: Jubel in der Nibelungenhalle
■ 3.000 DVU-Anhänger kamen nach Passau - und halb so viele Gegendemonstranten
Berlin/Passau (taz/AP) – Für Willi Schmöller war es ein Tag wie jeder andere. „Mit dem Rechtsradikalismus muß man sich täglich auseinandersetzen, 365 Tage im Jahr“, sagte der SPD-Bürgermeister der Stadt Passau. Diesmal hat Schmöller wieder verloren. Er hatte zu eine Gegenkundgebung zur Wahlkampfveranstaltung der Deutschen Volksunion (DVU) aufgerufen. Mit Schmöller, den Kirchenleuten und Bürgern liefen 250 Menschen zum „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus“ an den Inn. In der Nibelungenhalle jubelten dagegen 3.000 Anhänger der rechtsextremen DVU Franz Schönhuber und Gerhard Frey zu, die am Samstag in der Dreiflüssestadt ihren letzten Wahlkampfauftritt hatten.
Ein Sieg war es jedoch auch für die Volksverhetzer Frey und Schönhuber nicht, die sich zur Bundestagswahl taktisch vereinten. Insgesamt gingen in Passau 1.200 Menschen auf die Straße, um gegen die Rechtsextremen vor deren Wallfahrtsort, der 1938 gebauten Nibelungenhalle, zu demonstrieren. Neben Schmöller hatte auch der örtliche Deutsche Gewerkschaftsbund rund 200 Leute auf die Beine gebracht. Der „Verein zur Förderung des antifaschistischen Bewußtseins junger Menschen“ sorgte für weitere 800 Gegendemonstranten.
Die Polizei versuchte laut eigenen Angaben erfolgreich die Antifa „mit einem starken Aufgebot von den DVU-Teilnehmern fernzuhalten“. Ergebnis waren insgesamt 18 Festnahmen. Davon rechnete die Polizei 15 dem linken Spektrum und drei dem rechten zu. Bis gestern nachmittag seien alle Festgenommenen wieder auf freiem Fuß gewesen, teilte ein Sprecher mit. Ihnen wurde unerlaubter Waffenbesitz, Widerstand und Sachbeschädigung zur Last gelegt. Bei einem der festgesetzten Rechtsextremen, so ist dem Festnahmeprotokoll zu entnehmen, fand die Polizei ein Koppelschloß mit Hakenkreuz und der Aufschrift „Blut und Ehre“.
In der Nibelungenhalle, einem alljährlichen Aufmarschplatz der DVU, hatte die rechtsxtreme Partei „hochkarätige Redner“ angekündigt. Der französische Nationalist Jean-Marie Le Pen gab seinen Kameraden allerdings einen Korb – weil er sich auf einen „politischen Prozeß“ vorbereiten müsse, sagte ein DVU-Sprecher. Offenbar ging es um die Aberkennung seines Mandats als Europaparlamentarier.
Auch die NPD verzichtete auf einen eher kuriosen Auftritt in Passau. Die NPDler hatten ihrerseits eine Gegendemo gegen die rechte Konkurrenz von der DVU angemeldet. Ein gerichtliches Hin und Her mit der Stadt Passau gewannen sie zwar am Ende. Die NPD verzichtete dann aber dennoch auf eine Demonstration, angeblich weil ihre Anhänger „Angst um Leib und Leben“ hätten, sagte ein NPD-Sprecher. „Wahrscheinlich haben die nicht genug Leute zusammengebracht“, vermutete hingegen Passaus SPD-Bürgermeister Willi Schmöller.
Der seit 1990 in Passau regierende Stadtobere mag im Kampf gegen die Rechtsextremisten nicht aufstecken. Juristisch versucht er jedes Jahr aufs Neue den Einmarsch in die häßliche Nibelungenhalle zu verhindern. Was schwierig ist, solange die DVU als Partei zugelassen ist und bei ihren Kundgebungen nicht gegen das Strafgesetzbuch verstößt.
Zur gesellschaftlichen Mobilisierung des Bürgermeisters gegen rechts kommen indes jährlich mehr. Diesmal konnte der Bürgermeister den Politologen Heinrich Oberreuther gewinnen, der am Holocaust-Mahnmal am Inn die Demokraten dazu aufrief, nicht lockerzulassen im Kampf gegen rechts. Am nachhaltigsten wird Schmöller die Vorliebe von NPD, DVU und anderen Rechtsparteien für die Nibelungenhalle stören, indem er sie abreißen läßt. Spätestens im Jahr 2002, kündigte der Bürgermeister an, werde die Halle im Zuge des Messeneubaus und einer neuen städteplanerischen Konzeption der Dreiflüssestadt abgerissen. Christian Füller
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