. Doch zumindest haben Strafen eine abschreckende Wirkung.
Zwischen Freispruch und Volksverhetzung
Beklagt wird nun, dass die Gerichte höchst unterschiedlich mit judenfeindlichen Äußerungen umgehen. In einigen Fällen gab es etwa für die Forderung nach dem Ausradieren des Staates Israel („From the river to the sea…“) Freisprüche. Ein Berliner Gericht verhängte dagegen in einem solchen Fall jüngst eine Geldstrafe wegen des Verbreitens von Propagandamitteln terroristischer Organisationen.
Impfgegner, die sich selbst mit „Judensternen“ kennzeichneten, kamen einmal ungestraft davon, ein andermal wurden sie wegen Volksverhetzung bestraft. Ein Gericht vertrat gar die Auffassung, ein Brandanschlag auf eine Synagoge sei kein Antisemitismus, sondern lediglich Kritik an Israel.
Wegen solcher Fehlurteile braucht es keine Gesetzesverschärfungen, sondern eine Weiterbildung für Richter. Bei immer wiederkehrenden Propagandadelikte sind höchstrichterliche Entscheidungen zu erwarten, die hoffentlich bald klarmachen, was erlaubt ist und was nicht. Die – wenigen – Gesetzeslücken müssen freilich geschlossen werden. Es ist ein Unding, dass das Verbrennen israelischer Fahnen unter Strafe steht, der geäußerte Wunsch, der jüdische Staat möge vernichtet werden, aber nicht.
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