KPÖ siegt bei Gemeinderatswahl: Graz hört die Signale
In Österreichs zweitgrößter Stadt könnte bald eine Kommunistin im Rathaus sitzen. Die KPÖ macht dort seit Jahren bodenständige Sozialpolitik.
Während im Grazer Volkshaus bei der Wahlparty der KPÖ begeistert die Internationale angestimmt wurde, herrschte bei der ÖVP Weltuntergangsstimmung. Auch der bisherige Koalitionspartner, die ultrarechte FPÖ, die mit völkischen Plakaten Stimmung gemacht hatte, fand sich abgestraft und verlor mit 10,9 Prozent fast ein Drittel ihrer Wähler von 2017.
Katerstimmung war auch bei der SPÖ zu verzeichnen, die mit 9,6 Prozent ihr miserables Ergebnis vom letzten Mal noch um einen halben Prozentpunkt unterschritt und wahrscheinlich ihren Sitz im Stadtsenat verliert. Feiern konnten hingegen die von der ehemaligen Nationalratsabgeordneten Judith Schwentner angeführten Grünen, die um fast sieben Punkte zulegten. An ihnen wird es liegen, ob Elke Kahr die erforderliche Mehrheit im Gemeinderat bekommt. In einer ersten Reaktion auf das Wahlergebnis wollte sich Schwentner nicht festlegen.
Graz war einst eine Hochburg der illegalen Nazis und wurde in der NS-Zeit als „Stadt der Volkserhebung“ geadelt. Auch in jüngerer Zeit schlug das Herz der Grazerinnen und Grazer eher rechts. Zehn Jahre lang regierte mit Bürgermeister Alexander Götz (1973 bis 1983) ein FPÖler als Bürgermeister.
Nicht ganz unerwartet
Dennoch kommt der Triumph der Rathauslinken für alle, die Graz kennen, nicht ganz unerwartet. Die KPÖ betreibt dort seit mehr als zwei Jahrzehnten bodenständige Sozialpolitik. Wohnbaustadtrat Ernest Kaltenegger hatte schon in den 1990er Jahren nicht nur einen Mieternotruf eingeführt und höchstpersönlich Mieterberatung betrieben. Er zahlte auch den größten Teil seines Gehalts in einen Sozialfonds ein, aus dem die Grazer KPÖ in sozialen Notfällen unbürokratisch helfen konnte.
Als Kaltenegger in die Landespolitik wechselte, setzte seine Nachfolgerin Elke Kahr diese Politik fort. In ihrem Büro steht zwar eine Lenin-Büste, doch den Klassenkampf führt sie niederschwellig und mit hoher persönlicher Glaubwürdigkeit. Das haben die Wählerinnen und Wähler jetzt honoriert.
Keine Rolle spielt die KPÖ in Oberösterreich, wo gleichzeitig Landtagswahlen stattfanden. Erwartungsgemäß setzte sich die ÖVP von Landeshauptmann Thomas Stelzer wieder durch. Allerdings fiel der Zugewinn mit 1,3 Prozentpunkten auf 37,6 Prozent bescheidener als erwartet aus. Koalitionspartner FPÖ verlor nämlich mehr als ein Drittel seiner Wählerschaft und stürzte von 30,4 auf 19,8 Prozent ab.
Das Gros der frei gewordenen Stimmen schöpfte die neue Partei Menschen, Freiheit, Grundrechte (MFG) ab, die erfolgreich gegen Corona-Einschränkungen und Impfungen Wahlkampf betrieben hatte. Die SPÖ stagnierte auf ihrem niedrigen Niveau (18,6 Prozent), die Grünen legten zwei Prozentpunkte zu und kamen auf 12,3 Prozent. ÖVP-Mann Stelzer, der aus drei möglichen Partnern wählen kann, wird voraussichtlich sein Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ fortsetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken