Journalistin über ihre Haft im Irak: „Ein Spiel mit Angst und Emotionen“

Marlene Förster und ihr Kollege wurden während ihrer Recherche im Irak verhaftet. Die Journalistin erzählt, was sie in der Haft erlebten.

JesidInnen in einem Camp für Geflüchtete in der nordirakischen Stadt Zaxo

JesidInnen in einem Camp für Geflüchtete in der nordirakischen Stadt Zaxo Foto: Safin Hamed/afp

taz: Marlene, nachdem du am 20. April im Irak festgenommen wurdest, bist du nach 20-tägiger Haft wieder zurück in Deutschland. Lange gab es keinen Kontakt zu dir, viele Details waren unklar – nun kannst du selbst erzählen, was passiert ist.

Marlene Förster: Mein slowenischer Kollege Matej und ich waren zusammen mit einer jesidischen Familie auf dem Rückweg vom Neujahrsfest, das die JesidInnen im April feiern. An einem Checkpoint wurden wir aufgehalten und von der irakischen Armee mitgenommen. Erst dachten wir, es ginge nur um unser Visum, das abgelaufen war. Uns wurde immer erzählt, dass das kein Problem sei, man müsse einfach bei Ausreise eine kleine Strafe zahlen. Da dachten wir noch, das würde sich relativ schnell klären.

Im Laufe des Abends wurde klar, dass der irakische Geheimdienst involviert ist. Dann wurden die Vorwürfe schnell absurder: Sie behaupteten, wir seien Spione. Uns wurde klar, dass nach Gründen gesucht wird, weshalb wir die Region verlassen müssen.

Weshalb war das der Regierung so wichtig?

engagiert sich politisch und sozial für KurdInnen und JesidInnen. Als Aktivistin und Medienschaffende reiste sie mehrfach in die kurdischen Gebiete.

Wir waren dort, um über die Situation der JesidInnen im Sinjar-Gebirge zu berichten und um dort ein Medienzentrum aufbauen. Das Gebirge liegt im Nordwesten des Irak nahe der syrischen Grenze. Während des Genozides, den der „Islamische Staat“ 2014 an den JesidInnen verübte, wurde sehr viel über sie berichtet, dann flachte das Interesse wieder ab. Dabei ist es heute noch wichtig, da genau hinzuschauen: Viele JesidInnen werden noch immer von IS-Kämpfern in Gefangenschaft gehalten. Da wenige JournalistInnen vor Ort sind, wollten wir deren Arbeit unterstützen, durch Übersetzungen oder Kontakte, und auch selbst über die Situation informieren. Aber diese Berichterstattung ist vom irakischen Staat nicht erwünscht.

Warum ist das so?

Die JesidInnen und ihre Gebiete werden permanent angegriffen, immer wieder auch von der Türkei mit Drohnenattacken. Sie sind weiterhin Opfer von Repressionen, vom irakischen Staat, von der kurdischen Autonomieregierung. Und immer wieder werden wichtige Persönlichkeiten aus der jesidischen Community gezielt ermordet – zuletzt im Dezember der Co-Vorsitzende der jesidischen Selbstverwaltung Merwan Bedel – kurz bevor Matej und ich dort angekommen sind. Und über all das soll möglichst wenig bekannt werden.

Nachdem euch Spionage vorgeworfen wurde – was ist dann passiert?

Wir wurden erst nach Mossul gebracht und nach etwa fünf Tagen in die Hauptstadt Bagdad verlegt. Die ganze Zeit über durften wir keinen Kontakt zur deutschen Botschaft aufnehmen. Uns wurde immer gesagt: Morgen, und am nächsten Tag wieder dasselbe. Nach vier Tagen haben wir dann beschlossen, uns in einen Hungerstreik zu begeben. Das haben wir fünf Tage durchgezogen, und dann wurde endlich einem Treffen mit der Botschaft zugestimmt. Die hatte sich auch sehr bemüht, mit uns sprechen zu können, wurde aber bis dahin immer abgewiesen.

Wie wurdet ihr in der Haft behandelt?

Natürlich hatten wir großes Glück, dass wir europäische StaatsbürgerInnen sind. Wir haben auch den Umgang mit den irakischen Gefangenen mitbekommen – sie werden gefoltert, man hört Leute schreien. Im Irak sitzen auch viele JournalistInnen im Gefängnis, oft jahrelang. Das hat etwas mit mir gemacht – auch wenn ich wusste, dass mir das aufgrund meines Passes wahrscheinlich nicht passieren wird.

Bei uns wurde vor allem versucht, psychischen Druck aufzubauen. Gerade am Anfang, bevor wir Kontakt zur Botschaft hatten, haben sie viel mit unseren Emotionen gespielt, versucht uns zu verängstigen und zu verunsichern. Sie haben uns zum Beispiel erst gesagt, dass wir freikommen, und dann wieder gedroht, dass sie uns einfach verschwinden lassen.

Wart ihr euch dieses Risikos bewusst, bevor ihr hingegangen seid?

Ja. Und das ist immer ein Zwiespalt: Meiner Familie und Freunden wäre es natürlich lieber, wenn ich von ­Deutschland aus aktiv wäre, wo ich mich nicht in Gefahr bringe, gleichzeitig unterstützen sie mich aber. Nachdem wir verhaftet wurden, haben sie sich sehr bemüht, unsere Festnahme in die ­Öffentlichkeit zu bringen. Es hat mich positiv überrascht, wie viele Menschen auf Kundgebungen waren und für unsere Freilassung protestiert haben.

Wie bist du dazu gekommen, dich für KurdInnen und JesidInnen zu engagieren?

Ich habe in Marburg studiert und hatte dort einige Freunde, die im kurdischen Studierendenverband YXK aktiv waren. Da bin ich zum ersten Mal mit den Problemen der KurdInnen in Berührung gekommen, etwa der Unterdrückung durch die Türkei, aber auch mit Positivem – wie der Gleichberechtigung von Frauen oder dem Aufbau von solidarischen Kooperativen. Ich komme aus einem politischen Haushalt, habe mich schon in der Schule engagiert, zum Beispiel im Bildungsstreik.

Die kurdische Bewegung hat mich oft beeindruckt, weil sie sich mit vielen Problemen beschäftigt, die weltweit präsent sind, etwa dem Umgang mit Geflüchteten oder der Klimakrise. Ein Beispiel: In einem Frauendorf im syrischen Teil Kurdistans, bei dessen Aufbau ich geholfen habe, gibt es nun einen Gemüsegarten, ein Gesundheitszentrum und Selbstverteidigungskurse. Aber ich möchte nicht meine Person in den Vordergrund stellen, sondern die Situation der Menschen vor Ort.

Bei deiner Reise im Irak ging es allerdings nicht nur um sie, sondern auch um dich und deinen Aktivismus.

Ja, das Berliner Kollektiv LeftVision hatte mich gebeten, auch mich selbst und meine Arbeit zu porträtieren. Die Aufmerksamkeit, die mit meiner Verhaftung kam, möchte ich nutzen, um auf die Situation aufmerksam zu machen – es hatte also quasi sogar etwas Gutes.

Was wünscht du dir nun von den Medien und der Öffentlichkeit bezüglich der Situation im Irak?

Ich finde es wichtig, die Hintergründe zu erklären, damit man die Lage dort besser verstehen und sich entsprechend positionieren kann. PolitikerInnen müssen Verantwortung übernehmen und die türkischen Angriffe verurteilen. Auch die deutsch-türkischen Beziehungen im Allgemeinen müssen überdacht werden, und natürlich die Waffenexporte. Türkische Drohnen, die auch im Sinjar-Gebirge eingesetzt werden, basieren teilweise auf deutscher Technologie.

Was wünscht du dir für die Menschen vor Ort?

Das Wichtigste, vor allem für die jesidische Community, ist, dass ihre Selbstverwaltung anerkannt wird, dass sie selbst für sich sprechen und entscheiden können. Dafür bräuchte es zum Beispiel eine internationale Anerkennung des Genozids. Medien könnten zu dieser Entwicklung beitragen, indem sie über die Perspektiven der JesidInnen und KurdInnen berichten.

Würdest du anderen – trotz deiner Erfahrung – raten, sich zu engagieren?

Auf jeden Fall. Ich kann leider nicht mehr in den Irak zurück, aber ich hoffe, dass viele andere unsere Arbeit – auch vor Ort – weiterführen werden. Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu engagieren, nicht jeder muss dorthin fliegen. Die JesidInnen und KurdInnen haben sehr viel Leid erlebt, aber ich habe selten so starke, hoffnungsvolle Menschen gesehen, die sich so gerne ein neues Leben aufbauen möchten. Dazu möchte ich weiter beitragen.

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