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Jugend-Volksfront rüstet gegen Kohl

■ CDU-Parteitag: Vereinte Ablehnung des Kanzlers bei Diskussion im Schlachthof

Ein veritabler Wunschzettel: Gesetzlich vorgeschriebene 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, Steuer auf Spekulationsgewinne, höherer Benzinpreis, Steuersenkung, Steuerreform, Ausbildungsplatzgarantie, Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, der Wehrpflicht und aller Ausländergesetze, Recht auf Faulheit, Fairneß gegenüber der „Dritten Welt“ und Volksabstimmungen über wichtige Fragen wie den Euro. All diese Forderungen könnte sich das Jugendbündnis „Kohl muß weg“ auf die Fahnen schreiben, damit eine neue Regierung sie in Angriff nimmt.

Die 100 zumeist jugendlichen Kohl-GegnerInnen, die sich am Sonntag mittag im Turm des Schlachthofs versammelt hatten, formten schon jene linke „Volksfront“, die der Altkanzler und seine Hilfstruppen heute und morgen wenige Meter entfernt in der Stadthalle beim CDU-Bundesparteitag als Feind für den Wahlkampf entlarven dürften. Gewerkschaftsjugend, junge Grüne, Falken, Jusos und PDS-AktivistInnen eint bei allen Differenzen die Erkenntnis, mit ihrem Kampf gegen den Kanzler eine Mission zu erfüllen: „Wer, wenn nicht wir“, so das Motto.

Aber weil man eben junge PostgewerkschafterInnen, die nach der Ausbildung eine Übernahmegarantie im Heimatort verlangen, nicht ohne weiteres hinter dem Banner der Revolution versammeln kann, hielten sich die VertreterInnen der Umsturzrhetorik denn auch eher zurück bei der Podiumsdiskussion. Der Falke Aljoscha Jegodtka verlangte, den „Kapitalismus aufzubrechen“. Fabio de Masi, Mitglied der BundesschülerInnenvertretung und PDS-Aktivist aus Darmstadt will „den Kapitalismus biegen, bis er bricht“. Aber jene Polizeibeamten, die sich im Vorfeld im Schlachthof nach der „subversiven“ Aktion der Kohl-GegnerInnen erkundigt hatten, konnten sich entspannen. Eine revolutionäre Bewegung wurde nicht geboren.

Man war sich auch nicht einig, ob man mit Kohl ein Symbol bekämpfe und jeder andere Politiker ebenso die Perspektiven von Millionen zerstört hätte – so der Vorwurf auf den Werbeplakaten für die Veranstaltung. Oder ob der Pfälzer wirklich schlimmer sei als alle anderen, weil unter seiner erstickenden Regie etwa weit mehr als vier Millionen Arbeitslose stillschweigend als Normalzustand hingenommen würden.

Bremens IG Metall-Chef Manfred Muster warb eindringlich dafür, linke Politik in verständliche politische Formeln zu gießen und sich nicht „sektiererisch in die Ecke zu setzen“. Für „nicht-politische Menschen“ sei „die Linke ja nicht gerade eine Erfolgsnummer“. Muster zog sich wieder auf die nicht dem Zeitgeist gemäßen Formeln zurück: Solidarität sei das Schlagwort, dazu gehörten Verteilungsgerechtigkeit, Emanzipation von Minderheiten, Chancengleichheit, Menschenrechte, Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Die Linke müsse „mit dem Ausgrenzen aufhören“, das gelänge am leichtesten durch eine großzügige Formulierung der Grundsätze.

Das sei gerade die Qualität des Bündnisses „Kohl muß weg“, sekundierte Schülervertreter und PDS-Mann Fabio de Masi dem Gewerkschafter und Sozialdemokraten. Hier dürfe der BUND ebenso für Naturschutz werben wie die PDS die soziale Frage thematisiere.

Der Kampf gegen Kohl und Konsorten sei nicht so kompliziert, fand ein Zuhörer. Die von der CDU plakatierten Slogans „neuer Aufschwung, neue Arbeit“ seien „alte Märchen“: „Das müssen wir den Leuten unter die Nase reiben“. Überhaupt müsse man wieder anfangen, so der Tenor unter den Versammelten, Politik zu machen und sich als Gegensatz zur diskussionslosen „Ideologiemaschine der Rechten“ auch zu streiten um ein Modell für eine künftige Gesellschaft. Denn, so faßte ein autonomer Bündnis-Skeptiker mit Blick auf den Wunschzettel der Versammlung zusammen: „Die Linke ist bescheiden geworden“. jof

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