Junge Nazis: Man darf die Jugend nicht den Rechten überlassen
Es ist verstörend, wie jung die Festgenommenen der Nazi-Gruppe „Letzte Verteidigungswelle“ sind. Eltern, Schulen und Vereine müssen aktiv werden, um den Hass zu stoppen.

D as ging verdammt schnell. Acht Jugendliche aus Altdöbern, Wismar und Schmölln waren zunächst im Fußball- und Judoverein aktiv und teilten im Internet Hundevideos. Plötzlich aber war ihnen anderes wichtiger: Chatgruppen, in denen sie über „Kanaken“, die Antifa, CSDs herzogen, mit Waffen und Hakenkreuzen posierten, über einen „nationalsozialistischen Umsturz“ fantasierten – und sich entschlossen, zur Tat zu schreiten.
Für einen Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft wurden bereits Kugelbomben besorgt. In Altdöbern wurde ein Kulturhaus angezündet, im Gebäudekomplex lebte eine Familie. Es war nur Zufall, dass es keine Toten gab. Nun nahm die Bundesanwaltschaft die Jugendlichen fest und wirft der Gruppe, die sich Letzte Verteidigungswelle nennt, Terror vor.
Die Anführer sind 15, 16 und 18 Jahre alt, sie sitzen in Haft. Es ist nicht nur verstörend, wie jung die Festgenommenen sind und wie rasant ihre Radikalisierung verlief. Sondern auch, dass sie niemand stoppte. Die Eltern nicht, auch nicht Freunde, nicht die Schule. Weil niemand etwas mitbekam? Oder weil sie niemand stoppen wollte?
Dieser Terror hat einen Nährboden. Zwei Jahre ist es her, dass Lehrer*innen in Südbrandenburg, unweit von Altdöbern, einen Brandbrief schrieben: Der Rechtsextremismus habe sich in ihren Klassenräumen breitgemacht, wer widerspreche, müsse um seine Sicherheit fürchten. Auch andernorts zeigten sich Schülervertreter*innen alarmiert. Bei der Bundestagswahl votierten Jungwählern zu 21 Prozent für die AfD. Für eine Partei, die Hass auf Migranten und Andersdenkende sät, eine Untergangsstimmung beschwört. Die nun ganze Landstriche erobert – wo weit rechte Einstellungen inzwischen Mainstream sind. Und gerade erst wurde die Jahresbilanz rechter Straftaten verkündet: Es waren mehr als 42.000, ein Rekordhoch.

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Es ist dieses Klima, in dem die Jugendlichen aufwachsen. Ein Klima, in dem es wieder angesagt ist, rechts und autoritär zu sein. Wo man es anderen wieder zeigen will, auch mit Gewalt. Es ist eine Enthemmung, die einem auf Social-Media-Plattformen entgegenschwappt – und sich in dortigen Echokammern zigfach verstärkt. Bis der Eindruck entsteht: Dieser rechte Terror ist genau das, was nun getan werden muss. Schon vor Jahren fanden sich Teenager vereinzelt in militanten Gruppen wie der Atomwaffen Division wieder. Nun gibt es viele solcher Gruppen.
Es ist wichtig, dass die oberste Ermittlungsbehörde einschritt, bevor es zu Toten kam. Aber das reicht bei Weitem nicht. Dafür liegt das Problem zu tief. Es müssen Eltern, Schulen, Vereine aktiv werden, um den Hass zu stoppen. Es muss das Runterfahren von Jugendclubs und Sozialarbeit enden, gerade im Ländlichen. Es darf nicht so weit kommen, dass für die Jugendlichen einzig rechtsextreme Kameradschaften noch Anlaufstellen sind. Diese Kehrtwende wird ein Kraftakt. Aber wenn die Politik hier weiterspart, dann werden die nun festgenommenen Teenagerterroristen nur der Anfang sein.
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