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Japanische Popsängerin Ayumi HamasakiVor leeren Sitzen, mit Liebe

Weil die japanische Premierministerin die Regierung in Peking hart kritisiert, reagiert die mit einem Kulturboykott. J-Pop-Queen Ayu sang trotzdem.

Ayumi Hamasaki: Konzert in Shanghai Foto: imago

Die japanische Popsängerin Ayumi Hamasaki, von ihren Fans liebevoll Ayu genannt, hat am Samstag ein komplettes Konzert bis zur letzten Zugabe in einer leeren Hallenarena in Shanghai gespielt und damit ein Zeichen gegen Chinas aktuelle anti-japanische Politkampagne gesetzt. Hamasaki, die seit Ende der 1990er Jahre als ungekrönte „Königin des J-Pop“ gilt, teilte Fotos von aufwändigen Kostümen, dynamischer Bühnenbeleuchtung und fliegenden Papierdekorationen auf Instagram und bedankte sich bei ihren 200 chinesischen und japanischen Crew- und Bandmitgliedern sowie Tänzerinnen und Tänzern. „Mit 14.000 leeren Sitzen, aber so viel Liebe. Es war eine der unvergesslichsten Shows, die ich je erlebt habe“, schrieb sie.

Die Behörden hatten ihren Auftritt einen Tag zuvor unter Berufung auf „höhere Gewalt“ kurzfristig abgesagt. Aber jedem war klar, dass politische Motive dahintersteckten. Die chinesischen Behörden stornierten in den vergangenen Wochen zahlreiche Auftritte von japanischen Künstlern, sei es Pop, Klassik oder Jazz, und stoppten den Start von japanischen Filmen. Der Boykott traf auch die japanische Popsängerin Maki Otsuki – während ihres Auftritts ebenfalls in Shanghai schaltete der Veranstalter plötzlich die Scheinwerfer aus. Die sichtlich verblüffte Sängerin, die durch den Titelsong „Memories“ aus der Anime-Serie „One Piece“ im Ausland berühmt wurde, musste die Bühne verlassen.

Mit der Kampagne will das Regime in Peking Druck auf Japans neue Premierministerin Sanae Takaichi ausüben, die Anfang November militärische Maßnahmen von China gegen Taiwan als „existenzielle Bedrohung für Japan“ bezeichnet hatte. Der Kulturboykott soll die japanischen Künstler stellvertretend bestrafen und zugleich die nationalistischen Gefühle ihrer chinesischen Fans anstacheln. Ihr Ärger soll sich gegen Japans Regierung richten. Ein Kalkül, das wohl nicht aufgeht: Einige Fans forderten eine Entschuldigung von den Organisatoren für die Absage und beklagten Verluste von Geld und Zeit.

Clevere Gegenwehr

Vermutlich hatten Chinas Politstrategen auch nicht mit der cleveren Gegenwehr Ayus gerechnet. Die 47-jährige Solokünstlerin mit den höchsten Plattenverkäufen in Japan unterlief die chinesische Stornierung ihres Auftritts auf listige Weise: Sie zeichnete das Konzert auf und will es ihren Fans später zugänglich machen. Trotzig erklärte sie: „Unterhaltung sollte als Brücke zwischen Menschen dienen, und ich möchte diese Brücke bauen. Das habe ich immer geglaubt und glaube es auch heute noch.“

Die Aussage passt perfekt zu einer Biografie, die von großer Resilienz und einem starken Berufsethos gezeichnet ist. Trotz gesundheitlicher und privater Rückschläge versuchte Hamasaki als Künstlerin immer alles zu geben. Seit Mitte der 2000er ist sie auf dem linken Ohr vollständig taub. 2017 berichtete sie, auch das rechte Ohr verliere rapide an Hörvermögen. Trotzdem werde sie „als Sängerin weitermachen, bis ich mit meinem verbleibenden rechten Ohr an die Grenze stoße. Ich werde nicht aufhören. Ich werde keine Ausreden machen. Als Profi will ich jedem die bestmögliche Performance liefern.“

Vor vier Jahren absolvierte sie mehrere Konzerte mit angebrochenem Knöchel und ließ sich nicht einmal von einem Allergieschock stoppen. Das Konzert vor leeren Stühlen in Shanghai passt da ganz gut ins Bild dieser zähen und aufopferungsvollen Performerin.

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