piwik no script img

Endgültiges Ende der PKKWar es das wert?

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Hinter der Auflösung der PKK steckt wohl ein Deal mit Präsident Erdogan. Ein schlechtes Zeichen für die Demokratie in der Türkei.

Nichts hat der Demokratisierung der Türkei so sehr geschadet wie der bewaffnete Kampf der PKK seit 1984 Foto: Murad Sezer/AP

D ie kurdische Arbeiterpartei PKK beginnt nach mehr als 40 Jahren Kampf nun mit der Niederlegung ihrer Waffen. Ihr Anführer Abdullah Öcalan sagt, das Ende des Kampfes sei keine Niederlage, sondern ein „historischer Gewinn“, weil die kurdische Existenz in der Türkei jetzt anerkannt werde. Das ist, gemessen daran, dass man den Kampf ursprünglich für einen eigenen kurdischen Staat startete, eine doch eher bescheidene Anerkennung der Realität, die im Nachhinein sehr fraglich erscheinen lässt, ob das Leid und die über 40.000 Toten gerechtfertigt waren.

Sicher, die PKK hat entscheidend dazu beigetragen, das kurdische Selbstbewusstsein in der Türkei zu entwickeln, und die harte Repression als Antwort auf die PKK hat den kurdischen Nationalismus erst recht verfestigt. Aber Terror und Gegenterror haben die gesamte Gesellschaft traumatisiert. Nichts hat der Demokratisierung der Türkei so sehr geschadet wie der bewaffnete Kampf der PKK seit 1984.

Er führte dazu, dass das Militär zu einem entscheidenden politischen Faktor aufstieg. Dieser so genannte bewaffnete Kampf hat vor allem die Arbeit der legalen kurdischen Partei stark behindert, weil sie immer wieder dem Vorwurf der Komplizenschaft mit dem „Terrorismus“ ausgesetzt war, verboten wurde und wichtige PolitikerInnen im Gefängnis landeten. Vor allem in den letzten 15 Jahren war die PKK vornehmlich Selbstzweck, ihre politische Wirkung verheerend. Schon vor 20 Jahren war die Existenz der Kurden in der Türkei weithin anerkannt, da hätte es der PKK längst nicht mehr bedurft.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Man wird sehen, wie der politische Prozess nun weitergeht. Der türkische Präsident Erdoğan, der nach den Kurden nun die säkulare Opposition massiv verfolgt, scheint den Kurden einen Deal anbieten zu wollen: Wenn ihr einer neuen Verfassung zustimmt, die mir eine Präsidentschaft auf Lebenszeit ermöglicht, bekommt ihr einige Minderheitenrechte. Lassen sich die PKK und die Führung der kurdischen DEM-Partei darauf ein, würden sie der Demokratie in der Türkei endgültig den Todesstoß versetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Die Schuld an die Unterdrückten weiterreichen ist schön bequem. Die islamofaschistischen und ultranationalistischen Kräfte in der Türkei hätten sich dann andere Opfer gesucht denen man die Schuld an jeder Art von Krise und am eigenen Versagen geben kann. Griechen, Armenier, Kurden, Syrer und jetzt die Säkularen.



    Unsere Union hat durch die Unterstützung der Ultranationalisten der Grauen Wölfe auch zum Hass und Terror in der Türkei beigetragen. Da hatte man ja scheinbar nichts gegen Unterstützung aus dem Ausland.

  • Der Artikel verfehlt leider in wesentlichen Punkten die historische und politische Tiefe, die das Thema verdient. Statt die Friedensbekundung der PKK als wichtigen Schritt ernst zu nehmen, wird sie pauschal kritisiert und in Frage gestellt. Dabei bleibt völlig unbeachtet, dass der bewaffnete Kampf der PKK nicht aus dem Nichts entstand, sondern eine direkte Folge jahrzehntelanger Unterdrückung und systematischer Verfolgung der kurdischen Bevölkerung ist – insbesondere seit der Revision des Vertrags von Lausanne, durch die die Kurden faktisch entrechtet wurden.

    Der Artikel blendet diese historische Dimension völlig aus und vermittelt damit ein einseitiges, verzerrtes Bild. Wer über kurdische Bewegungen berichtet, sollte sich mit ihrer Geschichte und den politischen Realitäten auseinandersetzen, statt vorschnell über Friedenssignale zu urteilen. Eine solche Haltung wird weder der Komplexität des Konflikts noch den Hoffnungen auf eine friedliche Lösung gerecht

  • "Nichts hat der Demokratisierung der Türkei so sehr geschadet wie der bewaffnete Kampf der PKK seit 1984." Das klingt nach Schuldzuweisung an die PKK für die rechtsextremen Regierungen der Türkei der letzten 40 Jahre. Dies erscheint mir, angesichts der langen Geschichte des türkischen Nationalismus und Imperialismus, sowie des Völkermordes an den Armeniern, eine gewagte These.

  • Vermutlich blieb der PKK auch nicht viel übrig, denn die türkische Armee ist nicht die gleiche wie vor 40 Jahren. Gegen moderne Kampfdrohnen, Überwachung aus der Luft etc. ist mit veralteter, überwiegend auf dem Schwarzmarkt organisierter, Ausrüstung wohl nicht viel auszurichten. Die Zeit der Guerillas dürfte wohl endgültig vorbei sein.

    • @Claudio M.:

      Auch die Guerillas entwickeln sich weiter, Öcalan wirkt eher einfach nur müde.