Jonas Savimbi und Étienne Tshisekedi: Zwei Tote bewegen Afrika
Kongo und Angola wollen endlich ihre verstorbenen Oppositionshelden ehren. Würdiges Gedenken ist aber nicht einfach.
Endlich werden zwei Politiker geehrt, die in den 1990er-Jahren Afrika prägten, obwohl sie nie an die Macht kamen. Jonas Savimbi bekämpfte in Angola als Führer der Rebellenbewegung Unita (Nationalunion für die totale Unabhängigkeit Angolas) das sozialistische Einparteienregime. 2002 tötete ihn ein Luftangriff, der Krieg endete. Étienne Tshisekedi bekämpfte in der Demokratischen Republik Kongo, früher Zaire, als Führer der zivilen Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) die Mobutu-Diktatur und war später in Opposition zum Kabila-Regime. 2017 starb er im belgischen Exil, seitdem lag er in einer Brüsseler Leichenhalle.
Am Samstag sollen beide würdig unter die Erde gebracht werden – Savimbi mit einem feierlichen Begräbnis in seinem angolanischen Heimatdorf Lopitanga, Tshisekedi mit einem Staatsakt in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Möglich geworden ist das durch Machtwechsel in beiden Ländern. In Angola übertrug vor zwei Jahren Altpräsident Eduardo dos Santos, Kriegsgegner und Bezwinger Savimbis, das Amt des Staatschefs an João Lourenço und der überwindet jetzt das Dos-Santos-Erbe.
Im Kongo ist seit Januar Étienne Tshisekedis Sohn Félix Tshisekedi Präsident und hat die von seinem Vorgänger Joseph Kabila nicht zugelassene Rückführung seines toten Vaters zur Chefsache gemacht. Aber beide historischen Ereignisse sind von Pannen überschattet.
In Angola sollte Savimbis Leichnam am Dienstag der Familie übergeben werden. Der tote Rebellenführer war am 31. Januar exhumiert worden, nachdem er siebzehn Jahre lang auf dem Friedhof von Luena im einstigen Kriegsgebiet gelegen hatte. Savimbis Familie und die Unita-Führung um Isaias Samakuva reisten nun zur Übergabe zum Flughafen der Stadt Cuito, wo sich zahlreiche Anhänger und Offizielle versammelt hatten.
„Schändliches Spektakel“
Dort erfuhren sie, dass die Regierung die sterblichen Überreste am Vortag nicht nach Cuito, sondern in das 600 Kilometer entfernte Andulo geflogen und in Militärgewahrsam gebracht hatte. Die angereisten Regierungsvertreter, darunter Pedro Sebastião, der Sicherheitschef des Staatspräsidenten, setzten sich in einen Hubschrauber nach Andulo, ohne die in Cuito festsitzende Unita-Delegation begrüßt zu haben.
„Das hilft nicht bei der Versöhnung“, sagt Unita-Sprecher Alcides Sakala. Die Staatsmacht wolle seine mittlerweile zivile Oppositionspartei erniedrigen. Julio Muehombo, Unita-Vertreter in Brüssel, schimpft über ein „schändliches Spektakel“, das „die Familie bestrafen und die Vorbereitungen der Trauerfeier sabotieren“ solle. Für Angolas Sicherheitschef Sebastião ist die Unita selber schuld, weil sie nicht wie vereinbart nach Luena gekommen sei, um den Leichnam entgegenzunehmen. Am Donnerstag war unklar, ob und wo der Trauerakt am Samstag überhaupt stattfinden kann und ob Savimbis Familie ihren Verstorbenen in Empfang nehmen darf.
Auch im Kongo ging einiges schief. Die eigentlich für Mittwochabend vorgesehene Rückführung des Leichnams von Étienne Tshisekedi aus Brüssel nach Kinshasa musste verschoben werden – „in letzter Minute“, wie das Organisationskomitee des Staatsaktes mitteilte. Berichten zufolge war ein Flugzeug gechartert, das den Toten abholen sollte – aber die Maschine, ein Airbus A-330, tauchte nicht rechtzeitig auf, „aus logistischen Gründen“, wie es hieß. Die auf der belgischen Luftwaffenbasis Melsbroek wartenden Familienangehörigen und Ehrengäste, darunter der belgische Außenminister, mussten unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen.
Am Donnerstag löste Kongos Präsident Tshisekedi das Trauerkomitee auf, organisierte das Flugzeug selbst und am Donnerstagmittag hob die Maschine endlich in Belgien ab, um am Abend in Kinshasa landen zu können. Dort hatte die Regierung den Donnerstag zum bezahlten Feiertag ausgerufen. Vor dem UDPS-Sitz in Kinshasa haben sich schon seit Mittwoch zahlreiche Aktivisten eingefunden, die nach eigenen Angaben bereit sind, einen ganzen Monat lang zu trauern.
Es könnte nun in Kinshasa zur größten Trauerfeier kommen, die das Land je gesehen hat. Für Freitag ist eine Zeremonie im 80.000 Menschen fassenden „Märtyrerstadion“ der Stadt geplant, am Samstag die Beisetzung außerhalb der Hauptstadt bei Nsele, wo einst Tshisekedis Erzfeind Mobutu seine Farm hatte. Der Präsident hat sogar stolze 2,5 Millionen US-Dollar für ein „monumentales Bronzedankmal“ zum Gedenken an seinen Vater bewilligt. Und während zur Amtseinführung von Félix Tshisekedi als Präsident im Januar nur ein einziger Amtskollege erschienen war, aus Kenia, kommen zum toten Vater sechs: aus Guinea und Togo sowie aus den Nachbarländern Ruanda, Sambia, Kongo-Brazzaville – und eben Angola.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn