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Kabinett billigt GesetzentwurfGewerbsmäßige Sterbehilfe strafbar

Ärzte als Sterbehelfer? Per Gesetz will die Regierung Sterbehilfe aus finanziellen Gründen unter Strafe stellen. Kritiker stoßen sich an einer geplante Ausnahme.

Gebilligter Entwurf: Das Bundeskabinett stimmte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zu. Bild: dpa

BERLIN dpa | Sterbehilfe als Geschäft soll künftig ausdrücklich verboten werden. Angehörige und nahestehende Menschen sollen für die Begleitung zum Sterbehelfer aber nicht bestraft werden. Der entsprechende, allerdings heftig umstrittene Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erhielt am Mittwoch grünes Licht vom Bundeskabinett. Gewerbsmäßigen Sterbehelfern drohen bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, wenn das Gesetz das parlamentarische Verfahren passiert.

„Als ,Erwerbsmodell' würde Suizidhilfe sonst zur gewöhnlichen, auf Ausdehnung angelegten ,Dienstleistung', die Menschen dazu verleiten kann, sich das Leben zu nehmen, obwohl sie dies ohne das kommerzielle Angebot vielleicht nicht getan hätten“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

Die Ministerin verteidigte zugleich die umstrittene Ausnahme. Von einer Ausweitung der Suizidhilfe könne keine Rede sein. „Vielmehr stellt der Entwurf unter Strafe, was bislang nicht strafbar war.“

Ehe- und Lebenspartner, die nach womöglich jahrzehntelangem Zusammenleben den Partner auch auf dem Weg zum gewerbsmäßig handelnden Sterbehelfer nicht alleinlassen, sollten nicht plötzlich als Gehilfe kriminalisiert werden, sagte Leutheusser-Schnarrenberger - „obwohl sie selbst überhaupt nicht gewerbsmäßig handeln“.

Gewinnabsicht und Wiederholung

Entscheidend sind laut Entwurf Gewinnabsicht und auf Wiederholung ausgerichtetes Handeln. Eine solche Förderung der Selbsttötung soll kriminalisiert werden. Das kann in Form des Gewährens, Verschaffens oder Vermittelns einer Gelegenheit zur Selbsttötung stattfinden. Im März hatten sich die Koalitionsspitzen darauf geeinigt, eine entsprechende Grundsatzvereinbarung aus dem Koalitionsvertrag nun umzusetzen.

Der Teilausschnitt der Sterbehilfe werde erstmalig unter Strafe gestellt und gerade nicht für bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte legalisiert, betonte das Justizressort angesichts zahlreicher kritischer Stimmen.

In der Gesetzesbegründung findet sich gegenüber einem Bearbeitungsstand vom Juli folgender Satz zu der geplanten Ausnahme nicht mehr: „Auch Ärzte oder Pflegekräfte können darunter fallen, wenn eine über das rein berufliche Verhältnis hinausgehende, länger andauernde persönliche Beziehung entstanden ist, wie dies zum Beispiel beim langjährigen Hausarzt oder einer entsprechenden Pflegekraft der Fall sein kann.“ Der nun dort zu findende Verweis auf einen Kommentar des Strafgesetzbuches besage allerdings dasselbe, betonte ein Ministeriumssprecher.

Nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfes hatte es von Ärzten, Kirchen und Politikern Kritik gehagelt. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte nun: „Nach der neuen Regelung wird keine Tat straffrei sein, die bisher strafbar ist.“ Strafbar bleibe die Tötung auf Verlangen.

Die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung warnte vor gefährlichen Freiräumen. „Es ist offenbar der persönliche und politische Wille von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, Tötung auf Verlangen in Deutschland zu legalisieren“, sagte Vorstand Eugen Brysch.

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4 Kommentare

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  • MS
    Michael Schreinert

    Ich bin Hospizhelfer und wenn ich solche dümmlichen Kommentare des Herrn Byrsch höre, überlege ich mir, die Sache an den Nagel zu hängen. Ich habe genug Leute kennengelernt, die ich begleitet habe und die sich selbst gewünscht haben, rechtzeitig abtreten zu können, damit sie nicht in einem Heim oder zuhause im Siechtum Jahre bewusstseinsminimiert dahinvegetieren. Diesen sagt man nun: doch, ihr habt zu vegetieren, denn euer Wunsch ist schon anrüchig, würde man ihm nachkommen, hättet ihr zur Straftat angestiftet.

     

    Warum in aller Welt darf ein Mensch sich nicht selbst töten, warum kann dieses Selbsttöten nicht in irgend einer sozialen Gemeinschaft stattfinden und warum gottverdammt müssen wir selbst beim Sterbewunsch uns alle verhalten wie die verdammten atomisierten marktförmigen IchAGs ohne Anrecht auf irgend eine Unterstützung ÜBER DEREN NATUR WIR SELBST ENTSCHEIDEN WOLLEN, irgend eine Unterstützung von irgendwem? Was glaubt man in diesem Land, lässt einen Menschen letztlich den Freitod wählen? Die pure Einsamkeit.

    Warum wird dieses Suizidproblem in Deutschland so dermaßen hochnotblöde-peinlich heruntergespielt (offiziell ca. 10.000-11.000/Jahr) und allen diesen Menschen, die zukünftig zu dieser Zahl zählen werden, ganz einfach gesagt: euer Tod interessiert uns einen feuchten Kericht (ihr Sünder)? Wie kann man das noch mit dem Hospizgedanken des menschenwürdigen Sterbens verbinden, Herr Byrsch? Und warum herrschaftszeiten ist es so schwer zu kapieren, dass ein offener Umgang mit dem selbstgewollten Sterben aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur die Zahl der dies ausführenden Menschen reduzieren würde (ernsthafte Beratungen würde mehr Leute zum Umdenken bringen als es gerade mittels stigmatisierender sozialtherapeutischer Angebote oder dem schlichten alleinlassen der Fall ist) und vor allem würden diese Selbsttötungen weitaus weniger hässlicher ausfallen und weit weniger Unschuldige mit verletzen (bsp. "vor den Zug") und eine "Mordindustrie", wie man impliziert, ist in keinem der Länder zu finden, die es legalisiert haben.

     

    Und dann der gewaltigste Zynismus überhaupt: die FDP kritisert den Markt (hahahaha!), denn seine Mechanismen seien ja schuld, man könne es deswegen nicht legalisieren. Was für eine Bigotterie! Ich kann nicht so viel essen, wie ich ko**** will. Wieder einmal ist der Markt die Leitideologie, wieder einmal ist er die Leidideologie. Kein Schwein übernimmt in diesem Land noch für irgendwas Verantwortung, denn man kann alles, wirklich einfach alles, auf den Markt schieben. Es ist widerwärtig.

     

    Unser Zusammenleben besteht offenbar nur noch aus atomisiert-asozialen Marktakteuren mit christlicher Anpinselung, wenns gerade opportun ist.

     

    Im Grunde muss man drüber lachen: seit fast 100 Jahren treten wir mit dem durchtechnisierten Sterben auf der Stelle, nichts neues fällt uns ein ausser die bis zum abartigsten Siechtum verlängerte Vegetation. Ich will gar nicht darüber nachdenken, inwieweit hier auch pharmaindustrielle Interessen dank der Lobbypartei FDP ihren Eingang gefunden haben. Es reicht mir so schon völlig aus.

     

    Die Frage: "Wie wollen wir sterben" beantworten wir immer noch mit: sterben wollen? Das kann uns nicht passieren. Mit dem Tod haben wir nix zu tun.

  • RG
    Ralf Grehl

    Erstaunlich ist, das mann das Selbstbestimmungsrecht so mit Füßen treten kann. Jeder stellt sich für sich selbst beinen möglichst würdevollen, selbstbestimmten Tod vor. Aber die Interressen der Medizin und Sterbeindustrie sind auf möglichst langes Leiden zur Profitoptimierung gerichtet. Deshalb muß wohl Tötung auf Verlangen unter Strafe gestellt werden und jede Humanisierung des Sterbens damit verhindert werden.

  • RH
    Rosi Happel

    Ich hab erlebt wie sich meine Mutter durch den Krebs,der Ihren ganzen Körper befallen hatte gequält hat. War dabei wie Sie noch kurz vor Ihrem Tod den Oberarzt im Krankenhaus fragte weshalb Sie so verrecken müsse und jedes Tier würde direkt eingeschläfert werden wenn es schlimm erkrankt sei. Damals hat Ihr der Arzt versprochen Sie müsse keine Schmerzen erleiden,man wolle Ihr immer wieder das Morphium erhöhen wenn der Schmerz größer wird,....Meine Mutter hatte Glück das ich mich mit Ihrem Freund abwechselnd ans Sterbebett gesetzt hatte und wir merkten wenn Sie sich verkrampfte,denn zu diesem Zeitpunkt war Sie nicht mehr in der Lage Ihre Klingel zu drücken,....ich mag mir gar nicht ausdenken wieviel schlimmer das Sterben dann noch geworden wäre...Ich bin jetzt 36 Jahre und und muß ganz ehrlich sagen das ich keine Angst vor dem Tod,aber riesige Angst habe so elendig zu verrecken! Ich würde mir wünschen das Sterbehilfe bei Todkranken erlaubt wird,wenn man das frühzeitig schriftlich irgendwo hinterlegt hat,...

  • A
    Alpenfex

    grober Unfug