Jugendzentrum in Hannover bedroht: Extremismus-Klausel zurück
Wer an Organisationen vermietet, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, soll keine Förderung mehr bekommen. So will es die Deutschlandkoalition.
Jetzt sorgen die Haushaltsentwürfe des Bündnisses für Furore. Sie sehen Kürzungen bei migrantischen Vereinen, alternativen Kulturangeboten, beim Klimaschutz und Umweltverbänden vor, gestärkt werden sollen stattdessen Sportvereine und bürgerliche Institutionen vom Wilhelm-Busch-Museum bis zum Schützenfest, aber auch Verbände, die den Parteien näher stehen wie Caritas und AWO. Dagegen formiert sich Protest.
Vertreter von SPD, CDU und FDP sprechen von einer „Hetzjagd“, die in sozialen Medien gegen sie veranstaltet werde, befeuert und unterstützt von den Grünen, wo sich mittlerweile selbst Landtagsabgeordnete in die Debatte einmischen.
Am Freitag demonstrierten betroffene Vereine und Verbände vor dem Rathaus in Hannover, auch in den Fachausschüssen, die zuerst über die Haushaltsanträge beraten und sie beschließen müssen, tummeln sich protestierende Besucher. Anhören möchte man sich die aber lieber nicht: Da werden Einwohnerfragestunden kurzerhand von der Tagesordnung gestrichen, Beifalls- oder Unmutsbekundungen aus den Zuschauerreihen mit Verweis auf die Hausordnung rigoros unterbunden.
Umstrittene Kürzungsanträge
Einzelne Vereinsvorstände berichten, ihnen sei signalisiert worden, die Kürzungen könnten noch zurückgenommen werden – wenn sie sich mit politischen Äußerungen zurückhalten. Tatsächlich hat die Deutschlandkoalition einige Kürzungsanträge zurückgenommen – nur nicht die, die öffentlich am heftigsten umstritten waren.
Dass es dabei oft mehr um politische Symbolik als um tatsächliche Einsparungen geht, zeigt auch der Antrag, der am heutigen Montag im Jugendhilfeausschuss verhandelt wird. Die Zuwendungen für das Unabhängige Jugendzentrum Kornstraße (UJZ Korn) sollen davon abhängig gemacht werden, dass der Verein seine Räumlichkeiten nicht an Organisationen vermietet, die vom Verfassungsschutz beobachet werden.
Eine solche „Extremismus-Klausel“ ist rechtlich hochumstritten. 2011 versuchte die damalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) sie für diverse Demokratieförderprogramme im Bund einzuführen. Sie wurde jedoch teilweise von Verwaltungsgerichten kassiert und musste in der Folge stark abgeschwächt werden. Für die CDU war dies der Versuch, dafür zu sorgen, dass linksextreme Strukturen nicht mit staatlichen Mitteln gefördert werden. Wer ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht unterschreiben wolle, entlarve sich selbst, fand Schröder. SPD, Grüne und Linke befürchteten, dass auf diese Art und Weise Initiativen gegen rechts in ihrer Arbeit behindert würden.
Dies vor allem, weil die Ursprungsklausel eben auch verlangte, dass man für Kooperationspartner haftet – sobald also irgendjemand mit einer entsprechenden Vorbelastung einen Vortrag hielte, müsste man mit einer Rückforderung der Gelder rechnen. Das gilt dann möglicherweise auch für Leute, die in ganz anderen Zusammenhängen ins Visier des Verfassungsschutzes geraten sind, und für Aussteiger.
Tatsächlich gehörte dies zu den Punkten, die das Konstrukt juristisch angreifbar machten. Fraglich war schon, ob man von einem Verein, der ein paar Zuschüsse erhält, so viel verlangen kann wie beispielsweise von einem Staatsbediensteten. Auch der zugrunde gelegte Extremismusbegriff schien Verwaltungsgerichten zu unbestimmt, die Haftung für die Meinungsäußerungen Dritter zu umfassend. Schon 2014 wurde die Klausel deshalb zu weiten Teilen wieder einkassiert. Übrig geblieben ist eine Demokratieerklärung, die Bestandteil des Förderbescheides ist, aber keine weiteren Aktionen des Empfängers voraussetzt.
Langgehegter Herzenswunsch der CDU?
Warum man dieses Fass nun in Hannover wieder aufmachen möchte, bleibt unklar. Möglicherweise handelt es sich um einen langgehegten Herzenswunsch der CDU, die (genauso wie die AfD) vor Jahren schon einmal einen ähnlichen Antrag gestellt hatte. Im Sommer hatte sich die Junge Freiheit in einer Serie über „Antifa-Areas“, noch einmal prominent an der Korn abgearbeitet. Autor war Hinrich Rohbohm, der sonst in der WerteUnion den Brückenschlag zwischen CDU und AfD vorantreibt.
Die Vorwürfe gegen die Korn sind so alt wie das Jugendzentrum selbst. Mit seinen 52 Jahren gehört es zu den ältesten autonomen Jugendzentren der Republik. Problematisiert wird meist die Nähe zu kurdischen Vereinen, die der PKK nahestehen oder aber Veranstaltungen der Interventionistischen Linken (IL) und der Roten Hilfe.
Unklar bleibt allerdings, wie genau so etwas künftig unterbunden beziehungsweise geahndet werden soll. Immerhin kann der Verein nicht einfach so beim niedersächsischen Verfassungsschutz nachfragen, ob dieser Verein oder jener Referent wohl eine Akte hat. Er könnte allenfalls Verfassungsschutzberichte durchsehen – oder seinerseits entsprechende Treueschwüre auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung von seinen Untermietern einfordern.
Unklar ist auch, ob die Zuwendungen bei Verstößen zurückgefordert werden sollen oder für die Zukunft gestrichen, ob dies in vollem Umfang geschehen soll oder anteilig. Über all diese lästigen Details scheint man sich nicht so viele Gedanken gemacht zu haben. taz-Nachfragen dazu möchten vor allem die SPD- und die CDU-Fraktion nicht beantworten. Einzig FDP-Mann Patrick Döring erklärt, diese Detailfragen müsste man dann zwischen Verwaltung, Politik und Zuwendungsempfänger noch klären.
Hoffen auf Ablehnung des Antrags
Vielleicht aber auch nicht: Insider hoffen, dass der Antrag im Jugendhilfeausschuss abgelehnt wird. Immerhin müssten andere Träger befürchten, dass es schon aus Gleichbehandlungsgründen nicht bei der vergleichsweise kleinen Korn bleibt. Dann müssten künftig auch sie Gesinnungstests durchführen.
Drollig ist das auch deshalb, weil die Stadt diesem Anspruch „keine Vermietung an Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden“ selbst gar nicht gerecht werden kann. Vom Verfassungsschutz beobachtet – zumindest als Verdachtsobjekt – wird ja auch die AfD.
Trotzdem muss die Stadt ihre Freizeitheime regelmäßig für deren Stammtische zur Verfügung stellen, solange die Partei eben nicht verboten ist. Auch wenn dort Referenten auftauchen, die in anderen Bundesländern als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft werden und bekanntermaßen unter Beobachtung stehen.
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