Jazz in Berlin: Neue Wege für den Jazz
Seit DDR-Zeiten sorgt Assi Glöde und Jazzkeller 69 dafür, dass in Berlin gejazzt wird. Jetzt zieht es die Jazzmacher erstmals in den Westen der Stadt.
„Ich war schon gebauchpinselt von der Einladung“, sagt Glöde. Eine CD hatte er als Präsent für den Bundespräsidenten auch mit dabei, auf dem Foto hält er sie noch in seinen Händen. Eine CD der Leipziger Big Band Brigade Futur 3, mit der er mal zusammengearbeitet hat. „Ich weiß aber nicht, ob der Herr Steinmeier sich diese jemals angehört hat“, sagt er.
Der Konzertveranstalter, der in seinem eigentlichen Beruf als Bauingenieur inzwischen in Rente ist, nennt sich selbst „Assi“. Das sei nun mal sein Spitzname, sagt er. Zu dem kam er, als er gerade seinen Wehrdienst bei der NVA in der DDR beendet, mit dem Studium aber noch nicht begonnen hatte. „Ich fühle mich gerade ein bisschen asozial“, habe er damals im Kreis seiner Freunde gesagt. Seitdem ist er eben „Assi“. Er sagt: „Es gibt schlimmere Namen, ich hab mit dem noch richtig Glück gehabt.“ Er denke da auch an einen Kumpel aus vergangenen Zeiten, der gerne mal einen gehoben hat. Den habe man „Spritti“ getauft.
Glöde alias Assi zog Anfang der Achtziger aus der damaligen Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, nach Berlin. Er war zu der Zeit längst Jazz-Fan und in seiner neuen Heimatstadt dann recht schnell regelmäßiger Besucher des Jazzkellers Treptow, der vom Kreiskulturhaus Treptow unterhalten wurde. Irgendwann stand er gelegentlich selbst am Einlass des Clubs und bald begann er, gemeinsam mit ein paar anderen immer freitags Konzerte zu organisieren.
Der Verein: Jazzkeller 69 ist ein Verein, der in Berlin Jazzkonzerte organisiert. Bis 2004 machte man das regelmäßig im Jazzkeller Treptow, danach im Aufsturz in Mitte, und zwar jede Woche freitags. Nun ist Wolf-Peter Glöde, der sich selbst „Assi“ nennt und der das mit großem Abstand aktivste Mitglied des Vereins ist, weitergezogen in den Schöneberger Zig Zag Jazz Club in der Hauptstraße 89.
Der Konzerttag: Ab sofort immer montags finden nun die Jazzkeller-Konzerte im Zig Zag statt. Los geht es mit dem Quartett des Berliner Jazzgitarristen Andreas Willers am Montag, 6. September.
Ein optimaler Tag für Jazz, wie Assi findet: „Die Woche ist vorbei, ab geht es in den Jazzkeller Treptow.“ Die Jazzszene in der damaligen DDR war klein, aber ziemlich vital, auch nach ihrer Blütezeit in den Siebzigern. „Ich habe mich bei meinen Bookings immer am zeitgenössischen Jazz orientiert“, erklärt Assi. Und das gilt letztlich bis heute.
Damals hat er all die Größen des DDR-Free-Jazz von Ulrich Gumpert bis Conny Bauer in den Jazzkeller geholt, nach der Wende dann auch die Modern-Jazz-Musiker aus dem Westen. Und bis heute ist klar: wenn Assi ein Konzert organisiert, darf man meist Abenteuerliches aus dem Bereich der musikalisch offenen und frei improvisierenden Szene erwarten.
Anfang der Neunziger gründete Assi, der auch im Vorstand der Berliner IG Jazz sitzt, mit ein paar Mitstreitern den Verein Jazzkeller 69, der fortan die Konzerte in dem Treptower Jazzclub organisierte. 2004 war der Jazzkeller-Club dann Geschichte, die freitäglichen Konzerte wanderten weiter in das Aufsturz in Mitte. Den guten Ruf, den dieser heute in der Jazzszene genießt, verdankt er zum Teil auch Assis Verein.
Doch während Corona ist irgendetwas passiert in seinem Verhältnis mit dem Club. Assi kann sich auch nicht so genau erklären, was schief gelaufen ist. Jedenfalls will das Aufsturz fortan freitags keine Konzerte mehr von Assi organisiert bekommen. Deswegen gastiert der Jazzkeller 69 fortan im Schöneberger Zig Zag Jazz Club. Zwar nun nicht mehr jede Woche freitags, sondern an den Montagen, Assi glaubt aber, das gehe genauso in Ordnung, auch wenn an den Montagen die Woche immer erst beginnt. Los geht es mit den Konzerten schon am 6. September, mit dem Quartett des Berliner Jazzgitarristen Andreas Willers.
Assi Glöde, Jazzmacher
Bis heute ist Assi als Veranstalter von Jazzkonzerten mehr oder weniger ehrenamtlich tätig. Sein Verein bekommt regelmäßig Fördergelder, auch in diesem Jahr um die 100.000 Euro. Wegen Corona konnte er die Gelder für weit weniger Konzerte als eigentlich gedacht verwenden. Aber er tut sein Bestes, um diese doch noch unter die Jazzer zu bringen. In Oberschöneweide läuft noch bis 25. September das „Jazzkeller 69“-Freiluftfestival Jazz am Kaisersteg und dazu organisiert er Konzerte im Industriesalon in Schöneweide, von denen es in diesem Jahr noch ein paar geben wird.
Auch wegen der Fördergelder sind Assis Veranstaltungen in der Jazzszene, in der man zu oft unter prekären Bedingungen auftreten muss, beliebt. „Die Musiker wissen: Der Jazzkeller kümmert sich um angemessene Gagen und ein angemessenes Umfeld“, so Assi.
Dass er nun im Zig Zag Jazz Club das erste Mal überhaupt auch Konzerte im Westen Berlins organisiert, das wäre ihm kaum aufgefallen: „Dank der Musik bin ich durch und durch internationalisiert. Ich habe gar kein Ost-West-Gefühl mehr.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!