Joschka Fischers neues Buch: Post Pax Americana
Nach Trump und Brexit: In „Der Abstieg des Westens“ sagt der frühere Außenminister Joschka Fischer eine neue Weltordnung voraus.
Pressekonferenzen des früheren Außenminister Joschka Fischer können sehr unterhaltsam sein. Was sich denn nun seit seinem Ausscheiden aus der Politik 2006 alles geändert habe, wollte ein Fragesteller von Fischer bei der Vorstellung seines neuen Buches, „Der Abstieg des Westens“ (Kiepenheuer & Witsch, 240 Seiten, 20 Euro), wissen. Der antwortete am Montag in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin gewohnt schlagfertig: „Zum Beispiel: Ein amerikanischer Präsident stellt die Nato in Frage, und nicht der linke Flügel der grünen Partei.“
In einem Monat wird die einstige Grünen-Leitfigur 70. In Berlin führte er aus, was viele seiner Meinung nach in Deutschland nicht sehen wollen. Nicht im Wahlkampf und nicht jetzt während des Gezerres um die passende Koalition: Nach 1989 und nun mit Trump und Brexit stehen die Europäer vor einer weltpolitischen Zäsur. Bis zum Fall der Mauer und dem Ende der Sowjetunion basierte die europäische Friedensordnung auf der Pax Americana, Resultat zweier desaströser Weltkriege, der Schoah und des Kalten Krieges.
Doch derzeit erlebe Europa und die Welt, so Fischer, einen russischen Präsidenten, der stolz seine Waffen präsentiere, sowie einen amerikanischen, der Handelskriege vom Zaun breche. Die Entwicklung habe ihn „aufgewühlt und tief nachdenklich“ gestimmt. Was, wenn Deutschland in der Mitte Europas wieder zum „schwankenden Halm“ würde, umgeben und selbst getrieben von rivalisierenden nationalistischen Zielen? Emmanuel Macron habe diese Gefahr erkannt. Und gegen die Nationalisten Marine Le Pens konsequent auf die europäische Karte gesetzt. Und damit vorerst gewonnen.
Und die Deutschen? Fischer musste in Berlin nicht extra betonen, dass dies die SPD aus Furcht vor der AfD nicht tat. Und sich der linke Flügel samt Jusos weiter im inhaltsleeren Distanzieren vom Regieren und substanzlosen Moralisieren gefällt. Doch wer saturiert ist und stagniert, so Fischer, wird Mächte wie China und Indien vorbeiziehen sehen. Sein Buch sei in diesem Sinne ein Weckruf, auch wenn die genannten Staaten einst ohnehin vor dem Westen die großen Mächte waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Vorteile von physischen Spielen
Für mehr Plastik unterm Weihnachtsbaum
Stromspeicher für Erneuerbare Energien
Deutschland sucht die neue Superbatterie