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Juristen machen gegen Acta mobilGeheim und undemokratisch

Nach den massiven Protesten gegen das Anti-Piraterie-Abkommen formiert sich nun auch der Widerstand von Juristen. Sie plädieren für ein Vergütungssystem.

Der Widerstand gegen das Anti-Piraterie-Abkommen Acta ist kontinuierlich gewachsen. Jetzt warnen auch Rechtswissenschaftler. Bild: dpa

BERLIN taz | Immer mehr Rechtsexperten teilen die Bedenken der Kritiker des Anti-Piraterie-Abkommen. "ACTA ist der Versuch der Verwerter von Urheberrechten, internationale Organisationen zu instrumentalisieren, um ihre kommerziellen Interessen in den einzelnen Staaten gesetzlich zu verankern", sagte Thomas Hoeren, Professor für Telekommunikations- und Medienrecht an der Uni Münster.

Hoeren hält das Handelsabkommen für undemokratisch, weil es in geheimen Verhandlungen ohne demokratische Kontrolle formuliert wurde. "Staaten können ACTA unterschreiben, ohne dass die Parlamente gefragt werden", sagte Hoeren. Nach wie vor seien auch Zusatzprotokolle, ohne die die Tragweite von ACTA kaum zu überblicken ist, selbst den Abgeordneten der ACTA-unterzeichnenden Länder nicht zugänglich.

Hoeren steht für immer mehr Rechtswissenschaftler, die vor ACTA warnen. So haben 26 namhafte europäische Juristen in einer gemeinsamen Erklärung die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, dem Handelsabkommen nicht zuzustimmen, weil es gegen geltendes EU Recht verstoße. "ACTA regelt einseitig Sanktionen, ohne adäquate Rechtsschutzmöglichkeiten vorzusehen", warnt der Jurist Axel Metzger:

So wären laut Vertrag Access-Provider dazu verpflichtet, die Identität eines verdächtigten Nutzers zu verraten. Ebenso sei es mit dem bisherigen EU-Recht nicht vereinbar, dass Internetanbieter direkt für Inhalte haften sollen, die durch ihre Leitungen übertragen werden. Zukünftig sollen die Firmen als Urheberrechtsverletzer auch strafrechtlich verfolgt werden.

Durchsetzung von kommerziellen Interessen

Die Kritik der Juristen zielt auch darauf ab, dass ACTA vor allem dazu diene, die kommerziellen Interessen der Verwerter von Urheberrechten durchzusetzen, während die kreativen Schöpfer bei ACTA keine Rolle spielen. "ACTA zementiert eine urheberrechtliche Richtungsentscheidung, die einseitig die Rechteinhaber begünstigt und wenig Rücksicht auf das Gemeinwohl nimmt", schreibt etwa der Medienanwalt Thomas Stadle.

Dabei seien die unmittelbaren Auswirkungen, die ACTA in Deutschland hätte, durchaus überschaubar. Denn unter Juristen besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Deutschland im Lauf der letzten zehn Jahre das Urheberrecht fortlaufend zugunsten der Rechteinhaber verändert hat.

Wohin die Reise mit ACTA gehe, kann man jedoch in Frankreich sehen. Dort werden Zugangssperren gegen Internetnutzer verhängt, die Urheberrechte verletzt haben sollen. Dafür wurde eigens eine Behörde eingerichtet, die gegen Copyright-Verstöße im Internet vorgeht und bereits hunderttausende Verwarnungen gegen Internetnutzer ausgesprochen hat und nach drei Verwarnungen den Internetzugang sperren kann.

Überwachung langfristig zementieren

Auch in England kooperieren Provider und Rechteinhaber bei Copyright-Verstößen, allerdings auf "freiwilliger" Basis. Auch in Deutschland gibt es Bestrebungen, die Überwachung von Internetnutzern langfristig zu zementieren. So hat das Bundeswirtschaftsministerium Anfang Februar ein Gutachten vorgelegt, das die Internetprovider dazu verpflichtet, den Internetverkehr ihrer Nutzer zu überwachen und bei Urheberrechtsverletzungen zunächst Warnhinweise an die Nutzer zu schicken.

Die ACTA-kritischen Juristen halten immer schärfe Maßnahmen gegen die Nutzer für den falschen Weg und plädieren für ein Vergütungssystem, das mit relativ wenigen Einwilligungen auskommt und gleichzeitig Zahlstellen beinhaltet. Letztlich liefe das auf ein System hinaus, das denen von Verwertungsgesellschaften wie etwa der Gema oder der VG Wort ähnele.

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7 Kommentare

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  • HK
    Harald Klingebiel

    "Es sieht so aus, als sei ein breiter, demokratischer Diskussionsprozeß bezüglich ACTA notwendig. Ich bin u.a. Autor und deshalb auf eine vernünftige materielle Absicherung bei der Erstellung von "geistigem Eigentum" angewiesen. Diese Einkünfte daraus sind - für mich und andere - schon jetzt als ausgesprochen schlecht einzuschätzen. Zum jetzigen Zeitpunkt der Diskussion scheint es notwendig diese an folgenden Fragen entlang zu diskutieren: 1.) Sehen alle Beteiligten / alle Diskutanten (also Gegner und Befürworter von ACTA) einen gesetzlichen Regelungsbedarf in diesem weiten Feld? und geht es 2.) damit dann folgerichtig (nur)um eine "qualitative Verbesserung" bzw. "Konkretisierung" der zur Diskussion stehenden Formulierungen? Harald Klingebiel, Bremen, Dipl. Sozialwissenschafter

  • TH
    Thomas Hoeren

    Keine Angst - ich würde niemals dafür plädieren, nun die Super-GEMA über das Urheberrecht wachen zu lassen. Das ist wohl ein Mißverständnis der Redaktion. M.E. ist eine solche "Vergesellschaftung" des Urheberrechts allein schon wegen der unverzichtbaren Urheberpersönlichkeitsrechte sehr bedenklich. Gruss TH

  • HT
    Hans Thomas Vogler

    Es geht IMHO nicht darum, ein Modell "ähnlich der GEMA" & Co. zu etablieren, sondern diesen Organisationen ihren Monopolanspruch streitig zu machen und sie zu wirklicher Kulturförderung in die Pflicht zu nehmen.

     

    Eine Art "Kulturpfennig", der Grundlage sein könnte für Modelle wie "Kulturflatrate" u.ä. wird nämlich längst schon erhoben, indem jeder USB-Stick, jeder CD-Rohling, jeder Notebook usw.usf. mit "GEMA-Abgaben" belegt ist. Diese Einnahmen werden allerdings nach dem internen Verteilungsschlüssel an die "Mitglieder" ausgeschüttet, der die Großverdiener des Systems begünstigt. Nur 5% davon kommen - zudem auch noch nach Abzug der GEMA-Verwaltungsgebühren - den internen "Förderprogrammen" zugute, die kaum mehr sind als ein winziges Alibipflaster.

     

    Wer wundert sich da noch, warum die Scheiße immer dicker und breiter wird, die aus allen Medienkanälen schwappt?

  • GK
    goran kesici

    das logo sieht dem nsdap plakat erschreckend aehnlich, man sollte mal recherchieren, was da fuer aktuere am werk sind:

     

    http://youtu.be/DLZG9RtWqQA

  • R
    reni

    GEMA oder VG Wort als Modell? Ich krieg nen Vogel. Hoeren, Vetter oder Stadler sind nicht im Keller aufgewachsen. Einen so intransparenten undemokratischen, unfairen und nutzlosen Selbstbedienungsladen wie die GEMA können die nicht ernsthaft als Modell vorgeschlagen haben.

     

    Nebenbei: Wir zahlen seit Jahrzehnten Pauschalabgaben auf alles, was mit Kopie zu tun hat. Aber da geht sicher noch mehr. Deswegen müssen in Kindergärten auch die Notenkopien bezahlt werden oder es wird auf Weihnachtsmärkten nach Phantasiefläche abgerechnet.

     

    Mit Kultur lässt sich eine Menge Geld machen. Dass der Löwenanteil bei Verwertungsgesellschaften und Vermarktern hängenbleibt, muss sich ändern, damit unsere Kulturschaffenden eine Lebens- und Arbeitsgrundlage haben.

  • M
    Münchner

    Offenbar wird es der internetfremden Generation von Politikern nicht klar:

    Acta darf nicht durchgesetzt werden, da es ein solches Rechteungleichgewicht im Internet nach sich zieht, was wiederum Sperrungen und löschen von einer Großzahl der Inhalte auf Seiten wie Youtube zur Folge hat. SO werden die Richtlinien immer weiter gegen den Nutzer gestemmt, bis dieser in seiner Internetfreiheit (Meinungsäußerung, Foren) stark eingeschränkt ist. Das würde ich als altbackender CDUler auch nicht verstehen...

     

    Deswegen:

    NEUE DEMOS, 25.02.2012

    Deutschlandübersicht:

    http://www.facebook.com/events/236677319754342/

  • F
    fritz

    Ein Verguetungssystem wie bei der GEMA, prima!

     

    Dummerweise haben die heute leider tonangebenden Piraten aber in ihrer grenzenlosen Liebe zu den Kollegen von der Hardwareindustrie sich das Verguetungssystem genau andersherum ausgedacht. Der Verbraucher soll nicht indirekt ueber den Preis der Internetdienstleistungen und so weiter, die er fuer sich erwirbt, sondern direkt zur Kasse gebeten werden. Die Warenwelt hat auch bei ihnen auch in Kulturdingen Hochkonjunktur. Kaufen und konsumieren, nur moeglichst billig. Was nur zeigt, wie kulturfern diese und andere Brueder sind. Die Schwestern sind eher politikferne Narzistinnen. Kulturflatrate heisst das Ding, das direkt aus der Pressestelle der Telekom stammen koennte.

     

    Auf sowas muss man bei den Piraten achten.

     

    Der Verein ist leider sehr strohdumm und sehr superoberflaechlich. Das betrifft auch so Dinge wie Vorratsdatenspeicherung, auch die von Handydaten.

     

    Strassenblockaden sind eben Straftaten von unter Umstaenden erheblicher Bedeutung, naemlich dann, wenn es um das Demonstrationsrecht anderer geht. Entweder gibt es Meinungsfreiheit, dann gibt es sie auch fuer Andersdenkende, oder es gibt sie nicht. Und ueber die richtige Sicht der Geschichte muss man diskutieren koennen, uebrigens auch ueber Armenien in Frankreich. Von dem ganz unausgereiften Streit um Stuttgart 21 ganz abgesehen. Bestimmte Leute sind einfach nicht politikfaehig. Selbstverstaendlich duerfen sie ihre Meinung sagen, niemand kann sie aber ernstnehmen. Ohne eine genaue Analyse der Probleme geht es eben doch nicht, mag diese auch unmodisch sein.