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Jens Spahn und die HebammenGeburtenkontrolle à la CDU

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Dass Hebammen bald studieren, wird ihnen mehr Respekt bringen. Den lässt aber der Gesundheitsminister Frauen gegenüber vermissen.

Eine Mutter hält die Hand eines wenige Tage alten Kindes Foto: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

B is zu fünf Frauen in den Wehen gleichzeitig, Schichtarbeit und Hierarchien, die eigenverantwortliches Arbeiten unmöglich machen: Der Klinikalltag in der Geburtshilfe ist teils unzumutbar. Das gilt für gebärende Frauen, die allein gelassen oder schlecht behandelt werden, genauso wie für die Hebammen selbst. Die Folge: In jedem deutschen Kreißsaal können im Schnitt mehrere Hebammenstellen nicht nachbesetzt werden.

Die Dramatik der Situation wird durch das Gesetz, das der Bundestag am Donnerstag beschließen will und mit dem Gesundheitsminister Jens Spahn auf den letzten Drücker eine EU-Richtlinie umsetzt, höchstens sehr, sehr langfristig gemildert. Wenn Hebammen studiert haben, können sie weniger leicht zu Putzkräften degradiert werden. Doch die eigentlichen, frauenverachtenden Bedingungen in der Geburtshilfe kommen im Gesetz überhaupt nicht vor.

Zwar mischt sich Spahn hoch motiviert in den reproduktiven Lebenslauf von Frauen ein, unterstellt ihnen, die Pille danach wie „Smarties“ einzuwerfen, warnt davor, Schwangerschaftsabbrüche zu „normalisieren“, und lässt „psychische Störungen“ nach Abtreibungen untersuchen – eine Idee, die längst als PR-Masche sogenannter LebensschützerInnen entlarvt wurde. Doch dass Frauen, wenn sie ihre Schwangerschaft austragen, aus den oft als gewaltvoll erlebten Geburten zum Teil traumatisiert in die erste Zeit mit Kind starten, spielt keine Rolle. Denn die Bedingungen für Gebärende zu verbessern würde mehr kosten, als ihre Sexualität zu sanktionieren. Und Frauen das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung zuzugestehen steht ohnehin nicht zur Debatte.

Dabei sollten selbstbestimmte Geburten eine Selbstverständlichkeit sein. Eine 1:1-Betreuung in der Geburtshilfe, wie sie in anderen Ländern Standard ist, wäre ein erster Schritt. Spahn täte gut daran, diesen Schritt zu gehen und der psychischen und physischen Unversehrtheit von Frauen den nötigen Respekt entgegenzubringen.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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15 Kommentare

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  • Ich bin mir nicht sicher, ob das Studium für Hebammen die Überhöhung der Ärzte einschränken wird, die heute allen anderen Akteuren eine eigenständige Arbeitsweise verbietet. Dieses Problem haben aber nicht nur die Hebammen.

  • So kann man natürlich auch negativ darüber berichten, was die Hebammen selber immer gefordert haben und nun stolz drauf sind.

    Ignorieren das der Verband der Hebammen mit solchen "Ergebnis[en] sehr zufrieden und stolz darauf" ist. www.hebammenverban...s-in-den-laendern/

    Und weiter heißt es dort: "Wir Hebammen mussten in den vergangenen vier Jahren sehr viel Überzeugungsarbeit leisten und regionale Bündnisse schließen, um die Politik zum Handeln zu bewegen."

    • @Rudolf Fissner:

      Irgendwie haben sie den Tenor des Textes überhaupt nicht verstanden. Wenn ihr Brief eine Schularbeit gewesen wäre, hätten sie aber zumindest eine 5 bekommen, weil sie wenigstens im Groben verstanden haben, dass es um irgendwas mit Geburt geht.

  • Den Aufenthalt in einer lieblosen Gesellschaft beginnt man vorzugsweise mit einer lieblosen Geburt. «(º¿º)»

    • @Rainer B.:

      Wohl wahr.



      Jetzt komme ich wieder mit meiner Kritik an so manchen doofen Traditionen .

  • Wo Herr Spahn von der Situation Schwangerer/Gebärender auch so viel Ahnung hat...

  • Fakt ist einfach, dass man kein Abitur und Studium für das Berufsbild benötigt und die Reform wird lediglich dazu führen, dass es noch weniger Hebammen geben wird. "Niedrige" Bildungsabschlüsse sollen wohl bald nur noch zu prekären Arbeitsplätzen bei Zeitarbeitsfirmen führen.

    • @Hampelstielz:

      Seit Ewigkeiten sind 99% aller Hebammenschülerinnen Abiturientinnen

  • Auf den Punkt! Danke Fr. Hecht

  • Da sieht mensch mal wieder, wie heuchlerisch diese Nummer ist.

    Wenn die Wertekonservativen es wirklich ernst meinten, dann würden sie alles dafür tun, dass es den Müttern bei (s.o.) und nach der Geburt besser geht (Alleinerziehende Eltern ist immer noch ein Risikofaktor für Armut).

    Getünchte Gräber.

    • @tomás zerolo:

      "Wertekonservative", an welche Werte dachten Sie bei der Nutzung dieses Wortes? Geld? Macht? Gehorsam?

      • 6G
        68514 (Profil gelöscht)
        @Peter Lorenz:

        Beim Wort "Wertkonservative" fällt mir sofort der Geldwert ein. ... Ansonsten hat es der Artikel auf den Punkt gebracht.

  • Gstudierte entbinden also besser?

    • @ophorus:

      Es heißt a) gebären. Und b) was stört sie denn jetzt? Abitur ist seit etlichen Jahren die eigentliche Zugangsvoraussetzung für den Beruf.

  • Danke!!!