Junge Geflüchtete in Griechenland: Berlin will 70 Menschen aufnehmen
Der Senat will 70 minderjährige Flüchtlinge direkt nach Berlin holen. Doch dafür braucht es die Erlaubnis des Bundesinnenministers.
![Zwei junge Männer verlassen ein Schiff mit schweren paketen auf dem Rücken Zwei junge Männer verlassen ein Schiff mit schweren paketen auf dem Rücken](https://taz.de/picture/3842573/14/0214-1.jpeg)
Eigentlich klingt es ganz einfach: In Athen leben minderjährige Geflüchtete auf der Straße, während es in Berlin freie Plätze in Jugendhilfeeinrichtungen gibt. Der Winter steht bevor, und da die geflüchteten Jugendlichen meist gar nicht in Griechenland bleiben möchten, wäre eine Lösung, dass Berlin und andere Bundesländer sie direkt aufnehmen. Die Bereitschaft dafür ist da: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) bietet nach Rücksprache mit der Senatsverwaltung für Jugend an, 70 geflüchtete Kinder und Jugendliche aufzunehmen.
Auch von den Grünen kommt Unterstützung: Ihre migrationspolitische Sprecherin Bettina Jarasch will auf dem Parteitag am Samstag beantragen, dass 100 Jugendliche direkt aufgenommen werden. Zuvor hatte sich die Berliner Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial einem entsprechenden Aufruf ihrer Thüringer Kollegin an die Landesinnenminister*innenkonferenz angeschlossen.
Nach Einschätzung von Hilfsorganisationen spitzt sich die Lage für die schätzungsweise 4.100 Minderjährigen, die ohne erwachsene Begleitpersonen in Griechenland leben, weiter zu. Denn im ganzen Land gebe es nur 1.000 altersgerechte Unterkünfte. „Zurzeit räumt die Polizei verschärft besetzte Häuser. Das bringt auch Kinder und Jugendliche in Schwierigkeiten, weil sie dort oft unterkommen konnten“, sagt Anne Brulez, die sich im Berliner Verein „Respekt für Griechenland“ engagiert und regelmäßig nach Griechenland fährt. „Diese Häuser sind natürlich keine angemessene Unterkunft, aber sie hatten dort wenigstens ein Dach über dem Kopf.“
Die Kinder und Jugendlichen würden nun oft abends vor der Tür ihres Netzwerkpartners „Network for Children“ stehen. „Sie haben Hunger und sie frieren. Wir packen und verteilen SOS-Pakete“, sagt Brulez. Ihr Verein ist auf der Suche nach Freiwilligen, die die Arbeit unterstützen. Doch vor Ort in Griechenland seien ihre Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Bundesländer können Geflüchtete über besondere Aufnahmeprogramme aufnehmen, wie dies etwa bei den Jesid*innen schon geschehen ist. Dies ist bisher aber nur im Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister erlaubt.
Bettina Jarasch, Grüne
Berlin hat daher eine Bundesratsinitiative initiiert, die durchsetzen möchte, dass der Bund solchen Landesaufnahmeprogrammen nicht mehr zustimmen muss. Doch die aktuelle Bereitschaftserklärung von Berlin, Thüringen und auch Niedersachsen liegt noch beim Bundesinnenministerium. Es will das Schreiben prüfen.
Dass Jugendliche aus Griechenland tatsächlich noch diesen Winter nach Berlin kommen, scheint daher nicht besonders wahrscheinlich. „Dass Berlin 70 Jugendliche aufnehmen möchte, ist ein sehr guter erster Schritt – auch wenn ich denke, wir könnten noch mehr leisten“, sagt die Grüne Bettina Jarasch. „Wir erwarten jetzt, dass der Bundesinnenminister das Angebot von Berlin und anderen Bundesländern aufgreift und möglich macht.“
Die Kommunen könnten die Politik der EU laut Jarasch nicht ersetzen. Aber es zeige sich gerade im Rahmen der Solidarity Cities, dass es auf dieser Ebene eine besondere Solidarität gäbe, anders als unter den Mitgliedstaaten der EU. „Ein Landesaufnahmeprogramm zu stricken wäre dann tatsächlich ein längerer Weg“, gibt die Grünen-Politikerin zu, aber die Kapazitäten seien da. Berlin habe inzwischen viele Strukturen aufgebaut, um minderjährige Geflüchtete aufzunehmen und zu begleiten: von Jugendwohnheimplätzen bis zu Netzwerken, in denen ehrenamtliche Vormünder organisiert seien. Denn, so Jarasch: „Hier wären die Jugendlichen in guten Händen.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss