Kabinett beschließt Gesetzentwurf: Kindergrundsicherung im Kommen
Die Kindergrundsicherung ist vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Landkreise warnen vor einem kommenden „Verwaltungsdesaster“.
![Lisa Paus spricht bei einem Pressestatement zur Kindergrundsicherung - im Hintergrund ein Plakat: Die neue Kindergrundsicherung mit dem Foto von zwei kleinen Mädchen Lisa Paus spricht bei einem Pressestatement zur Kindergrundsicherung - im Hintergrund ein Plakat: Die neue Kindergrundsicherung mit dem Foto von zwei kleinen Mädchen](https://taz.de/picture/6550996/14/33693703-1.jpeg)
Die Ampel-Koalition will mit der Kindergrundsicherung bisherige Leistungen wie das Kindergeld, das Bürgergeld für Kinder, den Kinderzuschlag für geringverdienende Eltern und teilweise auch Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket unter dem Oberbegriff der „Kindergrundsicherung“ zusammenfassen. Neu einzurichtende „Familienservicestellen“ bei der Bundesagentur für Arbeit sollen die Kindergrundsicherung auszahlen.
Die Kindergrundsicherung besteht dabei aus mehreren Unterleistungen. Das bisherige Kindergeld wird zum sogenannten „Garantiebetrag“ in der Kindergrundsicherung, den alle Familien wie bisher bekommen. Das Bürgergeld und der Kinderzuschlag werden in der Kindergrundsicherung hingegen künftig „Zusatzbetrag“ heißen und auch weiterhin einkommensabhängig bleiben.
Die Kindergrundsicherung ergebe „auch materiell eine bessere Leistung“ sagte Paus am Mittwoch. Sie kündigte eine Neuberechnung des Existenzminimums für Kinder an, die nach bisherigen Schätzungen mindestens 20 bis 28 Euro mehr an monatlicher Leistung pro Kind für die Empfänger:innen des Kinderzusatzbetrags mit sich bringen könnte.
Einkommen weniger strikt anrechnen
Zudem schlagen die grundsätzlichen jährlichen Erhöhungen beim Bürgergeld, die alle Leistungsempfänger:innen betreffen, auch bei den Bezieher:innen des Zusatzbetrages zu Buche. Laut dem Gesetzentwurf sollen zudem Einkommen, auch Unterhaltszahlungen beim Bezug des Kinderzusatzbetrages weniger streng angerechnet werden als bisher beim Bürgergeld.
Leistungen für die Kinder von Geflüchteten sollen durch das Gesetzesvorhaben allerdings gekürzt werden, denn sie werden entkoppelt von der Kindergrundsicherung. Damit fällt der sogenannte Sofortzuschlag von 20 Euro im Monat, den Kinder im Bezug von Bürgergeld und von Asylbewerberleistungen bisher gleichermaßen bekommen, für Flüchtlingskinder künftig weg.
Das Kinderhilfswerk und über 20 andere zivilgesellschaftliche Organisationen kritisierten dies. Die Kinderrechtskonvention verbiete eine „Diskriminierung von Kindern aufgrund von Herkunft und Aufenthaltsstatus“, erklärten die Organisationen, darunter die Diakonie, der AWO-Bundesverband und die Gewerkschaft GEW.
„Verwaltungsdesaster“?
Dadurch, dass auch Familien im Bürgergeldbezug künftig die Leistungen für ihre Kinder von einer „Familienservicestelle“ bekommen und nicht mehr vom Jobcenter, befreie man Eltern und Kinder von Stigmatisierung, sagte Paus.
Der Deutsche Landkreistag warnte jedoch vor einem „Verwaltungsdesaster“. Der Gesetzentwurf führe zu Doppelstrukturen, erklärte Landkreistag-Präsident Reinhard Sager. Während die Familienservicestellen bei der Bundesagentur für Arbeit künftig den Zusatzbetrag auszahlen sollen, sind die Jobcenter weiterhin für Eltern im Bürgergeldbezug und auch für Mehrbedarfe der Kinder zuständig.
Einige Leistungen aus dem Bildungspaket, wie etwa Schulessen und Vereinsgebühren, werden zudem mancherorts von den Jobcentern im Auftrag der Kommunen ausgezahlt.
Zustimmung der Länder erforderlich
Der Gesetzentwurf braucht die Zustimmung des Bundesrats und damit auch die Stimmen der unionsgeführten Länder. Die bayrische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) bezeichnete den Entwurf bereits als „Bürokratieungeheuer“.
Der Kinderzusatzbetrag der Kindergrundsicherung soll laut Paus insgesamt rund 5,6 Millionen Kinder und Jugendliche erreichen. Die Mehrkosten werden im Jahre 2025 auf 2,4 Milliarden Euro geschätzt, wovon rund 400 Millionen Euro für den Verwaltungsaufwand eingeplant sind. Die jährlichen Mehrkosten könnten bis 2028 auf fast sechs Milliarden Euro steigen, wenn die Zahl der Leistungsempfänger zunimmt.
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