Julio-Iglesias-Meme: Alle Jahre wieder Julio
Er ist zurück. Dunkles Haar, weiße Zähne, solariumbrauner Teint. Juli ist in der spanischsprachigen Welt, wenn Julio Iglesias das Internet übernimmt.
„Juli“ heißt auf Spanisch „Julio“ – und ist zugleich ein Vorname. Eine simple Tatsache, auf die eine schier unendliche Menge an Wortspielen gründen, die als Memes in den sozialen Medien erblühen. Mit Julio Iglesias, dem wohl weltweit bekanntesten Julio nach Julio (Julius) Caesar, als Protagonist.
Pünktlich zum ersten Juli („El uno de julio“) kommt Iglesias mit Kartenspiel und Fiat daher. Man kann mit ihm übers Wetter sprechen („Der Juli ist sehr feucht“ – Baby Julio mit Windel), über Historisches (Julio in Uniform aus dem 18. Jahrhundert und Degen) und Harndrang („Der Juli ist nicht mehr auszuhalten“ mit Doppeldeutigkeit „Julio hält’s nicht mehr aus“) oder mit Bob-Ross-Afro oder Anstreicher über Hoffnungsvolles („Juli schaut gut aus / malt nicht gut“), berufliche Erfolge („Julio viene con Bono“, also „Julio bekommt einen Bonus“ wird aber mit U2 Sänger Bono abgebildet) und Probleme („Juli wird heavy“ – Iglesias als langhaariger Heavymetaler).
Memes (auf Spanisch ausgesprochen wie man’s liest): Das sind diese Internetdinger, zu denen irgendjemand mal ein Foto, eine Zeichnung, eine Audio, einen Videoschnipsel mit einem Spruch zusammenmontiert hat. Die wackeln dann oder sind unbewegt, geben Töne von sich oder auch nicht – und werden über soziale Medien einfach immer weitergereicht. Meist sollen sie lustig sein, von satirisch bis strunzdumm. Julio Iglesias hat in seinem langen Leben einiges an Fotomaterial geliefert – für den Rest braucht’s nur die Fantasie der User:innen und minimales Photoshop-Talent.
Wie das mit Julio Iglesias und den Memes begann, ist nicht endgültig geklärt. Und wird sich mangels profunder Lücken in der Julio-Iglesias-Meme-Forschung wohl nie klären. Dieselben Berichte zum Thema werden wie die Memes alle Jahre wieder hervorgekramt (hier recycelt CNN schamlos einen Bericht von 2022), ergab die taz-Recherche.
Geständnis in der spanischen Bunte
Aus dem Jahr 2015 stammen offenbar die ersten Memes. Seitdem zitiert die spanischsprachige internationale Presse das (wohl immer noch einzige) Exklusivinterview von Iglesias zum Thema aus der Zeitschrift ¡Hola! (quasi die spanische Bunte). Darin sagte Iglesias über seine Memes: „Ich kenne sie, sie sind sympathisch und machen den Leuten Freude … ich finde das gut, solange sie nicht beleidigend sind.“
Und ein weiteres „Geständnis“: „Ich sehe nicht alle, aber manchmal schicken mir Freunde eins und ich lache mich schief.“ Eine Reaktion „mit dem guten Humor, der Julio Iglesias immer ausgezeichnet hat“, analysierte ¡Hola! messerscharf.
In der Coronapandemie, als auch die spanischsprachige Welt dringend etwas zu Lachen brauchte, kam ein krasser Schub. Und seitdem geht das so weiter mit den Memes, kein Ende in Sicht. Würd ja auch niemand auf die Idee kommen, den Weihnachtsmann abzuschaffen.
Wortwitz und Doppeldeutigkeit
Ähnlich wie der Lebkuchen in den deutschen Supermärkten fluten die Julio-Memes mittlerweile schon im Mai das Netz und schwappen bis in den August. „Juli ist in Sicht“, „Juli am Horizont“ (Iglesias im Sonnenaufgang, Iglesias lugt aus einem Loch, Iglesias in Wanderermontur) – und für Fortgeschrittene des spanischen Kalauers: „Wir haben Mai, Juli wartet noch auf uns“ („Julio espera“ / „Julio es pera“ – mit einem Iglesias-Kopf montiert in eine giftgrüne Birne = pera, passend zu seinem Lied „Espera“).
Umkehrt dann: „Juli verlässt uns“ (Iglesias steigt in die U-Bahn) oder „Die letzten Minuten des Juli“ (Iglesias auf dem elektrischen Stuhl). Sollte Julio Iglesias jemals sterben, könnte die Sache noch makaberer werden.
Wobei: Es geht längst schon ohne ihn, wie ein Meme belegt. Das zeigt einen älteren Herrn mit Schlips unter einer Klimaanlage. „No es Julio, pero tiene un aire“ also „Das ist nicht Julio, aber er hat eine Klimaanlage“, doppeldeutig „ähnelt ihm“.
Balladen mit üppigem Schmalzfaktor
Julio Iglesias stammt aus Madrid, einer seiner erster Hits, „Un canto a Galicia“, war eine Liebeserklärung an die galizische Heimat seines Vaters – spanischer geht’s also nicht. In Lateinamerika blickt man auf das Land der ehemaligen Kolonialherren immer noch durchwachsen, gelinde gesagt. Wer in Kolumbien mit festlandspanischer Aussprache aufschlägt, unterlässt das Lispeln am besten schnell. Aber im Juli ist das vergessen. Humor verbindet.
Iglesias war vieles in seinem Leben. Sänger, Komponist, Musiker, Produzent, Fußballer, Anwalt und Unternehmer. Er gilt als einer der erfolgreichsten spanischsprachigen Musiker, ach was, er hat in 14 Sprachen gesungen. Vor allem Balladen mit üppigem Schmalzfaktor.
Der Versuch, diesen Text mit Youtubes Best-Of-Julio-Iglesias-Mix im Ohr zu schreiben, musste die Autorin abbrechen. Es ist zu bezweifeln, dass seine Meme-Fans ihn im Juli in Dauerschleife hören. Wahrscheinlicher ist, dass sie seine Lieder gar nicht kennen. Auf Instagram hat er vor vier Monaten zuletzt gepostet (und nein, kein Meme von sich).
Steuerflucht gen Karibik
Mittlerweile ist er 80, achtfacher Vater (sein Jüngster ist 14), hat vor bald 20 Jahren seinen Rückzug aus dem Rampenlicht verkündet. Er soll mit seiner zweiten Frau (blondes Ex-Model) zwischen Miami und den Bahamas leben. 2021 tauchte er in den Pandora Papers als einer der Prominenten auf, die Steuerflucht gen Karibik mit einem Haufen Offshore-Firmen begingen.
Aber das alles dämpft den Julio-Enthusiasmus kein bisschen. Demnächst kommt eine Netflix-Serie über sein Leben heraus. Vielleicht lernen dann die Internaut:innen, über wen sie da alle Jahre wieder lachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs