piwik no script img

Journalist in Russland verhaftetUnter Hausarrest

Dem russischen Reporter Iwan Golunow drohen viele Jahre Haft wegen Drogenhandels. Beobachter befürchten, dass Beweise manipuliert wurden.

Vor Gericht saß Golunow in einer Zelle, danach ging es zurück nach Hause – in den Hausarrest Foto: dpa

Berlin taz | Der russische Investigativjournalist Iwan Golunow fürchtet, vom Hausarrest in Untersuchungshaft überstellt zu werden. Dies sagte sein Anwalt Dmitri Dschulai gegenüber der taz am Montag. Dem regierungskritischen Reporter wird Handel mit einer „großen Menge“ illegaler Drogen vorgeworfen. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Der für das unabhängige Nachrichtenportal Meduza tätige Enthüllungsjournalist weist die Anschuldigungen zurück.

Der 36-Jährige war am 6. Juni im Zentrum Moskaus festgenommen worden. Bei einer anschließenden Hausdurchsuchung wurden nach Angaben der Polizei Drogen in seiner Wohnung gefunden. Golunow vermutete während einer gerichtlichen Anhörung zu seinem Arrest, die Einleitung des Verfahrens könnte mit seinen Recherchen über Korruption im Bestattungswesen zusammenhängen.

Seit Samstag steht Golunow in Moskau nun unter Hausarrest. Er darf seine Wohnung zwei Monate lang nicht verlassen. Sein psychischer Zustand sei sehr ernst, sagt Anwalt Dschulai. „Iwan ist sehr verwirrt, erschrocken und vertraut niemandem.“ Es werde ihm nicht gestattet mit jemand anderem als den Ermittlern, seinen Anwälten und Repräsentanten des Föderalen Strafvollzugsdienstes zu sprechen.

Dschulai bekräftigte, dass weder in den Proben der Nägel, noch in denen der Haare von Golunow Drogenspuren nachgewiesen werden konnten. „Die Ergebnisse der Untersuchung sind negativ. Dies ist wahrscheinlich der Grund, warum die Polizei diese Untersuchung nicht durchführen wollte, da sie die Unschuld von Iwan beweist“, meint der Anwalt.

Hausarrest statt Untersuchungshaft

Seine Kollegin Olga Dinse sagte der taz am Montag, die Staatsanwaltschaft wolle Golunow am Dienstag erneut verhören. Zudem wolle die Justiz Golunow psychiatrisch untersuchen lassen. Dinse will dagegen Widerspruch einlegen. „Die Ermittler hatten bisher keine Beweise, dass er an psychischen Erkrankungen leiden könnte.“ Auch legten die beiden Anwälte beim Verfassungsgericht in Moskau Beschwerde ein, weil der Journalist in Gewahrsam misshandelt worden sei.

Das Gericht des Moskauer Bezirks Nikulinskij hatte am Samstag entschieden, dass Golunow unter Hausarrest gestellt wird. Zwei Tage zuvor hatte die Polizei ihn in Gewahrsam genommen. Auf Videos ist zu sehen, wie Golunow die Verhandlung aus einem Käfig im Gerichtssaal heraus verfolgt. Er war den Tränen nahe, als er sich bei den versammelten FreundInnen und KollegInnen bedankte. Nach dem Richterspruch jubelten Hunderte UnterstützerInnen vor dem Gerichtsgebäude – sie hatten befürchtet, dass Golunow Untersuchungshaft bekommen würde statt Hausarrest.

Iwan ist sehr verwirrt, erschrocken und vertraut niemandem

Dmitri Dschulai, Anwalt

Das Verfahren gegen Golunow stieß international auf Kritik, unter anderem gab es in den USA, China und Deutschland Protestaktionen. Vor der russischen Botschaft in Berlin versammelten sich am Samstag nach Angaben des Veranstalters Ali Ferus bis zu 80 Menschen. Sie trugen Plakate mit Slogans wie „#FreeGolunov“, „Hände weg von Iwan“ und „Journalismus ist kein Verbrechen“. Ferus ist ein usbekisch-russischer Journalist, der 2017 selbst ein halbes Jahr in Moskau in Abschiebehaft saß. „Wir müssen Wanja (Golunow, Anm. d. Red.) spüren lassen, dass er nicht allein ist“, sagte Ferus.

Für die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen sieht „alles nach erfundenen Vorwürfen aus“, um den kritischen Enthüller mundtot zu machen, sagte Geschäftsführer Christian Mihr. Der Generalsekretär des Europarats Thorbjörn Jagland forderte, Vorwürfe, dass Beweise manipuliert worden seien, müssten aufgeklärt werden.

Eine Online-Petition auf Change.org für die Freilassung des Reporters hatte bis Montag Nachmittag mehr als 150.000 Unterzeichner. Außerdem protestierten die drei russischen Tageszeitungen Wedomosti, Kommersant und RBK zum Wochenstart auf ihren Titelseiten mit der identischen Überschrift „Ich bin/Wir sind Iwan Golunow“ gegen die Festnahme des Enthüllers.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Veraltet



    Der Reporter ist frei mangels Beweisen. Auch in D werden verdächtige festgenommen. Die Staatsanwaltschaft hat ihnen Vergehen nachzuweisen, und ein Richter entscheidet darüber. Das der Richter nur Hausarrest verordnete zeigt schon, dass er von der Schuld nicht sehr überzeugt war.

  • The Police is responsible that Golunov carrying drugs in his clothes & store it in his residency ?.. Sounds implausible ...

    Golunov, 36, an investigative correspondent from the Riga-based Meduza online newspaper, was detained in downtown Moscow on June 6. According to police, he was carrying several packages containing 4 grams of mephedrone, a synthetic stimulant drug. Police also said three packages, a parcel containing a powdery substance and scales were found at his rented apartment in Moscow. A criminal case was opened against Golunov. Mephedrone can not found through regular drugscreenings of sweat , hairs & nails , it can only found through laboratory analyses of the blood & urin said Volker Auwärter , Professor for forensic Toxicologie at the Universitätsklinikum Freiburg .

    ( Sources : tass.com/society/1063231 , de.wikipedia.org/wiki/Mephedron , www.welt.de/gesund...Finger-lassen.html )