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Kampf gegen Afrikanische SchweinepestTödlich nicht nur für Schweine

In Schutzzäunen gegen die Seuche in Brandenburg verfangen sich immer mehr Rehe auf der Flucht vor Hochwasser. Durchlässe sollen das verhindern.

Endstation leider auch für Rehe und andere Kleintiere: Schutzzaun gegen die ASP Foto: dpa

Criewen dpa | Der Kontrollgang am Schutzzaun gegen die Afrikanische Schweinepest bietet Milena Kreiling und ihren Ranger-Kollegen im Nationalpark Unteres Odertal derzeit immer schmerzliche Augenblicke. „Sind tote Rehe zu entdecken, die es nicht über den Zaun geschafft haben? Oder sind stark verletzte Tiere zu finden, die von ihrem Leid erlöst werden müssen?“, sagte Kreiling am Montag bei einen Vorort-Besuch im Landkreis Uckermark.

Meist werden die Ranger auf Kadaver aufmerksam, wenn Raben, Krähen oder Seeadler über ein Gebiet kreisen, berichtet Kreiling. Das ist ein untrügliches Zeichen. „Wir schauen dann dort noch genauer hin“, sagte sie. Zu beobachten war ein Reh, dass aufgeregt am Zaun entlang lief. Dann fand es eine extra geschaffene Möglichkeit zum Durchschlüpfen. Tote Tiere waren an diesem Vormittag glücklicherweise nicht zu entdecken.

Von 40 Rehen, für die seit Jahresanfang der Zaun zur Todesfalle wurde, weiß Rangerin Kreiling. Die Tiere wollten in dem bundesweit einzigen Nationalpark mit einer Auenlandschaft vor dem jährlichen Hochwasser fliehen. Hier sind große Polderflächen, die regelmäßig überflutet werden. Die Höhe des Zaunes von 1,20 Meter, gedacht als Schutz vor Wildschweinen, war für die Rehe unüberwindbar. Sie verhedderten sich und starben dann an Entkräftung. „In dem kalten Wasser und bei der Witterung gibt es für Verletzte kaum Chancen“, sagte Kreiling, die seit 2009 im Nationalpark arbeitet. Es bleibe nur, sie von ihrem Leid zu erlösen und den Jäger zu rufen.

Für Wildschweine, als Überträger der hochgefährlichen Afrikanischen Schweinepest (ASP), ist der Zaun hingegen eine Barriere. Er soll verhindern, dass die für Hausschweine tödliche Virusinfektion sich weiter ausbreitet. Der erste Ausbruch der ASP bei Wildschweinen in Deutschland wurde vom Landkreis Spree-Neiße offiziell Mitte September 2020 festgestellt. Mitte Juli 2021 gab es bundesweit den ersten Fall bei Hausschweinen in Brandenburg.

Das Tierdrama begann gegen Jahresanfang. Die Tierrechtsorganisation Peta hatte nach Berichten von ertrunkenen und verletzten Rehen das Thema öffentlich gemacht und unverzüglich Maßnahmen gefordert. Aus Sicht der Deutschen Wildtier Stiftung war das Leid vorhersehbar. Man hätte sich mit den besonderen Bedingungen in dem Gebiet mit jährlich wiederkehrendem Hochwasser vertraut machen sollen, warf Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur- und Artenschutz bei der Stiftung, den Behörden auf Anfrage der dpa vor.

Parlament trifft sich zu Sondersitzung

Der Landwirtschaftsausschuss im Brandenburger Landtag wird sich am kommenden Montag (7. Februar) in einer Sondersitzung mit dem Thema befassen. Der Landkreis Uckermark hat unterdessen nach Angaben des Verbraucherschutzministeriums 16 Rehdurchlässe in dem Zaun gebaut und 20 Zaunfelder von 1,20 Meter auf 80 Zentimeter heruntergebogen. Seit Wochenanfang werden zudem Ausweichstellen angelegt, damit Rehe bei Hochwasser einen sicheren Weg finden können.

Zudem wurden bereits 77 Kleintierrampen gebaut. 25 Stück sind noch geplant. „Die sind vor allem für Marder, Waschbären, Biber und Füchse gedacht“, sagte Kreiling. Über die schräg angesetzten Holzrampen sollen sie den Zaun queren können.

„Das Sterben ist damit aber zu nicht Ende“, sagte Dirk Treichel, Leiter des Nationalparks Unteres Odertal. Es sei unklar, welche Wirkung nun die Öffnungen haben. Nach wie vor irrten Tiere am Zaun entlang. Die Forderung bleibe, den ersten ASP-Zaun komplett aus dem Nationalpark hinaus zu verlegen. Die totale Zerschneidung der angestammten Territorien müsse beendet werden, sagte Treichel.

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