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Kampagne gegen Kieler OB-KandidadatenGraue Wölfe an den Haaren herbeigezogen

Medien werfen Kiels grünem OB-Kandidaten Nähe zu türkisch-nationalistischen Kreisen vor. „Ehrverletzend“ findet der die Angriffe.

Will Kiels Oberbürgermeister werden: Samet Yilmaz (Grüne) im Wahlkampfgespräch Foto: Sönke Schaack
Esther Geisslinger

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Esther Geisslinger aus Rendsburg

taz | Kurz vor der Wahl eines neuen Oberbürgermeisters in Kiel tauchen Vorwürfe gegen den Spitzenkandidaten der Grünen, Samet Yilmaz, auf. Es geht um ein Fest eines Vereins, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Bundesweit berichten die Medien, im Netz hetzen rechte Kreise gegen den gebürtigen Kieler: Aus einem Anruf, den Yilmaz tätigte, wird „Unterstützung“ der türkisch-nationalistischen Ülkücü-Szene. Was ist dran an den Vorwürfen?

Eigentlich will Samet Yilmaz gar nicht über den Fall sprechen – und darf es auch nicht: Als Beamter im Innenministerium unterliegt er der Schweigepflicht. Das macht es für ihn schwierig, sich gegen die Behauptungen zu wehren. Sie wurden zuerst vom Spiegel erhoben: Demnach soll Yilmaz ein „Extremistenfest unterstützt haben“, so steht es in der Überschrift. „Ehrverletzend“ nennt Yilmaz diese Formulierung.

Dass so ein Vorwurf gegen ihn erhoben wurde, mache ihn betroffen: „Ich verabscheue türkischen Nationalismus, ich unterstütze keinen Extremismus“, sagt er. Tatsächlich arbeitete der Politik- und Islamwissenschaftler „auf der anderen Seite“, nämlich beim Verfassungsschutz des Landes, der beim Innenministerium angesiedelt ist. Im Ministerium arbeitet er weiterhin, und zwar „mit voller Überzeugung für unsere Demokratie“. Nur: Seine bisherige Aufgabe hat er aber verloren. Ob das gerechtfertigt ist, darüber ließe sich streiten.

Es geht um ein Fest des Vereins „Türkische Gemeinschaft Kiel und Umgebung“. Im Verfassungsschutzbericht des Landes wird dieser Verein als Teil der Ülkücü-Szene genannt, deren Symbol der „Graue Wolf“ ist. Die Gruppe gilt als rechtsextrem und türkisch-nationalistisch. Gleichzeitig, so steht es im Verfassungsschutzbericht, legen die Ülkücü-Vereine Wert auf „gemeinsame und öffentliche Aktivitäten“.

Yilmaz wurde um Hilfe gebeten

Dazu zählt in Kiel der jährliche „Türkische Tag“. „Hierbei handelt es sich um ein großes, allgemein wahrnehmbares Fest mit kulturellen und politischen Darbietungen“, an dem auch viele Personen teilnehmen, „welche nicht zur klassischen Ülkücü-Klientel gehören“, schreibt der Verfassungsschutz.

Die Feier auf dem Werftparkgelände wird stets vom Grünflächenamt der Stadt genehmigt. In einer Pressemitteilung erklärt die Verwaltung den Ablauf: Der Verein beantragte seine Feier im April. Das Amt bearbeitete den Antrag und informierte darüber auch Polizei und Verfassungsschutz. „Von dort wurden keine Bedenken gemeldet“, teilt die Stadt mit. Daher sei die „Erlaubnis auf dem üblichen Verfahrensweg erteilt“ worden.

Geplant war das Fest für das Pfingstwochenende. Am Sonnabend sollte auf- und am Sonntag wieder abgebaut werden. Doch am Sonntag herrschte schlechtes Wetter, Regen und Gewitter drohten. „Aufgrund der schlechten Witterungsverhältnisse haben die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen per Mail an das Grünflächenamt um eine Verlängerung gebeten“, schreibt die Stadt. Doch am Wochenende war im Amt niemand erreichbar. Offenbar rief daher ein Mitglied des Vereins bei Samet Yilmaz an, der als Ratsherr eine bekannte Person in Kiel ist.

Yilmaz habe daraufhin „Kontakt zum zuständigen Dezernenten aufgenommen“, so die Pressemitteilung weiter. Es ging darum, den „Wunsch des Vereins nach Verlängerung um einen Tag“ weiterzuleiten – für ein Fest, das behördlich genehmigt und das zudem zu diesem Zeitpunkt bereits vorbei war. Nur der Abbau von Bühne und Buden sollte auf den sonnigeren Montag verschoben werden. Das Kieler Grünflächenamt erfuhr wegen des Feiertags erst am Dienstag von der Anfrage. Wäre jemand erreichbar gewesen, wäre der spätere Abbau übrigens problemlos genehmigt worden, teilt die Stadt mit.

Innenministerium äußert sich nicht zu Personalfragen

In seiner Stellungnahme betont Samet Yilmaz, dass die Ansprüche des Verfassungsschutzes in Sicherheitsfragen zu Recht hoch seien. „Und das Weiterleiten einer solchen Anfrage entsprach diesen Ansprüchen offenbar nicht.“

Da sich das Innenministerium nicht zu Personalfragen äußert, bleibt offen, ob Yilmaz' Verhalten besonders kritisch betrachtet wurde, weil er im Oberbürgermeister-Wahlkampf steckt. Dass das hohe Medieninteresse an dem Fall mit der Wahl zusammenhängt, liegt dagegen auf der Hand.

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9 Kommentare

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  • Ein Wolf im Schafspelz?



    Wie haben die grauen Wölfe ihm am Wochenende kontaktiert wenn keine Nähe besteht?

  • Das eigentliche Problem ist der unsouveräne Umgang mit der Sache, welchen Herr Yilmaz gewählt hat, auch wenn sie "an den Haaren herbeigezogen" sein mag. Es hätte nicht passieren dürfen, dass die Wähler*innen von seinen beruflichen Problemen erst aus den Medien erfahren, hier hätte proaktiv kommuniziert werden müssen. Ebenso hat sich Samet Yilmaz nicht dagegen gewehrt, bei Wahlkampfveranstaltungen und Podiumsdiskussionen als "Referatsleiter im Innenministerium" vorgestellt zu werden, obwohl er es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr war. Dieses Verhalten hat seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in den Kandidaten untergraben. In letzter Konsequenz so sehr, dass an der Eignung für das Amt des Kieler Oberbürgermeisters berechtigte Zweifel bestehen.

    • @jontschar:

      Siehe meinen Beitrag hierunter um 8:28h.

  • Wie üblich: GRÜNE sind gefährlich, nahe am Terrorismus und nicht auf Linie der Rechten in Deutschland. Das muss man bekämpfen, egal wie, ob mit erfundenen Fakten und übelster Verleumdung - das ist egal, Hauptsache es bleibt etwas hängen. Schließlich leben wir in einem christlichen Land, das "Werte" hat - ach ja???

  • Universal müssen sich auch jene Verbände messen lassen, welche ich bis heute gar nicht kannte (ich lerne bei der taz immer hinzu).



    Gleichzeitig wäre die Mail des Dezernenten doch wohl auch so zu finden oder zu erraten gewesen.



    Jetzt muss wohl "Werner" in Kiel antreten, der taucht was.

  • Was für mich seltsam erscheint: wenn deutsche konservative Kräfte Probleme mit türkischen konservativen Kräften haben....

    Problem 2 zumindest nach diesem Artikel: die typische deutsche Beamten-Mentalität: es ist ausserhalb der Dienstzeiten...

    • @Achim Schäfer:

      Wenn die Graue Wölfe konservativ sind dann ist die AfD linksliberal.

      de.wikipedia.org/wiki/Graue_W%C3%B6lfe



      Nach Angaben der türkischen Behörden begingen die Grauen Wölfe allein zwischen 1974 und 1980 insgesamt 694 Morde.[4]Sie führten außerdem zusammen mit dem türkischen Geheimdienst den Bombenanschlag auf das Alfortville-Völkermordmahnmal 1984 durch.

      Mehmet Ali Ağca, der 1981 das Attentat auf Papst Johannes Paul II. beging, war Mitglied der Grauen Wölfe

      Ein weiteres Mitglied soll 1984 ein Attentat auf den Frauenladen TIO in Berlin-Kreuzberg ausgeführt haben, bei dem die türkisch-kurdische Jurastudentin Seyran Ateş lebensgefährlich verletzt wurde.

      Im März 2024 versammelte sich ein Mob aus mehreren Hundert türkischen Nationalisten in Belgien und griff unter „Allahu Akbar“-Rufen kurdische Familien in den Gemeinden Houthalen-Helchteren und Heusden-Zolder an

    • @Achim Schäfer:

      Die sind nicht konservativ, sondern eine der größten rechtsextremen Organisationen in Deutschland.



      www.bpb.de/themen/...nen-in-deutschland

      • @Andreas J:

        Leider wahr.... das wird leider irgendwie immer unter den Tisch gekehrt. Und Rechtsextreme sind immer Rechtsextreme, ob Deutsche, Türken, Russen, Serben etc.