piwik no script img

Juhu: Es wird weiter berlinertAus dem Berliner Dialekt wird ein Regiolekt

Der Berlin-Brandenburger „Regiolekt“ wird nicht aussterben. Schuld daran sind die Brandenburger, die das Berlinern auch erst vor 500 Jahren lernten.

Klöpse, Buletten, Schrippen: Berlinern kann so schön sein Foto: dpa

Ick sitze da un’ esse Klops

uff eemal klopp’s

Ick kieke, staune, wundre mir,

uff eemal jeht se uff, die Tür.

Nanu, denk ick, ick denk nanu

jetz isse uff, erscht war se zu!

Ick jehe raus und kieke

Zitat

und wer steht draußen? Icke!

Glaubt man den Sprachforschern der Via­drina-Uni in Frankfurt (Oder) stehen die Chancen nicht schlecht, dass das berühmte Berliner Klopsgedicht aus unbekannter Feder auch in Zukunft zumindest gelegentlich zitiert und verstanden wird. Der Berlin-Brandenburger Dialekt werde – Globalisierung hin, Zuwanderung her – so schnell nicht aussterben, erklären die Wissenschaftler. Zwar würden einzelne Dialekte etwa aus dem Oderland oder der Mittelmark als Regiolekt weiter zusammengefasst – der sei aber durchaus zukunftstauglich.

Woran man das merkt? Klare Sache: Wenn so noch gesprochen wird. Und das ist beim Berlinerischen offenbar der Fall – auch wenn man als Angehörige der linksversifften Kreuzberger Grün-Blase davon nicht viel mitbekommt. Beziehungsweise sich schier ein Loch in den Bauch freut, wenn jemand sagt, er oder sie habe noch irgendwo eine Flasche Wein „zu liejen“.

Außerhalb Kreuzbergs (beziehungsweise Berlins) ist das offenbar nichts Besonderes. In Brandenburg kommuniziere immer noch die Mehrheit der Bevölkerung im Regio­lekt, so die Forscher, auch die jungen Leute. Eine einleuchtende Erklärung dafür haben die Linguisten auch: die gemeinsame Sprache schaffe Identität und Solidarität. Klar, wenn man sonst nichts hat …

Schmelztigelfunktion

In Berlin allerdings ist das Icke weiter auf dem Rückzug – was die Forscher mit dem traditionell schlechten Image des Dialekts im „schnieken“ Westberlin, aber auch mit der Schmelztigelfunktion der Großstadt erklären. Wo Menschen vieler Kulturen (Bayern, Schwaben, Österreicher usw.) leben, einigt man sich eben besser auf eine Standard-Hochsprache für alle.

Die Folge: Über die tonangebenden Dia­lekt-Schnösel aus Westberlin war das Berlinerische über die Jahre auch im Ostteil der Stadt und im Umland weniger geworden. Diesen Weg könnte der Regiolekt – aufgrund des permanenten Austauschs zwischen Stadt und Land – nun vielleicht in umgekehrter Richtung zurückgehen, hoffen die Forscher.

Ursprünglich war es übrigens andersherum jewesen: Vor 500 Jahren war in Brandenburg nämlich noch das Niederdeutsche vorherrschend. Nach der Reformation vermischte sich das mit dem Oberdeutschen aus Sachsen und Thüringen. Aus dieser „Mischung“ entstand schließlich der Berlin-Brandenburger Dialekt. Und zwar in Berlin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Nu bleim wa ma uff'n Teppich. In dem spießigen West-Berlin eines Wowereits oder Buschkowsky galt Berlinern als absolut unfein. Darum bemühten sich die Emporkömmlinge ihren gewohnten Dialekt abzulegen. Der typische Slang, so wie ihn Eberhard Diebchen spricht, ist eben die Mischung aus Hinterhof und Wohnzimmereinrichtung von Möbel-Kunst. Natürlich lässt sich der Dialekt nicht auf die Stadt Berlin beschränken. Es gibt lediglich unterschiedliche Färbungen, woran man erkennt, ob einer aus dem Wedding, New-kölln oder Ostberlin kommt.

    Der bekannte Schauspieler und Kabarettist Dieter Hallervorden beherrscht meisterhaft den Originalton prügelnder Westberliner Polizisten. Da kommt die ganze Brutalität und Sentimentalität des Berliner Kleinbürgers zum Vorschein. Nur ist Dieter Hallervorden in Dessau und nicht in Berlin geboren worden.

    Für uns war dieses unbeschreiblich feine Getue von Eltern und Lehrern natürlich ein hochwillkommener Anlass das Berlinern zu pflegen. Kein Geringerer als Kurt Tucholski, den ein Vordenker der AfD, Alfred Rosenberg, zwar nicht am Pegida-Galgen aufhängen wollte, sondern an einer robusten Straßenlaterne, ein profunder Kenner des Berliner Dialektes. Erich Kästner beschrieb ihn darin sehr treffend. Ein Verdienst der Sprachforschung Tucholskis war die Entdeckung des "erzählenden Futurums".

    Betrachten wir also in dieser spracharmen Zeit den Berliner Dialekt als eine Pflanze auf der roten Liste. Dann passt auch das Bild der Berliner "Portjeehschen", die die Kinder auf dem Hinterhof anbrüllt:"Jeht weg von die Blume, spielt mit'm Müllkasten" (Heinrich Zille). Das lässt sich auf schwäbisch gar nicht ausdrücken, was die heutigen Bewohner dieses Hauses betrifft.