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Kabinett beschließt FörderprogrammHeil fördert Langzeitarbeitslose

Voraussetzung für das neue Programm: Mindestens zwei Jahre ohne Job. Kritik kommt von Grünen, Linkspartei und Gewerkschaften.

Nicht warten auf Arbeit, sondern arbeiten: Staatlich finanzierte Jobs sind geplant Foto: dpa

Berlin taz | Das Bundeskabinett hat am Mittwoch eine neue Förderung für Langzeitarbeitslose beschlossen. Wer sieben Jahre ohne Job ist, kann auf eine Stelle mit einem staatlichen Zuschuss von bis zu fünf Jahren Dauer hoffen. In den ersten beiden Jahren zahlt der Staat 100 Prozent der Lohnkosten, ab dem 3. Jahr sinkt der Zuschuss um jährlich 10 Prozent. Nach Ende der Förderung muss der Arbeitgeber den Job mindestens ein halbes Jahr weiter aus eigener Tasche finanzieren. Der staatliche Zuschuss orientiert sich allerdings am Mindestlohn, nicht an den in der jeweiligen Branche gezahltem Tarif.

Ein zweites Programm zielt auf Arbeitslose, die zwei Jahre lang ohne Beschäftigung sind. Ihr neuer Job soll für zwei Jahre gefördert werden: im ersten Jahr mit 75 Prozent, im zweiten mit der Hälfte des Arbeitsentgeltes. Insgesamt will der Bund vier Milliarden Euro für beide Programme einsetzen. „Arbeit zu haben und für sich selbst sorgen zu können, ist eine Frage der Teilhabe“, sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu dem Beschluss des Kabinetts.

Kritik kommt von Grünen, Linkspartei und Gewerkschaften. Sie stoßen sich vor allem daran, dass die Langzeitarbeitslosen-Jobs keine Förderung in Tarifhöhe erhalten. „Mit dieser Regelung benachteiligt Heil gerade die Betriebe, die die Tarifpartnerschaft hochhalten, denn sie müssen die Lohnlücke zwischen Tariflohn und Mindestlohn selbst erwirtschaften, wenn sie langzeitarbeitslose Menschen anstellen“, sagt Beate Müller-Gemmeke, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion.

Das Gesetz sei gut gemeint – „aber gut gemeint ist leider allzu oft das Gegenteil von gut“, sagt Susanne Ferschl von der Linksfraktion. Die Bundesregierung verdränge „reguläre Beschäftigungsverhältnisse“. Verdi-Bundesvorstandsmitglied Dagmar König moniert, dass die Geförderten „trotz mehrjähriger Beschäftigung keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld erwerben sollen“.

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7 Kommentare

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  • Statt so ein Unsinn aufzulegen, sollte man lernen mit einer gewissen Arbeitslosigkeit zu leben.

  • Der Lohn/Gehalt würde weit unter dem liegen, was studierte Arbeitnehmer selbst im 1 Arbeitsjahr nach dem Abschluss des Studiums verdienen würden. Außerdem in vielen Berufen und bei vielen Tarifverträgen ist der Mindestlohn als Maßstab etwas zu niedrig; vor allem auch deswegen, weil mit der Berufserfahrung Arbeitnehmer oft höhere Lohne/Gehälter bekommen.

    Gegenwärtig haben Arbeitnehmer Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber Lohne und Gehälter in vergleichbaren Arbeitsstellen bei jeweiligen Arbeitnehmern offen legt. Es besteht also die Gefahr von unzufriedener Belegschaft bei unfairen Lohn-/Gehaltsunterschieden.

    Wenn keine zusätzlichen Arbeitsstellen für die Förderungsmaßnahmen eingerichtet werden würden, dann besteht die Gefahr der Verdrängung bestehender Belegschaft wegen billigerer Arbeitskräfte und zugleich für weitere Ausweitung des Niedriglohnsektors in einigen Berufsgruppen.

  • Solche Lohnkostenzuschüsse gibt es bereits seit JAHRZEHNTEN! Bisherige Erfolge: sehr bescheiden! Warum reitet man also ein Pferd, das längst tot ist?

    Typische SPD-Aktion, ohne Verbesserungen für die Betroffenen.

    • @Tom T.:

      Die SPD muss doch schließlich weiterhin im Sinne der Agenda-2010-Politik eines Gerhard Schröder dafür sorgen, dass die Arbeitssklaven in Deutschland nicht ausgehen.

      Mit der "Förderung für Langzeitarbeitslose" kann man außerdem Arbeitslose bis zu 5 Jahre aus der Arbeitslosenstatistik herausrechnen – und darum geht es doch seit Jahren nur noch, dass der Bürger die wahre Arbeitslosenquote nicht erfährt.

      Mit dieser Regelung wird zudem ein Instrument auf den Markt gebracht, welches mit Zuschüssen weiterhin Lohndumping fördert und Arbeitgeber dazu legitimiert, ihre im Hartz IV Bezug stehenden Arbeitnehmer "für lau" auszubeuten.

      Man kann eigentlich nur noch fragen: Kann diese unsoziale SPD endlich weg oder braucht die noch jemand?

  • Vielleicht wäre es besser, das hier nicht zu machen. Arbeitslose brauchen eine Arbeitsstelle, keine Krücken und keine solchen Konstrukte, außerdem besteht die Gefahr, dass hier Missbrauch betrieben wird. Ich kann nicht recht erkennen, wie sich dieses Programm langfristig positiv auswirken kann? Wenn Maßnahmen so lange gemacht werden, dann halten sie in dieser Zeit auch die Arbeitslosen davon ab, auf dem normalen Arbeitsmarkt etwas zu finden, stattdessen hängen sie jahrelang auf dem Mindestlohn fest?

    • @Andreas_2020:

      Korrekt...



      Das ist ein Konjunkturprogramm für die Oberschicht. Hey, wir übernehmen eure Lohnkosten, und nach zwei Jahren darf dann der Einzelne den Nokia-Effekt erleben.

      • @ErnstEllert:

        Denke, das wird auch die einzige praktische Auswirkung sein.



        Ursachen für die Arbeitslosigkeit verlieren an Bedeutung und werden nicht benannt. Wenn jemand über 50 nicht eingestellt wird, dann wird er es nach der Lohndumpingmaßnahme auch nicht, wenn jemand Depressionen hat, dann verschwinden diese nicht an einer Werkbank, soziale Situationen lösen sich nicht auf, Krankheiten, chronische Schmerzen, sprich alles, was einen davon abhalten kann eine Arbeit auszuüben, bleibt ungelöst.



        Letztendlich entsteht sogar ein volkswirtschaftlicher Schaden durch die subventionierte Arbeitskraft und der Anreiz für Betriebe, durch eine angemessene Vergütung benötigte Arbeitskräfte zu gewinnen wird auch nicht gefördert.