KIRSTEN BAUMANN über Bürger und Museen: "Ein riesiger Aufwand"

Der Hamburger Senat will, dass die historischen Museen die Bürger stärker beteiligen. In Grenzen sei das sinnvoll, findet Museumsdirektorin Baumann.

Ohne Ehrenamtliche weder zu restaurieren noch den Besuchern vorzuführen: ein 100 Jahre alter Ewer in Hamburgs Hafenmuseum. Bild: dpa

taz: Frau Baumann, Hamburgs SPD-Senat fordert von den stadthistorischen Museen Partizipation. Warum gibt es die noch nicht?

Kirsten Baumann: Die gibt es – und nicht zu knapp: Partizipation existiert gerade in den historischen Museen in vielfältiger Form. Ich empfinde Hamburg als Hochburg des Ehrenamts – gerade im musealen Bereich.

Wofür Ihr Museum der Arbeit besonders geeignet ist.

Ja, denn da vermitteln wir – zum Beispiel an unseren alten Druckmaschinen und im Hafenmuseum –, wie früher gearbeitet wurde. Daran sind natürlich viele ehemalige Drucker, Setzer, Hafenarbeiter et cetera beteiligt. Abgesehen davon: Unser Museumsladen wird zu 100 Prozent von Ehrenamtlichen betrieben.

Ist Partizipation also nur ein anderer Ausdruck für Ehrenamt?

Nein, denn auch Mäzene und Freundeskreise, die sich mit Geld oder Exponaten einbringen, sind letztlich Partizipatoren. Eigentlich ist mit Partizipation aber natürlich die ganz handfeste Beteiligung an der inhaltlichen Arbeit des Museums gemeint. Und Partizipation ist vermutlich immer ehrenamtlich – sonst wäre es ja ein Angestelltenverhältnis.

48, Kunsthistorikerin, ist seit 2009 Direktorin des Hamburger Museums der Arbeit. Vorher war sie stellvertretende Direktorin der Stiftung Bauhaus in Dessau

Könnte es zum Beispiel partizipative Ausstellungen geben?

Wenn man die personellen Kapazitäten hätte, ja. Dann müsste man mit großem zeitlichem Vorlauf eine Gruppe Interessierter zusammensuchen, die Themen erarbeiten, die sich eignen könnten. Partizipation kann aber auch bedeuten, dass sich Menschen an der Vorbereitung von Veranstaltungen beteiligen. Das praktizieren wir bereits, was ich als große Bereicherung empfinde.

Spart Partizipation also Personal?

Das kommt auf die Sparte an. Unseren Museumsladen könnten wir ohne die Ehrenamtlichen nur durch bezahltes Personal aufrecht erhalten. Da sparen wir. Grundsätzlich ist die die Betreuung von Ehrenamtlichen aber sehr aufwendig. Es muss deshalb immer ein gesundes Verhältnis zwischen professionellen und nicht-professionellen Kräften geben.

Welches wäre ein geeigneter Schlüssel?

Das hängt stark vom Projekt ab. Für den Museumsladen bekommen alle dieselbe Einweisung. Hilft aber jemand im Archiv, muss er für jedes Projekt neu eingewiesen werden, was natürlich aufwändiger ist.

Ist trotzdem denkbar, dass durch Partizipation Museumskuratoren überflüssig werden?

Kuratoren ganz bestimmt nicht! Es gibt aber die Befürchtung, dass Aufsichts- oder Kassenkräfte überflüssig werden, wenn solche Arbeiten von Ehrenamtlichen übernommen werden – Tätigkeiten also, die keine so fachspezifische Qualifikation erfordern. Das ist bei uns noch nicht der Fall, und ich warne auch dringend davor.

Warum?

Weil wir uns als Museum nicht das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen dürfen. Denn Ehrenamtliche haben zwar einen Vertrag mit uns, sind aber nicht weisungsgebunden. Ich habe also einen ganz anderen Zugriff auf freiwillige Helfer als auf KollegInnen, die einen Arbeitsvertrag haben.

Sie plädieren dafür, dass die regelmäßig zu verrichtenden Arbeiten nicht von Ehrenamtlichen übernommen werden?

Die Kernarbeiten – Sammeln, Bewahren, Erforschen, Vermitteln – sowieso nicht. Da kann man allenfalls durch Ehrenamtliche aufstocken. Denn die öffentlich geförderten Hamburger Museen sind professionelle Häuser, die nach den Standards des Internationalen Museumsrats ICOM arbeiten. Das heißt, wir haben unsere Aufgaben auf einem bestimmten professionellen Level zu verrichten, und das wollen wir weiterhin tun.

Aber angenommen, Sie planten eine partizipative Ausstellung: Welcher Kriterien müsste sie erfüllen?

Wichtigstes Kriterium wäre immer: Passt eine solche Ausstellung in das Profil dieses Hauses? Und kann sie einen wissenschaftlichen Anspruch erfüllen? Davon würde ich auch bei partizipativer Arbeit nicht abgehen.

Und wenn ein Ausstellungs- oder Veranstaltungsmacher eine Gruppe Freiwillige betreut: Bedeutet das mehr Arbeit, als wenn er die Dinge selbst organisierte?

Ja, denn die Zusammenarbeit mit Freiwilligen ist ein extrem kommunikativer Prozess. Es bedarf einer sehr großen Abstimmung mit diesen Menschen, die museale Nicht-Profis sind und sich plötzlich in diese Museumsstruktur eingliedern müssen.

Das Partizipations-Konzept geht in Sachen Arbeitsersparnis also nicht auf?

Nein, im Gegenteil.

Würde mehr Partizipation dafür die Qualität der Museen steigern?

Das hängt davon ab, wie man diese Qualität definiert. Denn ein Museum ist schon lange nicht mehr nur Institution einer hochkarätigen wissenschaftlichen Ausstellung. Sondern ein Museum hat heute ein Café, einen Laden, ein vielschichtiges Vermittlungsprogramm; man kann sich über Besucherbuch, über Facebook, einen Museums-Blog oder einen Freundeskreis an der Arbeit beteiligen. Das alles wird weiter zunehmen. Und wir sind als Museum gut beraten, auf solche gesellschaftlichen Ansprüche zu reagieren.

Hat Ihnen Hamburgs Senat bei seiner Forderung inhaltliche und zeitliche Vorgaben gemacht?

Nein. Wenn er das täte, müsste er auch die nötigen Mittel zur Verfügung stellen. Aus den vorhandenen Geldern können wir kaum unsere Kernaufgaben wahrnehmen.

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