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Jochen Flasbarth über Umweltpolitik"Wir brauchen neue Schienen"

Auch wenn das Naturschützer schmerzt: Um mehr Verkehr auf die Bahn zu lenken, muss der Neubau von Trassen geprüft werden, sagt der neue Chef des Umweltbundesamts, Jochen Flasbarth.

Jochen Flasbarth: "Bei jeder neuen Trasse verschwindet Natur. Aber am Ende rechnet sich das für die Umwelt." Bild: dpa

taz: Herr Flasbarth, ab jetzt sollen Sie ihren bisherigen Chef, Sigmar Gabriel, unabhängig beraten. Was ist der größte Fehler des Bundesumweltministers?

Jochen Flasbarth: (lacht) Der Minister macht alles richtig, per Definition.

Sie finden es richtig, dass sich Gabriel für neue Kohlekraftwerke einsetzt?

Bild: dpa
Im Interview: 

Jochen Flasbarth, 47, ist neuer Chef des Umweltbundesamts in Dessau. Zuvor leitete der gebürtige Duisburger die Naturschutzabteilung des Umweltministeriums und den Naturschutzbund Nabu.

Natürlich wird es umso schwieriger, die langfristigen Klimaziele zu erreichen, je mehr neue Kohlekraftwerke ans Netz gehen. Aber es stimmt auch, dass wir zunächst Emissionen einsparen, wenn wir ein modernes Kohlekraftwerk an- und ein altes dafür abschalten. Darum schlage ich einen Kohledialog vor, in dem Wirtschaftsleute, Wissenschaftler und Umweltverbände diskutieren, ab wann wir uns die Chance für den ökologischen Umbau zu sehr verbauen.

Spricht da der Umweltschützer oder der Duisburger?

Jeder hat seine Vita, das ist keine Frage. Ich weiß, was Strukturwandel bedeutet. Und ich weiß auch, dass es leicht ist auf einem gut abgesicherten Einkommensniveau, den Daumen mal rauf und mal runter zu heben. Der Kohleausstieg muss in einer sozialen Balance stattfinden.

Die Jobs der Zukunft soll eine ökologische Wirtschaft bringen, eine Millionen bei den Grünen, vier Millionen bei der SPD. Was ist realistisch?

Das kommt darauf an, welche Maßnahmen man beschließt. Geht man zum Beispiel den enormen Bedarf an Gebäudesanierung an und fördert das mit Zuschüssen, dann sind schon in einer siebenstelligen Größenordnung Jobs drin. Auch die erneuerbaren Energien sind ein Jobmotor.

Ist es Glück oder Pech, in einer Krise den Job des Umweltmahners anzutreten?

Ich würde das andersrum sagen: Wenn es schon eine Krise geben musste, dann kam sie für die gesellschaftliche Debatte ein paar Jahre zu früh. Wir steigen zwar in die Green Economy ein, aber sind noch nicht reif für die Umsetzung.

Was wurde denn verpasst?

Mit dem Konjunkturpaket baut man jetzt Straßen, die ohnehin kommen sollten, einfach nur schneller, denn dafür lagen Pläne vor. Bei alternativen Ideen waren wir nicht so weit.

Ein Beispiel?

Jetzt wäre Geld da gewesen, um die Brücken über dem Elbeseitenkanal anzuheben, damit größere Containerschiffe ihn nutzen können. Dann könnte man künftig auf die teure Unterhaltung für die Güterschifffahrt auf der parallel verlaufenden Elbe verzichten. Planungen dazu gibt es aber nicht. So käme das allenfalls für ein Konjunkturpaket sagen wir ab 2018 infrage.

Sind andere Ökoideen auch ausgebremst worden?

Wir müssen zum Beispiel mehr Laster von der Straße bekommen. Dazu brauchen wir zusätzliche Investitionen in das Schienennetz. Gibt es derzeit Engpässe, werden die Güterwaggons zur Seite geschoben, und das ist für die Wirtschaft nicht akzeptabel. Wir müssen deshalb auch prüfen, ob wir entlang einigen bestehenden Trassen neue Schienen bauen müssen.

Davon werden Naturschützer nicht begeistert sein.

Ja, das ist nicht schmerzfrei aus Umweltsicht. Bei jeder neuen Trasse verschwindet Natur. Diese Debatte müssen wir noch führen. Aber am Ende rechnet sich das für die Umwelt.

Warum ist es so langwierig, eine ökologischere Gesellschaft zu schaffen?

Die Menschen mögen nicht, wenn der Staat in ihre Bewegungsfreiheit eingreift. Auch bei der Freizeitgestaltung oder dem Ernährungsverhalten finden sie ihn schnell übergriffig.

Und bei der Lampenfrage. Was lernen Sie daraus, dass Verbraucher Glühbirnen horten und die Sparleuchte meiden?

Ich hoffe, das ist ein skurriler Einzelfall. Wichtig ist jetzt, die Rücknahme defekter Energiesparlampen zu organisieren. Denn die enthalten Quecksilber. Wir können so etwas nicht mit Vehemenz in den Markt einführen und dann keine bequeme, verbrauchernahe Rücknahme über den Handel anbieten.

Lenkt das Verbot nicht von Wichtigerem ab?

Nein, der Stromverbrauch im Beleuchtungssektor ist so hoch, dass wir das Verbot besser schon früher ausgeprochen hätten. Aber das Thema ist natürlich nur ein Baustein. Die EU kümmert sich zu Recht auch um sparsamere Fernseher, Kühlschränke oder Elektromotoren.

Wann muss Politik Vorschriften machen?

Wir brauchen einen gesunden Mix an Maßnahmen. Auch Preissignale helfen, wie die Ökosteuer zeigt. Doch nach der Erfahrung, dass die Debatte über Spritsteuern abgleiten kann in eine Kampagne "Rasen für die Rente", tun Parteien mit Mindestüberlebenswillen sich schwer, solche Instrumente weiterzuentwickeln. Dann ist man eben wieder beim Ordnungsrecht - etwa mit Höchstmengen für den CO2-Ausstoß bei Autos.

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