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Kafkas Freund Max BrodDer Interpret

Kafka wollte, dass sein Freund Max Brod all seine Texte verbrennt. Brod widerstand diesem Wunsch und publizierte Kafkas unveröffentliche Werke.

Ohne Brod nicht möglich: Eine Szene des Stücks „K“ nach Kafkas „Der Process“. Bild: dpa

BERLIN taz | „Wir alle sind Darsteller von Nebenrollen, ohne allzuviel vom Stück zu wissen.“ Diesen Aphorismus hat sich Max Brod gewissermaßen auf den Leib geschrieben. Denn der am 25. Mai 1884 in Prag geborene Romancier und Kulturphilosoph wurde mit einer vermeintlichen Nebenrolle weltberühmt – als Nachlassverwalter von Franz Kafka.

Der hatte ihm eigentlich testamentarisch aufgetragen, dessen schriftstellerische Hinterlassenschaft „ausnahmslos zu verbrennen“. Doch Brod widerstand dem letzten Wunsch seines Freundes. Mehr noch, er publizierte, überzeugt vom Wert des Werkes, Kafkas Manuskripte nach 1924 (unter anderem die Romanfragmente „Das Schloss“, „Der Process“) und brachte auch – elf Jahre später – die erste Werkausgabe im Schocken Verlag auf den Weg.

Zuvor als Kind jüdischer Eltern in der k. u. k Monarchie aufgewachsen, studierte er nach dem Willen seines Vaters Jura und promovierte 1904 an der Deutschen Universität Prag. Dort begegnete ihm im Herbst 1902 Kafka, der seine „tiefe Unauffälligkeit“ nach einem Vortrag Brods überwand und den späteren Vertrauten ansprach. Er wurde rasch ein Förderer des Introvertierten – sowie anderer Autoren wie Oskar Baum oder Franz Werfel („Prager Literaturkreis“) – und vermittelte Kafka an den Verleger Kurt Wolff.

Verboten unter den Nazis

Brod arbeitete nach dem Studium in der Postdirektion an der Moldau. Später schrieb er als Literatur- und Kunstkritiker für das Prager Tagblatt. Kafkas Vertrauter wandte sich, beeindruckt von Martin Buber, dem Zionismus zu. Fortan begleitete seine Schriften ein dauerhafter, religiös motivierter Ethikdiskurs („Gott beim Erschaffen des Guten [...] helfen“), der um eine moderne selbstbestimmte Definition jüdischer Identität rang. Seine folgenden Romane zeigen dies („Tycho Brahes Weg zu Gott“).

1918 wurde Brod Vizepräsident des jüdischen Nationalrats. Seine Überzeugungen flossen auch massiv in die eigenen Interpretationsansätze zu Kafkas Werk ein, werden heute aber durchweg kritisch gesehen. Die Nazis setzten 1933 seine Schriften auf die Liste der verbotenen Literatur. Als deren Einmarsch 1939 in die Tschechoslowakei begann, flüchtete Brod gemeinsam mit seiner Frau Elsa Taussig nach Palästina und wurde Dramaturg am israelischen Staatstheater Habimah in Tel Aviv. Dort starb Brod am 20. Dezember 1968.

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1 Kommentar

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  • KK
    Karl K

    Daß er Kafkas Werke nicht vernichtet hat - ist ihm hoch anzurechnen.

    Daß er insoweit aber auch ein schlimmer Finger war, indem

    er seine philosophische Minderware an dessen Werk ausließ,

    ist aber leider auch wahr.

    Milan Kundera hat z.B. das Unterschlagen der humorvollen Seite Kafkas

    in " Verratene Vermächtnisse wunderbar aufgespießt.

    Sorry - aber das kann beim heutigen Stand der Kafka-Rezeption nicht unerwähnt bleiben.