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Kaminer über Depardieu„Ich habe Mitleid mit ihm“

Kaum ist der Franzose Gérard Depardieu Russe, mischt er sich schon in die dortige Politik ein. Er macht Werbung für Putin, sagt der Schriftsteller Wladimir Kaminer.

Depardieu hätte lieber bei der Schauspielerei bleiben sollen, meint Wladimir Kaminer. Bild: dpa
Jasmin Kalarickal
Interview von Jasmin Kalarickal

taz: Herr Kaminer, der französische Schauspieler und Steuerflüchtling Gérard Depardieu hat sich am 6. Januar die russische Staatsbürgerschaft persönlich abgeholt und dabei Präsident Wladimir Putin besucht. Was halten Sie davon?

Wladimir Kaminer: Für alle vernünftig denkenden Russen ist es natürlich schlimm, dass sich Depardieu mit Putin verbündet. Gerade in der letzten Zeit engagieren sie sich politisch, um sich und der Welt zu beweisen, dass es auch ohne eine korrupte Spitze im Land geht. Und plötzlich kommt ein gut situierter europäischer Schauspieler, fährt in Putins Russland und sagt, hier ist es viel besser. Das ist eine Ohrfeige für die politische Opposition.

Kurz nach seiner Einbürgerung wird Depardieu schon politisch und kritisiert die russische Opposition als programmlos. Überrascht?

Nein. Als Freund von Putin kann Depardieu tun und lassen, was er will, solange er Putins Freund bleibt. Dazu gehört auch, die Opposition zu kritisieren. Ist doch wunderbar, so kann Depardieu glücklich werden. Und dass die russische Opposition programmlos ist, das ist selbstverständlich. Sie können ja niemanden, dessen Scheune brennt und der sich gerade retten möchte, fragen, was er für ein Programm hat und was er später aus der abgebrannten Scheune bauen möchte.

Über die Punkband Pussy Riot sagt Depardieu: „Wenn die Mädchen in eine Moschee gegangen wären, wären Sie da nicht lebend rausgekommen.“ Hat er recht?

Ein absurder Vergleich. Wir wissen nicht, was passiert wäre. Sie sind in keine Moschee gegangen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das Urteil für sie hätte noch härter ausfallen können. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, dass der russische Staat auf seine Bevölkerung pfeift und alle nichtstaatlichen Organisationen als seine Sklaven hält.

dpa
Im Interview: Wladimir Kaminer

45, ist deutscher Schriftsteller („Militärmusik“, „Russendisko“) russischer Herkunft und lebt seit 1990 in Berlin.

Den Oppositionellen und Schachweltmeister Garri Kasparow nennt Depardieu intelligent, aber nur wenn es um Schach geht.

(lacht) Depardieu hätte selbst lieber bei der Schauspielerei bleiben sollen. Dann hätte er einen schönen Rentnerabend verbringen können. Jetzt muss er bis an sein Lebensende Loyalität zu einem Land verkünden, das er überhaupt nicht versteht. Das ist echt ein tiefer Fall. Auf der Leinwand hat er mich oft verblüfft mit seiner wunderbaren Kunst, jetzt hab ich Mitleid mit ihm.

Es war also keine kluge Entscheidung von Depardieu, die Staatsbürgerschaft zu wechseln?

Von Schauspielern kann man nicht erwarten, dass sie ein Gewissen haben. Ihre Arbeit besteht darin, etwas zu verkörpern, was sie selbst nicht sind. Also kann er für Putin Werbung machen, genauso wie er unter anderen Umständen für Hollande vielleicht Werbung machen würde. In Russland zweifeln übrigens viele am Wahrheitsgehalt dieser Geschichte. Sie glauben, dass das alles ein Werbetrick für den Depardieufilm ist, in dem er den Rasputin spielt.

Glauben Sie das auch?

Nein. Ich glaube einfach, dass es Depardieu in Russland besser geht als unter der jetzigen Regierung Frankreichs. Die Diktatur des Proletariats in Russland hat sich in eine Diktatur der Schurken und Beamten gewandelt. Für manche Leute ist Russland deswegen ein Paradies, für andere eine Qual. Die kreative Elite und frei denkende Russen verlassen das Land.

Viele ehemalige Sowjetbürger hat die Blitzeinbürgerung geärgert, sie versuchen vergebens, die russische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Warum bekommt Depardieu das, was Millionen anderen verwehrt bleibt?

Putin sind nur seine Freunde wichtig. Er würde auch Assad nehmen, aber der will ja noch weiterkämpfen. Die Millionen Menschen, die in der Sowjetunion angeblich in der „falschen“ Republik gelebt haben und deswegen keinen russischen Pass bekommen können, obwohl sie alle Russen sind, die kennt Putin nicht. Aber Depardieu schon. Und es ist sein gutes Recht, Menschen, die er mag oder nicht mag, entweder die Staatsbürgschaft zu schenken oder zu entziehen.

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11 Kommentare

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  • J
    JoHnny

    17/01/2013

     

    ?: aa + ww...

     

    werter herr wladimir kaminer,

     

    stimmt es, daß herr g. depardieu - nicht nur im

    eigenen interesse - bei seinem aktuellen freund

    w. putin werbung für anonyme alkoholiker (aa)

    und weight watchers (ww) gemacht hat?

     

    mfg

  • A
    Anna

    Wann platzt er?

  • FI
    Fluxus ist kein Luxus

    Man muss nicht immer nur nach Russland gucken. Ich würde echt gerne mal wissen, was einigen Punks, die eine Kunstaktion im Kölner Dom machen, passieren würde. Und um wievieles besser unsere Knäste eigentlich sind als russische Straflager.

     

    Wer nimmt Depardieu denn politisch ernst? Ein dicker alter Mann, der mal ein grosser Mime gewesen ist. Und Kaminer muss ja sowieso zu allem was sagen, wg. Buchwerbung allein schon.

  • A
    Andreas

    an Soso,

    75% erst ab einem Einkommen von über einer Million und nur was über der Grenze ist!

  • C
    Carsten

    »Ein absurder Vergleich.« Kein bisschen! In einer Kirche zu randalieren ist gratismutig und man erhält den Beifall der Medien. In einer Moschee ist es wirklich mutig und die Medien hätten nicht geklatscht. Das ist überhaupt nicht absurd, sondern konkret.

  • P
    Peter

    Nun gehört Gérard Depardieu zur sogenannten, von europäischen Städtebauern soziologisch definierten kreativen Klasse.

    Diese lebt meist in einer bewachten Gated Community und lässt ihr Geld in der Stadt/Staat arbeiten.

    In jeder größeren deutschen Stadt werden solche Bereiche erstellt und/oder transformiert.

    Das gallische Dorf der Gentrifizierung macht alle anderen zu Römern, geschenkte Prügelknaben.

    Vom pseudo Kommunismus/Staat zum Ständestaat der Nomenclatura.

  • S
    Soso

    Täglich grüßt das Murmeltier. Depardieu wird in der deutschen Presse gejagt seit er den französischen Sozialisten widersprach und 75% Lohnsteuer+19,6%Mehrwertsteuer nicht als sozial ansah. Was am Vergleich Pussy Riot Kirche-Moschee absurd ist, weiß nur wem klar ist darüber nicht nachdenken zu dürfen.

  • R
    Richard

    Im Sport werden in Deutschland Leute aus allen Ecken der Welt kurzerhand amtlich zu Deutschen gemacht. Wenn Russland ähnlich handelt, wegen PR oder warum auch immer, dann wird hier gleich versucht Putin als anti-russisch darzustellen, weil ja die Russen z.B. aus Kasachstan länger auf ihren russischen Pass warten müssen. Und einen Artikel weiter ist Putin wieder der schlimme Nationalist.

  • DR
    der russe

    ..brauchen Russen eigentlich, wenn sie nach Frankreich einreisen wollen, ein Visum. Wenn ja, wie bekommen sie das?

  • RA
    ralf ansorge

    es ist so jämmerlich,wie manche die in ererbter freiheit aufgewachsen sind,menschen in den rücken falle denen dies nicht vergönnt ist.der mann ist nur noch peinlich.aber schon der von intellektuellen so verehrte sartre fand ja nach einer reise ins damals sowjetisch okkupierte baltikum dort alles bestens.

  • C
    Copieur

    ... genauso wie er unter anderen Umständen für Hollande vielleicht Werbung machen würde.

     

    (Hust hust) Depardieu ist ein grosser Fan von Putin hat.

     

    Also, das sind die Drei von der russischen Tankstelle.